Bozen – Wenn Alberto Menapace und Florian Kasslatter vor einem sitzen, dann ist der Begriff „Start-upper“ nicht unbedingt das Erste, was einem durch den Kopf geht – denn die beiden Gründer des Bozner Start-ups ByWay sind schon jenseits der 40. Was jedoch Begeisterung, Einsatz und Engagement für das eigene Produkt anbelangt, können die beiden durchaus mit halb so alten Gründern mithalten. Berührungsängste mit der jungen Start-up-Community im Land haben Menapace und Kasslatter auch nicht. „Ich fühle mich“, sagt etwa Menapace, „sehr wohl bei Networking Events oder auch bei uns im Team, weil ich von den jungen Leuten mit ihrer Energie und Neugier ‚angesteckt‘ werde. Ich kann ihnen im Gegenzug mit meiner Erfahrung helfen. Ganz abgesehen davon, dass Alter nicht nur eine Sache des biologischen Alters ist; man ist dann alt, wenn man im Kopf alt ist und sich nicht mehr weiterentwickelt.“
ByWay wurde im März 2015 als eines der ersten neugegründeten sogenannten „innovativen Start-ups“ in Südtirol eingetragen. ByWay hat eine Plattform für die Digitalisierung der wichtigsten Unternehmensprozesse entwickelt, die vor allem Klein- und Kleinstunternehmen ansprechen soll, aber auch Freiberufler, Verbände und andere. Wichtig dabei ist, dass diese digitale Plattform zusammen mit potenziellen Kunden entwickelt wurde, indem deren Prozesse gemeinsam analysiert wurden.
Die ByWay-Plattform basiert im Wesentlichen auf drei Säulen:
– Dokumentenverwaltung,
– digitale Unterstützung von Abläufen in der Verwaltung, wie zum Beispiel Einkaufsprozess, Lager usw.,
– digitales Menü (hauptsächlich für Gastronomiebetriebe).
„Unsere Stärke ist es, Software-Lösungen und -Instrumente anzubieten, die einfach benutzbar, personalisierbar und finanzierbar sind – besonders für kleine Betriebe“, so Menapace, der neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei ByWay ein Beratungsunternehmen führt, das auf die Analyse von Unternehmensprozessen durch Künstliche Intelligenz spezialisiert ist. Menapace hat BWL studiert und einen Master in Advanced Controlling an einer internationalen Business School erworben. Berufliche Erfahrungen sammelte er u.a. beim US-amerikanischen Soft- und Hardwarehersteller Oracle (am Standort Irland) und beim Bozner Dienstleistungsunternehmen Markas. Dort lernte er seinen jetzigen Geschäftspartner Kasslatter kennen, der im Verwaltungsrat des Familienunternehmens Markas sitzt und dessen Niederlassung in Rumänien verantwortet.
Die Idee für das ByWay-Digitalisierungswerkzeug hatte Menapace allerdings gemeinsam mit einem zweiten Bekannten. Kasslatter, studierter Wirtschaftsinformatiker, stieß als Business-Angel (Kasslatter ist Mitglied des jüngst gegründeten Südtiroler Business Angel-Netzwerks tba network) zum zweiköpfigen Entwicklerteam, das er mit seinem Netzwerk, seiner Erfahrung und finanziell unterstützte. Heute ist Kasslatter Präsident des ByWay-Verwaltungsrates, aber nicht operativ im Betrieb tätig. Inzwischen ist der dritte Gründer wieder ausgestiegen. „Unsere Ansätze und Visionen waren nicht mehr kompatibel“, sagen Menapace und Kasslatter.
Derzeit zählen zum ByWay-Team – neben den beiden Gründern – zwei Programmierer und eine Marketing-Managerin. Die Geschäfte sind gut angelaufen, ein wichtiger strategischer Partner konnte bereits gewonnen werden, erzählen die Gründer.
„Wir könnten weit stärker wachsen, aber die qualifizierten Mitarbeiter fehlen“, bedauert Menapace. „Erst kürzlich hat uns ein Mitarbeiter verlassen, weil ihm ein gut bezahlter Job im Ausland angeboten worden ist. Solche Verluste zählen zu den größten Rückschlägen für ein junges Unternehmen wie das unsere.“ Zugleich seien sie schwer vermeidbar, denn, da sind Menapace und Kasslatter ganz offen, die finanziellen Möglichkeiten von ByWay sind wie bei zahlreichen anderen Start-ups begrenzt – zumindest derzeit noch, denn Potenzial für ihre Geschäftsidee sehen sie zur Genüge: Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) dominieren die europäische Unternehmenslandschaft und generieren mehr als die Hälfte der Wertschöpfung in der EU. Was die Anwendung von digitalen Technologien betreffe, die für KMU für bestimmte Bereiche bzw. Tätigkeiten eine große Zeitersparnis bedeuten würden, so Menapace, gebe es bei KMU im Vergleich zu großen Firmen indes noch sehr viel Aufholbedarf. „Deshalb“, betont Menapace, „sehen wir ein interessantes Marktpotenzial, indem wir die passenden digitalen Instrumente für die täglichen Unternehmensprozesse von KMU anbieten.“
Und was ist das Ziel, das die Gründer mit ByWay erreichen möchten? „Ein Unternehmer ist nicht derjenige, der eine Firma gründet, sondern der, der eine Firma groß macht“, sagt Menapace. „In diesem Sinne arbeiten wir sehr hart, damit wir unsere Mission und Ziele erreichen können, besonders hier in Südtirol, aber auch im restlichen Italien und im Ausland.“
Info
Die Serie
Vielen gilt eine rege Start-up-Community als eine Art Visitenkarte, mit der die Innovationskraft und das Entwicklungspotenzial eines Standortes aufgezeigt werden. Wie ist es am Standort Südtirol um die Start-up-Szene bestellt? „Es hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel zum Positiven weiterentwickelt, gerade auch, was die von der öffentlichen Hand geschaffenen Rahmenbedingungen angeht. Doch es gibt noch Luft nach oben“, erklärte kürzlich eine Person, die in dem Bereich arbeitet, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, gegenüber der SWZ. „Anders ausgedrückt: Vor fünf, sechs Jahren waren wir in der Steinzeit, inzwischen sind wir im Mittelalter angelangt.“ Zugleich müsse man – was Start-up-Szene und Potenzial der Start-ups angeht –
auch die Realität sehen: Ein Standort wie Südtirol kann nicht mit Berlin, London oder dem Silicon Valley mithalten, die Möglichkeiten werden schon alleine von der Einwohnerzahl begrenzt: Die etwa 510.000 Bewohner Südtirols stehen etwa 3,7 Millionen in Berlin, mehr als 8,5 Millionen in London und zwischen 3,5 und vier Millionen im Silicon Valley gegenüber.
Dennoch gibt es auch in Südtirol interessante Start-ups mit innovativen Geschäftsideen. Einige davon wird die SWZ in den kommenden Wochen in der Serie „Start-up Südtirol“ vorstellen.
„Die Angst vor dem Scheitern bändigen“
SWZ: Was macht für Sie ein
Start-up aus?
Alberto Menapace: Heutzutage bezeichnen viele Unternehmensgründer ihre Firma als Start-up. Aber ein Start-up ist eine besondere Firma: Sie hat eine internationale Vision, investiert relativ viel in Forschung und Entwicklung und ist – in den meisten Fällen – im Bereich der neuen Technologien tätig. Diese neuen Technologien entwickeln sich sehr schnell weiter, sodass das Geschäftsmodell eines Start-ups auch schnell wieder obsolet werden kann.
Was bedeutet es, Start-upper zu sein? Trifft die weit verbreitete Meinung zu, Start-upper würden 24 Stunden und sieben Tage in der Woche für ihr Projekt leben, mit einem gähnend leeren Bankkonto, in der Hoffnung, irgendwann groß rauszukommen?
Start-upper zu sein bedeutet für mich, Teil eines jungen und innovativen Unternehmens zu sein, das unter extremer Unsicherheit arbeitet. 85 Prozent der Start-ups scheitern innerhalb der ersten drei Jahre. 24 Stunden pro Tag und sieben Tage in der Woche zu arbeiten, bringt nichts, wenn man keine klare Vision hat und das Unternehmen nicht mit den richtigen Methoden führt – aber ja, auch ich arbeite bis spätabends oder an Wochenenden, wenn es nötig ist. Wenn man Start-upper ist, dann hat man sein Start-up immer im Kopf. Dabei darf man den Markt, das Produkt, das Team, das Geschäftsmodell und die Finanzen nie aus den Augen verlieren.
Warum haben Sie sich nicht für einen „normalen“ Job entschieden? Möglichkeiten würde Südtirols leergefegter Arbeitsmarkt zur Genüge bereithalten …
Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir besonders in schwierigen Situationen selbst stelle – vor allem weil ich ja schon über Jahre als Angestellter gearbeitet habe, bevor ich selbstständig wurde. Andererseits halte ich es für einen Gewinn, meine Zukunft selbstständig steuern zu können. Auch weil ich stets auf der Suche nach Herausforderungen bin – und bei ByWay habe ich die Möglichkeit, laufend neue Fähigkeiten in verschieden Bereichen des Unternehmens zu erwerben und vielfältige Probleme zu lösen. Jede Minute, die ich in diese Gründung investiere, arbeite ich voller Leidenschaft.
Warum haben Sie die Entscheidung für den Standort Südtirol getroffen?
Weil wir hier in einem mehrsprachigen, unternehmerfreundlichen Umfeld aufgewachsen sind. Aber auch die Rahmenbedingungen, was Banken, die öffentliche Hand usw. angeht, haben gepasst. Dazu kommt eine einzigartige geografische Lage zwischen Nord und Süd, nahe bei den wichtigsten Märkten Europas – die ein großes Marktpotenzial für ByWay bergen.
Wie ist das Umfeld für ein Start-up-Unternehmen in Südtirol bzw. Italien? Gibt es Hilfe oder ist man auf sich alleine gestellt?
Mein Grundsatz ist: Die Hilfe kommt nicht zu dir, such sie dir, wenn du sie brauchst. Doch um scale-up zu werden, um ihr Business zu konsolidieren und die Basis für eine zukünftige Internationalisierung zu legen, brauchen Start-ups die richtigen Hilfsmittel und Werkzeuge. In Südtirol bzw. Italien bewegt sich durchaus etwas, um Start-ups zu unterstützen – obwohl wir im Vergleich zu anderen Staaten noch hinterherhinken. Der bürokratische Aufwand für Unternehmensgründungen ist beispielsweise hierzulande relativ hoch und teuer.
Was könnte die Politik bzw. die öffentliche Hand tun, damit der Standort Südtirol für Start-upper (noch) interessanter wird?
Innovation kann nicht von einer Institution organisiert werden. Sehr wohl hilft aber, wenn die öffentliche Hand die Rahmenbedingungen schafft, zum Beispiel so wenig Bürokratie wie möglich für Gründer, damit sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass nicht alle Start-ups eines Tages wie Google oder Apple werden. Wie gesagt, arbeiten Start-ups unter extremer Unsicherheit. Das Scheitern ist bei Start-ups nichts Ungewöhnliches, sondern gehört zu ihrem „Lebenszyklus“. Es ist wichtig, dass die Politik auch diesen Aspekt beachtet und Maßnahmen ergreift, damit gescheiterte Start-upper ihr Unternehmen bestmöglich beenden oder sogar ein neues beginnen können.
Stichworte Business Angels und Investoren: Wie schaut die diesbezügliche Situation in Südtirol aus?
Wir Gründer haben das meiste Anfangskapital aus eigenen Finanzmitteln bereitgestellt, um dann ein Bankdarlehen zu erhalten. Doch mittlerweile werden auch in Südtirol Investoren wichtiger.
Welches sind die größten Schwierigkeiten für ein Start-up?
Schwierigkeiten gehören zum Leben als Start-upper. Wenn man ein hochmotiviertes Team hat, bleibt das Klima im Unternehmen dennoch positiv. Die Energie, die man braucht, um die Angst vor dem Scheitern zu bändigen, ist mitunter viel geringer als die Kraft, die man aufwenden muss, um wieder auf die Beine zu kommen. Zu den größten Herausforderungen zählen das Finden hochqualifizierter Mitarbeiter, das Gewinnen von Kunden oder Partnern, obwohl man noch kein starkes brand ist.
Interview: Simone Treibenreif