Brixen – Das Südtiroler Start-up-Ökosystem ist ein vergleichsweise junges, ebenso relativ jung ist die dazugehörige Investmentkultur – doch es gibt sie. Ausdruck dessen ist etwa auch das den Verein Tyrolean Business Angel Network, kurz: tba network, ein Netzwerk von Business Angels, das die Südtiroler Unternehmer Harald Oberrauch, Gert Gremes und Alexander Pichler vor drei Jahren gemeinsam mit 17 Gleichgesinnten gegründet haben.
23 Mitglieder, bis dato noch keine Frau
Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder aus Süd- und mittlerweile auch Nordtirol auf 23 gestiegen. „Doch unser Ziel ist es nicht, die Zahl unserer Mitglieder zu steigern“, sagt tba-network-CEO Eva Ogriseg. „Die Vision seit der Gründung ist es, das regionale Start-up-Ökosystem durch die Bereitstellung von Kapital, Know-how und Kontakten zu unterstützen.“ Deshalb ist eine der Aufnahmevoraussetzungen etwa, dass das Neumitglied selbst unternehmerisch tätig ist. Detail am Rande: Bisher ist das tba network – so wie auch international das Interesse für Start-up-Investitionen – eher eine Männerdomäne. „Uns freut es daher ganz besonders, dass wir letzthin auch von zwei Frauen angesprochen wurden, die konkretes Interesse an einer Mitgliedschaft haben“, sagt Ogriseg.
Die Investoren des tba network schauen sich im gesamten DACH-Raum sowie auch im restlichen Italien nach Investmentmöglichkeiten um. Das liege aber nicht nur an der überschaubaren Größe der hiesigen Start-up-Landschaft, sondern helfe zudem, einen guten Überblick über Trends und neue Geschäftsmodelle zu erhalten, von etablierteren Ökosystemen zu lernen und sich mit anderen Investoren zu vernetzen, erklärt Ogriseg. Bis dato wurde über das Netzwerk in neun verschiedene Start-ups investiert; insgesamt haben die Mitglieder des tba network (auch schon vor der Gründung des Netzwerks) in den vergangenen Jahren rund 100 Einzelinvestments getätigt. „Investiert wird nicht als tba network, sondern unsere Mitglieder entscheiden autonom, ob sie ihr privates Geld und ihre Erfahrung in ein Start-up einbringen wollen. Deshalb“, so Ogriseg, „kommt es vor, dass in dieses Projekt ‚nur‘ einer investiert, in jenes dagegen mehrere.“ Genauso variieren auch die eingesetzten Summen, bisher bewegten sie sich zwischen 50.000 und 400.000 Euro pro Investment.
„Die Vision ist es, das regionale Start-up-Ökosystem durch die Bereitstellung von Kapital, Know-how und Kontakten zu unterstützen.“
Zu den bekannteren Start-ups, in die Netzwerks-Mitglieder bisher investiert haben, zählt das Wiener HealthTech-Startup XUND, das erst im Frühjahr eine zweite Finanzierungsrunde im siebenstelligen Bereich abgeschlossen hat. Beteiligt an der Runde waren neben den Bestandsinvestoren des tba network sowie der Haselsteiner Familien-Privatstiftung (des österreichischen Unternehmers und Wahlsüdtirolers Hans Peter Haselsteiner) das Family Office des österreichischen Unternehmers Alexander Schütz.
Bisher erfolgreich entwickelt hat sich auch das Grazer Unternehmen Kilobaser, mit dessen Drucker DNA synthetisch hergestellt werden kann, in welchem ebenso ein tba-network-Investment steckt. „Kilobaser“, sagt Ogriseg, „konnte letzthin sogar am renommierten Y-Combinator-Programm im Silicon Valley in den USA teilnehmen.“
Kennengelernt hatten die Investoren diese beiden Start-ups übrigens im Rahmen von sogenannten Pitch-Events, bei denen mehrere Gründer ihre Ideen innerhalb von ein paar Minuten vorstellen durften. „Vom Prinzip her ist es ähnlich wie in TV-Sendungen wie ‚Die Höhle der Löwen‘ oder ‚Zwei Minuten, zwei Millionen‘, jedoch lassen wir uns mit der Entscheidung dann schon etwas länger Zeit und prüfen das Investment gründlich“, beschreibt Ogriseg den Prozess. Sie ist auch diejenige, die zunächst eine Vorauswahl unter den Kandidat:innen trifft, um den Investoren dann eine gefilterte Auswahl zu präsentieren.
Investments in Onlineplattform und Knödel
Tba-network-Investments gab es aber auch in Südtiroler Gründer:innen. Etwa in Properly, eine Qualitätsmanagementplattform für alternative Unterkünfte mit Sitz in Silicon Valley/San Francisco, deren Gründer und CEO der gebürtige Meraner Alex Nigg ist, oder in SanktAnnas, ein Südtiroler Start-up, das den Knödel in seinen Alpine Eateries neu interpretiert (siehe dazu auch das Porträt der Mitgründerin Désirée Giacomuzzi in SWZ Nr. 18/21, nachzulesen hier und in der SWZapp). Derzeit, so Ogriseg, stehe man kurz vor dem Abschluss eines Investments in ein vielversprechendes, Fin-Tech-Start-up, das von Südtirolern gegründet worden ist. Noch sei der Einstieg aber nicht „in trockenen Tüchern“, weshalb dazu nicht mehr verraten werden könne.
Doch mit wie vielen Start-ups hat das Südtiroler Netzwerk insgesamt zu tun? 2019 seien es etwa 150 gewesen, 2020 schon 430 und 2021 bis Mitte Juli ganze 350, erzählt Ogriseg. Allerdings fließen in diese Statistik nicht nur jene jungen Firmen ein, die ihrerseits Anfragen an das tba network richten, sondern alle, mit denen das Netzwerk in Kontakt kommt. „Zum Beispiel auch solche, die ich bei Online-Pitches sehe, von denen es seit Ausbruch der Pandemie zahlreiche gibt“, so Ogriseg. Von der Herkunft seien der süddeutsche Raum, Österreich, Norditalien sowie Südtirol am stärksten. „Wir legen großen Wert darauf, allen Südtiroler Start-ups, die uns kontaktieren, ein Feedback und nach Möglichkeit auch Unterstützung zu geben – auch wenn es letztlich zu keiner Zusammenarbeit bzw. keinem Investment eines unserer Mitglieder kommt.“
Dabei erlebt Ogriseg auch immer wieder „Schmankerln“, etwa den jungen Mann, der ihr seine Firma vorstellte und dem ausgehend von einem aktuellen Wochenumsatz von 2.000 Euro ein schon in Bälde erreichbarer Unternehmens- und damit Verkaufswert von 40 Millionen Euro vorschwebte. Doch so einfach ist es in der Regel nicht. „Es gibt eben häufig Gründe, ein Investment abzulehnen“, führt Ogriseg aus. „Dazu zählen etwa ein nicht durchdachtes Geschäftsmodell, eine fehlende Vertriebsstrategie oder mangelndes Marktverständnis bzw. mangelndes Know-how im Gründerteam.“ Auch Einzelgründer:innen hätten es schwer, Investoren zu überzeugen; lieber werden Teams unterstützt, deren Mitglieder sich gegenseitig gut ergänzen. „Keine Idee ist schließlich komplett neu. Entscheidend ist, wie und mit welcher Geschwindigkeit sie umgesetzt wird.“
Ob und wie die Gründer:innen Kritik letztendlich annehmen, liege bei ihnen. „Viele seien dankbar über den ehrlichen Austausch, andere wiederum reagieren auch durchaus defensiv“, formuliert es Ogriseg. „Natürlich können auch wir falsch liegen, denn für Business Angels ist das Investieren ebenso ein Lernprozess wie für die Start-upper selbst.“
Was die Mitglieder des tba network in den kommenden Jahren lernen und welche Investments erfolgreich sein werden, wird sich zeigen. Fest steht bereits jetzt, dass einige „Engel“ des Netzwerks im Südtiroler „Start-up-Kosmos“ bestens bekannt und vernetzt sind – und gar einigen Gründern unter die Arme gegriffen haben.