Bozen – Das Gesetz Raum und Landschaft sorgt regelmäßig für Diskussionen. Nach wie vor verursacht es Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung. Die Vereinigung Südtiroler Freiberufler (VSF) vertritt jene Berufskategorien, die das Gesetz in ihrer täglichen Arbeit anwenden müssen. Und sie sind alles andere als zufrieden damit. In einer ausführlichen Presseaussendung, die sich ein bisschen wie ein (konstruktiver) Hilfeschrei liest, fordert die Vereinigung „mehr Rechtssicherheit beim neuen Urbanistikgesetz, mehr Flexibilität bei den Fristen des Gemeindeentwicklungsplans und den Nutzungsmöglichkeiten von Immobilien sowie mehr Anwendbarkeit für Raumordnungsvereinbarungen und Kubaturbonus“.
VSF-Direktor Heinrich Ferretti fasst die Verbesserungspotentiale in fünf Kernaussagen zusammen.
Man habe im Rahmen einer Veranstaltungsreihe über die geltenden Urbanistikregeln diskutiert und der zuständigen Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer vorgelegt, heißt es in der Aussendung.
VSF-Direktor Heinrich Ferretti fasst die Verbesserungspotentiale in fünf Kernaussagen zusammen:
Langatmige Bürokratie erzeugt Frustration
Erstens: Freiberufler benötigen Rechtssicherheit in der Anwendung des Gesetzes – „Als Planer wollen wir Freiberufler uns in unserer Kernkompetenz entfalten: der Planung und Gestaltung. Langatmige Bürokratie und unsichere Gesetzeslage erzeugen derzeit aber zunehmend Frustration“, so die VSF. Die mangelnde Rechtssicherheit mache sich unter anderem im fehlenden Austausch zwischen öffentlicher Verwaltung, Bauherr:in und Planer:in bemerkbar. Es sei schwierig, verlässliche und verbindliche Aussagen von Gemeinde- und technischen Ämtern zu erhalten. „Um den Berufsalltag in den Bauämtern zu erleichtern, wäre es wichtig, wenn Gemeindetechniker, Landesbedienstete und Freiberufler dieselbe Informationsbasis hätten“, so die VSF, die zu diesem Zweck anregt, wieder einen Einheitstext zu erstellen. Dass die Anzahl der Bauanträge in den Gemeinden signifikant zurückgegangen ist, führen die Freiberufler unter anderem auch auf die fehlende Rechtssicherheit durch das neue Urbanistikgesetz zurück.
„Langatmige Bürokratie und unsichere Gesetzeslage erzeugen derzeit aber zunehmend Frustration.“
Zweitens: Punktuelle Änderungen am Gemeindeentwicklungsplan müssen auch vor Ablauf der zehnjährigen Frist möglich sein – So wie sich die Gesellschaft und die wirtschaftlichen Erfordernisse ändern, so muss auch das Instrument des Gemeindeentwicklungsplans eine Mindestflexibilität haben.
Eine Wohnungsbörse als Lösung?
Drittens: Effektivere Maßnahmen für leistbares Wohnen sind notwendig – Die Ausweisung neuen Wohnraums wird durch das neue Raumordnungsgesetz stark gedrosselt, ebenso die Möglichkeiten zur Nutzung innerhalb des Bestandes. Dadurch erhöhen sich zwangsläufig die Preise. Wohnen wird durch die neuen Regeln nicht leistbarer, sondern im Gegenteil teurer. Dass der Kubaturbonus in Wohnbauzonen nur für Gebäude mit mindestens 50 Prozent Wohnkubatur zulässig ist, widerspreche dem Grundsatz „Braun vor Grün“. „Warum sollte ein „Nicht-Wohngebäude“ bei energetischer Sanierung nicht um eine oder mehrere Wohnungen erweitert werden können?“, fragen sich die Freiberufler:innen und fordern gleichzeitig eine Flexibilisierung der Zweckbestimmungen: „Eine Kubatur sollte heute als Wohnung und morgen als Büro nutzbar sein, ohne dass dafür ein bürokratischer und kostenintensiver Weg beschritten werden muss. Wenn heute Wohnraum benötigt wird, sollte die verfügbare Kubatur dafür genutzt werden können; wenn es morgen Geschäfts- und Dienstleistungsflächen sind, dann eben für diese Zwecke.“ Das sei eine effiziente und unkomplizierte Möglichkeit, Leerstände zu reduzieren und Preise niedrig zu halten. Zudem fordern die Freiberufler die Einrichtung einer Wohnungsbörse: „Es gibt in Südtirol viele geförderte 110-Quadratmeter-Wohnungen, die von nur einer Person bewohnt werden. Eine Wohnungsbörse könnte eine Plattform sein, damit beispielsweise Familien mit Kindern ihre kleinen Wohnungen gegen größere eventuell mit Aufzahlung eintauschen können. Und wir müssen kreative Modelle schaffen – flexibel nutzbare Wohngemeinschaften zum Beispiel, die von Jugendlichen, Studenten, Arbeitern oder Senioren genutzt werden können“, schlägt die VSF vor.
„Eine Kubatur sollte heute als Wohnung und morgen als Büro nutzbar sein, ohne dass dafür ein bürokratischer und kostenintensiver Weg beschritten werden muss.“
Viertens: Raumordnungsvereinbarungen sollten als dynamische Komponente des Raumordnungsgesetzes ausgebaut werden – Damit die Gemeinden nicht gezwungen werden, die für öffentliche Strukturen benötigten Gründe ausschließlich zu enteignen, verlangen die komplexen Herausforderungen maßgeschneiderte und interdisziplinäre Ansätze wie eben jene der Raumordnungsvereinbarungen.
Fünftens: Ausgewählte Maßnahmen im Natur- und Agrargebiet sollten zulässig sein – Jeder zweite Beherbergungsbetrieb befindet sich im Landwirtschaftsgebiet. „Qualitative Erweiterungen müssen daher unbedingt zugelassen werden“, fordert die Vereinigung Südtiroler Freiberufler. Auch der Kubaturbonus sei ein wichtiger Baustein für eine gesunde Entwicklung und dürfe im Landwirtschaftsgebiet nicht ausgeklammert werden.
Für die Bestandskubaturen, etwa in Dachgeschossen oder Wintergärten, müsse eine gesetzeskonforme Regelung gefunden werden, um diese Bauwerber:innen nicht zu benachteiligen.