Atzwang – „Wenn etwas richtig schwierig wird und man sich fragt, warum mache ich das eigentlich – dann muss ich eine klare Antwort darauf haben, ansonsten geht es sehr schnell in Richtung aufgeben“, sagt Kurt Matzler.
Der gebürtige Südtiroler weiß, wovon er spricht. Neben seiner Arbeit als Strategieprofessor an der Universität Innsbruck ist er nicht nur Partner beim Beratungsunternehmen IPM, sondern auch mehrfacher Bezwinger des Race Across America. Beim härtesten Radrennen der Welt müssen die Teilnehmenden 5.000 Kilometer zurücklegen und dabei 52.000 Höhenmeter überwinden.
Kurz vor dem Aufgeben
Nachdem Matzler mehrmals in der Staffel teilgenommen hatte, wagte er sich schließlich solo an den Start. „An Tag vier hatte ich rund 2.000 Kilometer geschafft, die Wüste mit 50 Grad hinter mir gelassen, zwei Stunden Schlaf am Tag. Es war richtig hart. Ich war in den Rocky Mountains unterwegs bei Regen, es war kalt, nachts 6 Grad. Ich war durchnässt und durchfroren, spürte meine Finger nicht mehr.“ In diesem Moment habe ihn sein „Warum“ zum Weitermachen getrieben: weiter in die Pedale zu treten, um dadurch Geld für die Ausrottung der Kinderlähmung zu sammeln.
Über seine Erfahrungen beim Race Across America hat Matzler ein Buch geschrieben. Eine der darin beschriebenen elf Lektionen bezieht sich auf eben diese Episode: Man muss sein persönliches Warum kennen. Darüber, und was wir sonst vom härtesten Radrennen der Welt lernen können, spricht Matzler in der aktuellen Folge des SWZ-Podcasts.
Von Oslo nach Trondheim:Immer nur abwärts
Zum (Ultra-)Radfahren kam Matzler übrigens durch einen guten Freund, der mit einer Gruppe für die „Styrkeprøven“ (norwegisch für „Kraftprobe“) trainierte, den bekanntesten Radmarathon in Norwegen. Bald wurde versucht, Matzler zur Teilnahme zu überreden. „Es geht von Trondheim nach Oslo, also von oben nach unten. Da musst du nur abwärts fahren“, scherzte einer – und überzeugte Matzler mit seinem Humor. „Mit dieser Truppe kann es lustig werden“, habe er sich gedacht. Die Leidenschaft für die lange Distanz war geboren.
Heute trainiert Matzler 15 bis 25 Stunden pro Woche. Eine Sucht im medizinischen Sinne sei das nicht. „Aber es wird schon zu etwas, ohne das man nicht sein kann“, gibt der Südtiroler zu. Beim Radfahren komme er zur Ruhe, habe Zeit, nachzudenken, könne im Flow kreativ sein. „So sind mir die besten Ideen gekommen.“
Schockiert über die italienische Bürokratie
Im Podcast verrät er, wie er seine große Leidenschaft, die Karriere und Familie verbindet – und wie er es schafft, bei allem, was er angeht, vorne dabei zu sein. Wie sich aus seinem Lebenslauf herauslesen lässt: Geboren ist Matzler 1969 in Sterzing. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Innsbruck und wusste schnell, dass er eine akademische Laufbahn einschlagen würde. Mit 34 war er drittjüngster BWL-Professor im gesamten deutschsprachigen Raum. Mit 40 wurde er vom Handelsblatt unter die Top-20-Nachwuchswissenschaftler der BWL gereiht. Heute ist er laut Google Scholar einer der Top-40-Strategieprofessoren der Welt.
Ein Teil seines Erfolgsrezepts: sich mit den richtigen Leuten umgeben, die einen fordern und fördern, mit Menschen, die anders denken und kritisch sind, zugleich auf Augenhöhe reden. „Am schlimmsten ist, sich mit Jasagern zu umgeben. Das führt irgendwann zu einem kollektiven Realitätsverlust.“
Als gebürtiger Südtiroler, der viele Jahre an verschiedenen Orten der Welt verbracht und heute seinen Lebensmittelpunkt in Innsbruck hat, blickt er aus einer besonderen Perspektive über den Brenner. Im Gespräch nennt er Vorteile des Wirtschaftsstandorts Südtirol, aber auch Nachteile. 2016 bis 2019 war Matzler als Professor an der Uni Bozen. „Ich war schockiert über die Bürokratie“, sagt er. „Teils wundere ich mich, wie Unternehmen unter diesem bürokratischen Korsett erfolgreich arbeiten können.“ Insgesamt bescheinigt er jedoch eine positive Zukunft, denn die Dynamik passe.
Online nachhören
Das Gespräch mit Kurt Matzler können Sie online nachhören unter swz.it/podcast, aber ebenso über Spotify, Apple Podcasts und Google Podcasts. Neue Folgen gibt es ebendort jeden zweiten Mittwoch.