Bozen – Wie in einer sehr kleinen Nasa-Zentrale schaut es im Hauptraum des Südtiroler Landeswetterdienstes aus. Acht große Bildschirme hängen in geringstem Abstand voneinander an der Wand. Gerade zeigen sie Satellitenbilder. Mit Blick darauf sind fünf Arbeitsplätze ausgerichtet: je ein Bürostuhl, davor wiederum je drei oder vier Bildschirme. Einer von vier Meteorologen, die hier arbeiten, hat die SWZ gerade begrüßt und führt nun an den Schreibtischen vorbei in ein Besprechungszimmer, das gleich dahinter liegt. Seinen Namen kennen die meisten Südtirolerinnen und Südtiroler, sei es aus TV, Radio oder von X (vormals Twitter): Dieter Peterlin. Das hat mehrere Gründe.
In Südtirol sind zwei große wirtschaftliche Säulen, Landwirtschaft und Tourismus, gleichermaßen von ihm abhängig.
Wissen übers Wetter macht einflussreich
Das Wetter interessiert und fasziniert, ganz unabhängig von Alter, Gesellschaftsschicht oder Ausbildung einer Person, schließlich beeinflusst es uns privat wie beruflich. In Südtirol sind zwei große wirtschaftliche Säulen, Landwirtschaft und Tourismus, gleichermaßen von ihm abhängig. Wer etwas darüber weiß, dem wird Gehör geschenkt – so wie Dieter Peterlin, dem Landesmeteorologen (ein Begriff, der übrigens kein offizieller ist, sondern sich über die Jahre irgendwie eingebürgert hat). Dazu kommt, dass er sein Wissen verständlich zu vermitteln vermag. Die Kombination dieser beiden Faktoren dürfte dazu geführt haben, dass der 41-Jährige der wohl bekannteste Landesangestellte ist. Von der ff wurde er 2018 gar in die Liste der 100 einflussreichsten Südtiroler:innen aufgenommen, von den Leserinnen und Lesern des Wochenblatts bei der dazugehörigen Abstimmung auf Platz eins gewählt. Vielleicht auch deshalb meinen viele, Peterlin sei der Direktor des Amtes für Meteorologie und Lawinenwarnung. Tatsächlich steht an dessen Spitze aber eine Frau: Michela Munari. Ihr Stellvertreter wiederum ist Roberto Dinale.
Peterlin selbst betont immer wieder, nur ein Teil des Teams zu sein. Ihm steht nichts ferner, als sich in den Mittelpunkt zu stellen. Auch mit der SWZ will er lieber über die Arbeit sprechen als über die eigene Person. Ein klein wenig lässt er sich dann doch entlocken, dass ihn das Wetter bereits als Kind faszinierte zum Beispiel. Im Sommer waren es die Blitze, im Winter der Schnee, der in Kaltern, seinem Heimatort, bereits damals Seltenheitswert hatte. „Wenn es dann doch mal schneite, war das das Highlight schlechthin“, blickt Peterlin zurück.
Von der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst
Kurz vor Abschluss der Oberschule – er besuchte die Handelsoberschule in Auer (heute WFO) – stand er schließlich vor der wegweisenden Entscheidung: „Wähle ich die traditionelle Schiene, in dem Fall Wirtschaft oder Informatik, oder doch das Exotischere, nämlich Meteorologie?“ Das Ergebnis ist bekannt. Das Studium in Innsbruck entpuppte sich als eine verlängerte Schulzeit, so wenige Kommilitoninnen und Kommilitonen zählte das Fach. Peterlin erinnert sich gerne an diese Zeit, sie sei schön gewesen, wenn auch zugleich fordernd. Am Anfang habe er sich „richtig reinbeißen“ müssen, denn das Ausgangsniveau in Kursen wie Mathematik und Physik sei hoch gewesen.
Mit dem Diplom in der Tasche wollte Peterlin nicht direkt nach Südtirol zurück, sondern zuerst noch etwas anderes sehen. Er heuerte bei Österreichs größtem privaten Wetterdienst an, Meteomedia mit Hauptsitz in Wien (heute Ubimet). Zugleich schwang bereits der Gedanke mit, irgendwann wieder in der Heimat Fuß zu fassen. Die Möglichkeit dazu ergab sich dann schneller als erwartet bzw. erhofft. Bereits wenige Monate nach seinem Arbeitsantritt erfuhr er von einer offenen Stelle im Südtiroler Landeswetterdienst. Weil diese rar sind, nahm Peterlin am Wettbewerb teil – und gewann ihn. Für die in Wien gesammelten Erfahrungen zeigt er sich bis heute dankbar. Er habe eine breite Palette an Wetterberichten erstellen dürfen für ein relativ großes Gebiet. „Zwischen dem Wetter in Vorarlberg und jenem in Wien liegen oft Welten. Im Kleinformat ist das allerdings in Südtirol auch so“, stellt der Kalterer fest. Außerdem habe er die Arbeit in einem großen Team erlebt – und er kenne durch diese Karrierestation beide Welten: Privatwirtschaft und öffentlichen Dienst. Besser oder schlechter sei keine der beiden Realitäten. Eines räumt Peterlin ein: „Die Mühlen mahlen im Öffentlichen etwas langsamer.“

Immer bessere Prognosen
Seit Peterlin 2007 seinen Dienst antrat, hat sich einiges getan. Dank neuer technologischer Möglichkeiten – leistungstärkerer Computer, besserer Satelliten und Radare – haben sich die Prognosen deutlich verbessert. Entsprechend sind die Erwartungen der Menschen gestiegen. „Früher hieß es: Das stimmt eh nicht. Heute verlassen sich die Leute viel mehr auf uns“, sagt Peterlin. Seine Kollegen und er seien sich der Verantwortung, die daraus entwachse, sehr bewusst. Ihr Ziel: gute Vorhersagen zu erstellen, also solche, die zutreffen. „In Südtirol ist das täglich eine Herausforderung, denn wir haben große Unterschiede zwischen Nord, Süd, West und Ost, auch je nach Tal – ein kleines Land mit vielen Wettern“, stellt der Meteorologe fest.
Um trotz dieser Ausgangslage mit den Prognosen möglichst oft möglichst richtig zu liegen, gibt es ein genaues Prozedere beim Wetterdienst. An den Wochentagen gibt es je einen Meteorologen, der den Hauptdienst verrichtet. Sein Arbeitstag beginnt um 6 Uhr, seit Corona meist von zu Hause aus. Er erstellt die Vorhersage und ist um 7:00 Uhr mit dem ersten Bericht im Radio zu hören. Ausgangsmaterial für all dies sind Computermodelle und Wetterkarten, die verschiedene Informationen liefern wie Hoch- und Tiefdruckgebiete sowie Niederschläge. Die besten Daten liefert das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) mit Hauptsitz in Reading in Großbritannien. Sein Rechenzentrum befindet sich seit wenigen Jahren in Bologna, was „großes Prestige für Italien“ bedeute. Verschiedene Wetter-Apps greifen hingegen auf die Daten des Amerikanischen Wettermodells zurück, die kostenlos zur Verfügung stehen, allerdings weniger präzise sind, wodurch sich teils absurd erscheinende Meldungen ergeben. Hinzu kommt, dass diese häufig automatisch ausgewertet werden.
„Früher hieß es: Das stimmt eh nicht. Heute verlassen sich die Leute viel mehr auf uns.“
Wann sollen wir heiraten?
Im Landeswetterdienst hingegen steht die Feinjustierung im Fokus. Um 10 Uhr beginnt in der Schaltzentrale die große Diskussion. Die Daten der Modelle haben die Meteorologen zu dem Zeitpunkt bereits verglichen. Nun also gilt es, die Details zu klären. Liegt die Höchsttemperatur in Bozen morgen bei 16 Grad Celsius oder doch bei 18 Grad Celsius? Erreicht der Wind in Sterzing mehr als 50 km/h oder weniger? Sehr fachlich gehe all das vonstatten, berichtet Peterlin. „Niemand ist beleidigt, wenn ein anderer widerspricht. Am Ende zählt das Ergebnis. Und vier, sechs oder mehr Augen sehen mehr als zwei – gerade bei so großen Datenmengen.“
Auch eine Sitzung mit dem Zivilschutz steht täglich auf dem Programm. Für den gemeinsamen Spezialbericht liefern Peterlin und Co. die meteorologischen Inputs und warnen gegebenenfalls vor starken Niederschlägen, extremen Temperaturen oder Ähnlichem.
Zu den Aufgaben der Meteorologen zählen außerdem verschiedenste andere Tätigkeiten: Sie betreuen die Wetterstationen und schicken gegebenenfalls jemanden zur Wartung vorbei. Sie erstellen Statistiken, zum Beispiel zu Wetterrekorden. Sie halten Vorträge. Sie bieten Führungen an. Und sie beantworten Anfragen. Die trudeln von allen möglichen Absendern ins Postfach. Von Versicherungen, die Infos für Schadensfälle brauchen, etwa: „Gab es am 7. Jänner tatsächlich Glatteis?“. Von Medien, die ein Statement einholen möchten. Oder von Privaten. Letztere bringen Peterlin regelmäßig zum Schmunzeln. Da wäre der Herr, der in einem Monat mit dem Motorrad von Bozen nach Sardinien fährt und das Wetter entlang seiner Route wissen möchte („Prognosen über einen so langen Zeitraum sind nicht zuverlässig“). Oder der Bräutigam, der im Auftrag der Braut nachfragt, ob der 2. September oder der 9. Oktober der bessere Hochzeitstermin sind („Es gibt historische Daten, aber am Ende entscheidet der Zufall“).
5.500 Personen folgen ihm auf X
Kurzum: Die Arbeit im Landeswetterdienst gestaltet sich als sehr abwechslungsreich. „Manchmal hoffen wir auf etwas stabilere Hochdruckgebiete, um anderes abarbeiten zu können, sonst nimmt einen der Alltag stark ein“, erklärt Peterlin. Ansonsten bevorzugt er – zumindest beruflich – anderes Wetter, eines, „wo etwas los ist“, schmunzelt er. Ein Blick aus dem Fenster der Räumlichkeiten verrät, dass dies gerade zutrifft. Die Äste der Bäume draußen schaukeln im Wind. Der zu Ende gehende April hatte so ziemlich alles zu bieten, von Frühsommertagen bis zu erneuten Wintereinbrüchen. Peterlin hält darüber auch online auf dem Laufenden. Auf X, ehemals Twitter, folgen ihm mehr als 5.500 Personen. Von ihnen erhält er häufig direktes Feedback, etwa indem sie Fotos von Schneefällen schicken – oder einfach ein Dankeschön für seine Arbeit.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: „Der Landesetterfrosch“.