Bozen – Die Veröffentlichung der Abhörprotokolle mag rechtlich fragwürdig oder sogar illegal sein und obendrein keinen Straftatbestand ans Tageslicht gebracht haben. Politisch können die Aussagen jedoch nicht als privat eingestuft werden, denn das Gehörte ist teilweise unerhört. Es geht um die Autorität und das Gewicht des Landeshauptmannes. Er und seine Partei haben nach langem Zögern aufgrund der Stimmung unter den Mitgliedern und wohl auch aus eigener Überzeugung gehandelt. Arno Kompatscher hat Landesrat Thomas Widmann, dem stark exponierten internen Kritiker an seinen Fähigkeiten, die Kompetenzen entzogen. Zum Rücktritt zwingen kann er ihn nicht, denn Widmann wurde vom Landtag gewählt, und er kann nur von diesem abberufen werden.
Damit stellt sich jetzt ein ernsthaftes Problem. Sollte Widmann seine Entmachtung nicht hinnehmen und die SVP-Fraktion verlassen, hätte die Landesregierung keine Mehrheit mehr. Sie wäre gezwungen, einen zusätzlichen Partner – Team-K, Grüne oder Freiheitliche? – in die Regierung aufzunehmen oder ab sofort ausschließlich auf die Unterstützung von Außen durch den Forza-Italia-Mann Carlo Vettori zu setzen. Dieser hat sich selbst von Beginn der laufenden Legislaturperiode an nicht in einer Oppositionsrolle gesehen, sondern in der Regel mit der Mehrheit gestimmt. Ob die SVP Vettori vertraut und sich ihm ausliefert, muss sich erst zeigen. Der politische Geruch der Michaela Biancofiore hängt noch in der Luft.
Die SVP hat noch eine weitere Entscheidung getroffen. Sowohl Bezirksobmann Christoph Perathoner als auch Vizeobmann Karl Zeller müssen gehen. Ersterer war wegen seiner Nähe zur SAD nicht mehr tragbar. Von Letzterem scheint endgültig angenommen zu werden, dass er jener Anwalt ist, der die Verhörprotokolle weitergegeben hat, um bestimmte Ziele zu erreichen. Seine Abberufung ist zugleich ein Zugeständnis an die Kompatscher-Gegner und deren mediale Unterstützer, die so das Gesicht wahren können.