Bozen/Madrid – Für Thomas Eccel ist immer noch Corona. Nicht, weil in Spanien, wo er lebt und arbeitet, noch das Virus wütet, sondern weil Eccel weiterhin arbeitet wie am Höhepunkt der Pandemie: im Smart Working, via Bildschirm mit Kollegen und Kolleginnen, Kunden und Kundinnen verbunden. Videokonferenzen sind die Normalität, nicht die Ausnahme. „Für mich ist nach Corona alles weitergegangen wie während Corona“, erzählt er am anderen Ende der Datenleitung und lächelt in die Bildschirmkamera.
Der Blondschopf mit der runden Brille und dem Zehntagebart sitzt in Madrid, sein fünfköpfiges Team in Lissabon, der Arbeitgeber überall auf der Welt. Eccel arbeitet für Jung von Matt, einer der größten Onlinemarketingagenturen Europas. Er spricht vier Sprachen fließend – Deutsch, Italienisch, Englisch und Spanisch –, dazu ein bisschen Portugiesisch. Und er macht einen Job, den die allermeisten Menschen nicht verstehen. Er ist Google-Ads-Experte. Als solcher sorgt er dafür, dass Großkunden – welche es sind, darf er nicht sagen – und deren Produkte bei Google besser gefunden werden als jene der Konkurrenz. Das klingt einfach, ist aber eine Welt für sich.
„Für mich ist nach Corona alles weitergegangen wie während Corona.“
Sein Team hat Thomas Eccel selbst aufgebaut. Als er im September 2021 zu Jung von Matt stieß, war er der einzige deutschsprachige Google-Ads-Experte in der Agentur. Aber weil funktionierte, was er machte, durfte er ein eigenes Team aufbauen – und griff auf Leute zurück, die er aus seiner Lissaboner Zeit kannte. Aber der Reihe nach.
Eccel Decorona und Carlo Ulrich: die Unternehmereltern
Thomas Eccel ist zu dem, was er heute tut, ein bisschen gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Er hat an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert und an der „ESERP Business & Law School“ in Madrid seinen Master gemacht. Im Grunde hätte er daraufhin nach Bozen zurückkehren und in einen von zwei elterlichen Betrieben einsteigen können: Der Vater führt das Bettenfachgeschäft Eccel Decorona, die Mutter ist im Management der auf Polierprodukte und -systeme spezialisierten „Carlo Ulrich GmbH“ tätig – beide Unternehmen haben eine über hundertjährige Geschichte.
Thomas Eccel hätte nach dem Studium in einen von zwei elterlichen Betrieben einsteigen können: Eccel Decorona oder Carlo Ulrich. Er wollte aber nicht zurück.
Aber Thomas Eccel, der einen kleineren und einen größeren Bruder hat, wollte nicht zurück, zumindest nicht so schnell. Er war ja erst 23. Zwar kehrte er zunächst für ein sechsmonatiges Praktikum bei Dr. Schär nach Südtirol zurück, doch im Jänner 2019 ging es nach Lissabon zu Accenture, „obwohl ich nicht genau wusste, was mich erwartet“. Eccel wusste, dass Accenture ein international tätiger Dienstleister ist, an den große Konzerne bestimmte Tätigkeiten outsourcen. Er wusste aber nicht, für welchen Accenture-Kunden er arbeiten würde. Und siehe da, Eccel bekam nicht irgendeinen Kunden zugeteilt, sondern einen der berühmtesten Namen der Welt: Google. Er sollte von nun an im Google-Kundendienst Ansprechpartner für deutschsprachige Unternehmen sein. „Mein Arbeitgeber war Accenture, aber de facto arbeitete ich für Google und hatte meinen Schreibtisch im Lissaboner Google-Gebäude“, erzählt Eccel und ergänzt: „Das war der Anfang meines Werdegangs mit Google Ads. Seither bin ich davon nicht mehr losgekommen.“
Von Suchmaschinenwerbung mit Google Ads habe er damals wenig Ahnung gehabt. Zwar habe er sich während des Studiums Kenntnisse im Social-Media-Marketing angeeignet, „aber Google Ads ist noch einmal ganz etwas anderes“, so Eccel, der noch heute dankbar für die Intensivtrainings ist, die ihm Google ermöglicht hat. Man sei im Google-Support nämlich ziemlich gefordert: „Du musst für die Kunden Probleme lösen, und jede Interaktion wird von Google monitoriert.“
Von Accenture zu Cognizant, aber immer für Google
Nach acht Monaten hatte Thomas Eccel genug vom Support – und genug gelernt. Im August 2019 wechselte er zum Dienstleister Cognizant, ohne groß den Arbeitsplatz zu wechseln. Denn auch Cognizant arbeitet für Google, weshalb Eccel im Google-Gebäude in Lissabon blieb. Fortan optimierte er Google-Ads-Anzeigen von Kunden wie eBay, Adidas und Nike.
Nach zwei Jahren bei Cognizant wechselte Thomas Eccel im September 2021 schließlich zu Jung von Matt. Die Agentur suchte einen Google-Ads-Spezialisten für Schweizer Kunden. Und Thomas Eccel schien ihnen der geeignete Mann dafür zu sein.
Eccel zog von Lissabon nach Madrid um, aber eigentlich nur wegen seiner Freundin. Im Grunde kann er arbeiten, wo er will. Meistens ist er in Madrid, alle paar Monate in der Firmenzentrale in Zürich, mal in Hamburg, manchmal in Bozen. Ein Büro bei Jung von Matt hat er nicht. „Wir sind remote eingestellt“, so Eccel.
Thomas Eccel sitzt in Madrid, sein fünfköpfiges Team in Lissabon, der Arbeitgeber überall auf der Welt.
„Wir“ bedeutete ursprünglich „ich“. Zunächst bewältigte Eccel die Arbeit nämlich alleine. Aber als die betreuten Unternehmen mehr wurden, gab ihm Jung von Matt das Okay, eine Abteilung aufzubauen. Eccel erinnerte sich an „ein paar gute Leute aus meiner Lissaboner Zeit“ und holte sie zu Jung von Matt. Jetzt dirigiert er als „Senior Performance Marketing Manager“ von Madrid aus das Team, das in Lissabon sitzt. Er erzählt das, als wäre es das Selbstverständlichste auf dieser Welt: „Wir machen alles online – modernes Arbeiten eben.“ Die Frage, ob er sich nie einsam fühle, so ganz allein am Arbeitsplatz, scheint ihn zu überraschen. Warum einsam? „Ich bin ja ständig in digitalem Kontakt mit meinem Team und mit Kunden.“ Zwischen den Zeilen klingt durch, dass Thomas Eccel diese Art des Arbeitens sogar schätzt: „Ich verliere keine Zeit mit Pendeln.“
Gelistet in den Rankings der Einflussreichen
Thomas Eccel hat sich in den nunmehr fünf Jahren in seinem Metier einen Namen gemacht. „Marketing O’Clock“, ein Podcast-Anbieter für Digitalmarketing-News, hat ihn im vergangenen Jahr in die Liste der 50 einflussreichsten PPCers weltweit aufgenommen. PPC steht für „Pay per Click“ und ist eine Onlinemarketing-Methode. Die nutzt auch Google Ads. Der Branchenbericht „PPC Survey“ führt Eccel unter den Top 100, als einen von nur drei Vertretern Italiens – und jetzt hat Eccel Chancen auf die Top 25, die im April bekannt gegeben werden. „Aber das ist nicht entscheidend. Es ist schon cool, dass ich überhaupt gelistet wurde“, so Eccel.
Der Branchenbericht „PPC Survey“ führt Eccel unter den Top 100, als einen von nur drei Vertretern Italiens – und jetzt hat Eccel Chancen auf die Top 25.
Was macht jemanden „einflussreich“? Eccel: „Es geht darum, wie viel Reichweite deine Posts haben und wie viel Fachwissen du teilst.“ Im Businessnetzwerk LinkedIn zählt Eccel so viele Follower:innen wie niemand anderes aus Südtirol: über 35.000. Eccel postet dort, wenn er mal wieder etwas entdeckt, was bei Google Ads gut funktioniert. Dass er damit leichtfertig einen Wettbewerbsvorteil aus der Hand gibt, findet er nicht. Im Gegenteil, LinkedIn helfe ihm, wettbewerbsfähig zu bleiben: „Die anderen teilen ja auch. Mal lernen sie von mir, mal ich von ihnen. Wir werden gemeinsam besser.“ Und wenn ihm wildfremde Menschen schreiben und sich bei ihm bedanken, dann sei dies Genugtuung und Ansporn zugleich.
Genugtuung verspürt Eccel auch, wenn die Kunden zufrieden mit den Ergebnissen seiner Arbeit sind. Er spürt die Verantwortung, die er hat, denn immerhin jongliere er mit fremdem Geld: „Ich muss genau wissen, was ich tue, denn ich kann ja nicht einfach das Geld der Kunden verbraten“, sagt er.
Die komplizierte Welt der Google Ads
Wer Thomas Eccel die unbedarfte Frage stellt, warum Google Ads so eine Hexerei sein soll, bekommt ein verständnisvolles Lächeln als Antwort. Google-Anzeigen gebe es zwar wie Sand am Meer, aber Leute, die sich mit deren Optimierung wirklich gut auskennen, seien selten. Die allermeisten Google-Ads-Experten, die sich als solche bezeichnen, seien gar keine. „Das ist eine eigene Wissenschaft“, so Eccel. Wie unzählig die Kriterien und Parameter seien, die für eine optimale Kampagne berücksichtigt werden müssen, sei für Außenstehende nicht vorstellbar.
Was also macht einen echten Google-Ads-Experten aus? „Zunächst Erfahrung, was funktioniert und was nicht. Dann die Fähigkeit, die Statistiken auf einen Blick zu erfassen, ohne sie stundenlang analysieren zu müssen. Und schließlich die Lust, sich ständig weiterzuentwickeln und vorne dran zu sein, wenn neue Features herauskommen“, antwortet Thomas Eccel. Letzthin komme zum Beispiel ganz massiv auch die künstliche Intelligenz ins Spiel.
„Ich glaube, ich bin schon zu weit abgedriftet in eine andere Welt.“
Je tiefer sich Thomas Eccel in diese Welt der Google Ads hineinkniet, desto unwahrscheinlicher wird freilich, dass er in eines der beiden elterlichen Unternehmen einsteigt. Das räumt er offen ein: „Ich glaube, ich bin schon zu weit abgedriftet in eine andere Welt.“ Trotzdem ist er etwa alle zwei Monate auf Heimatbesuch, und zwar gerne. „Südtirol ist für mich eine Topregion. Die Lebensqualität ist enorm“, sagt er, um dann aber gleich auf ein anderes Thema zu kommen, sein Thema: Weniger top sei Südtirol im Digitalen. Viele Websites seien veraltet, und bei Google Ads sei das Potenzial für die hiesigen Unternehmen ohnehin noch groß. Thomas Eccel sieht Südtirol durch seine ganz eigene Brille – durch die Brille von jemandem, der seinen Job mit Passion macht.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie hier und in der SWZapp.
Info
Was ist Google Ads?
Google Ads hieß früher Google AdWords und ist das Onlinewerbeprogramm von Google. Damit können Onlineanzeigen erstellt und geschaltet werden, die den Internetnutzern und -nutzerinnen genau dann angezeigt werden, wenn sie bei Google nach ausgewählten Schlüsselbegriffen suchen. Auch lassen sich die Anzeigen auf Gegenden, Altersklassen und viele andere Parameter anpassen. Google Ads umfasst zudem Google-Display-Bannerwerbung, YouTube-Werbung, Gmail-Werbung, Google-Maps-Werbung, Google-Shopping-Werbung und App-Werbungen. Die Werbung kann jeweils gezielt auf Interessen und gewünschte Zielgruppen ausgerichtet werden.