Bozen – Seit Anfang des Jahres hat die Wirtschaft neue Ansprechpartner in der Landesregierung. Marco Galateo von Fratelli d’Italia ist zuständig für die Sektoren Handel, Dienstleistungen, Handwerk und Industrie, nachdem dem einstigen Superlandesrat Philipp Achammer in dieser Legislaturperiode weniger Agenden zugeteilt wurden. Und infolge der Nichtbestätigung von Arnold Schuler als Landesrat ging die Verantwortung für die Bereiche Tourismus und Landwirtschaft an Luis Walcher.
Wie zufrieden sind die Wirtschaftsverbände bisher mit ihren neuen Landesräten? Die SWZ hat sich umgehört.
Manfred Pinzger, Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV):
Luis Walcher bemüht sich sehr und ist mit uns im besten Austausch. Unsere Skepsis bezüglich der Zusammenlegung der Zuständigkeiten für Tourismus und Landwirtschaft bleibt aber, da es Reibungspunkte gibt, die bereits dem Vorgänger Arnold Schuler hie und da nicht gelegen kamen.
Dass eine Abhängigkeit Walchers vom Bauernbund gegeben wäre, können wir bis dato indes nicht feststellen – und wir hoffen, dass das so bleibt. Aus seiner Zeit als Vizebürgermeister von Bozen wissen wir, dass Walcher mit seinem eigenen Kopf denkt und eine eigene Linie hat. Auch seine klaren Aussagen schätzen wir.
Inhaltlich gibt es durchaus einige Baustellen. So ist der Stellenwert des Tourismus in der öffentlichen Wahrnehmung in Schieflage. Daran müssen wir arbeiten. Im Bereich Urbanistik hoffen wir, bald Unterkünfte für unsere Mitarbeiter bauen zu dürfen. Weiters müssen junge, motivierte Leute die Möglichkeit haben, bestehende Betriebe weiterzuentwickeln, ansonsten sperren sie zu und wandern in andere Sektoren ab. Und in den Entwicklungsmöglichkeiten muss zwischen hochtouristischen Gegenden und solchen mit wenig touristischen Strukturen unterschieden werden.
Philipp Moser, Handels- und Dienstleistungsverband (hds):
Ich möchte keine Vergleiche zu den vorherigen Landesräten anstellen, aber wir haben mit beiden einen regen und guten Austausch, wenngleich einiges noch umzusetzen ist. Ein wichtiges aktuelles Thema ist die allgemeine positive Einstellung zur Wirtschaft: Einerseits hängt sie von der Wirtschaft selbst ab, andererseits aber auch von der Politik, da die Wirtschaft ja innerhalb vorgegebener Rahmenbedingungen arbeitet. Bei der Gästekarte etwa braucht es eine Lösung, mit der die Einheimischen einverstanden sind.
Von Marco Galateo erhoffe ich mir, dass er neben dem städtischen Raum auch die notwendige Sensibilität für die ländliche Peripherie hat. Beim Thema Schlussverkaufstermine etwa orientiert sich der Raum Bozen eher an Restitalien, die Mehrheit im Land hingegen will weiterhin zeitlich nach hinten versetzte Termine.
Luis Walcher kenne ich schon aus seiner Zeit als Vizebürgermeister in Bozen, in der er Handschlagqualität bewies. In die Tourismusthemen hat er sich gut eingearbeitet – und er hat klare Positionen, was mir sehr gut gefällt.
Heiner Oberrauch, Unternehmerverband:
Ich würde sagen, Marco Galateo läuft sich noch warm. Es hat kaum Kontakt gegeben und ich sehe bisher kein großes Interesse für uns. Womöglich sind ihm andere Themen und Anliegen wichtiger als jene, die wir ansprechen. Bisher hat der neue Landesrat jedenfalls keine wesentlichen Akzente für unseren Bereich gesetzt.
Uns geht es darum, die großen Herausforderungen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung anzugehen, aber auch Probleme wie das Wohnen, wo jetzt in der Landesregierung endlich etwas voranzugehen scheint. Beim Umbau des Landeshaushaltes ist eine Bewertung noch etwas zu früh, aber ich befürchte, dass man gleich weitermacht wie bisher, ohne die Herausforderungen der Zeit zu sehen. Es braucht eine „Spending review“ mit einer Zusammenlegung kleiner Ämter und Gemeinden, weil schlichtweg das Personal fehlt – und eine höhere Anerkennung auch in Form von Bezahlung für die Lehrer, um die Herausforderung der Integration zu schaffen. Bei all dem erwarte ich Akzente vom Landesrat für die Industrie.
Claudio Corrarati, Verband der Handwerker und Kleinunternehmen (CNA-SHV):
Der Ansatz von Marco Galateo ist anders, innovativer – und seine Visionen gehen dahin, unsere Wirtschaft neu zu denken. Das erscheint mir interessant. Er möchte eine Wirtschaft, in der alle zusammenarbeiten und in der es nicht um spezifische Eigeninteressen Einzelner geht. Wir als Verbände müssen unseren Beitrag dazu leisten, denn ein Landesrat kann nur dann gute Arbeit leisten, wenn die Wirtschaft gemeinsame Interessen vorantreibt und nicht jeder Verband für sich selbst arbeitet. Galateos Idee einer Plattform für die Wirtschaft halte ich in diesem Sinne für gut. Dabei gilt es auch, Zweigleisigkeiten bei den öffentlichen Institutionen IDM, Noi und Messe Bozen zu vermeiden, um so Kosten zu reduzieren und mehr Geld für Investitionen zu haben.
Auch arbeitet Galateo an einer Vereinfachung des Beitragssystems. Das ist ein wichtiges Signal, denn heute ist die Bürokratie so groß, dass die Geldmittel am Ende häufig keine große Hilfe sind. Gut finde ich zudem, dass sich der Landesrat alle Vorschläge anhört und beide Sprachkulturen in Südtirol gleich berücksichtigt.
Daniel Gasser, Bauernbund:
Wir haben mit Luis Walcher einen guten Austausch und suchen für die aktuellen Themen nach gemeinsamen Lösungsansätzen. Natürlich versucht jeder Landesrat, eigene Akzente zu setzen, was gut und richtig ist, aber bislang sind wir recht positiv gestimmt. Ob es mit Walcher besser vorangeht als mit seinem Vorgänger, kann ich noch nicht sagen, da er noch nicht lange im Amt ist. Vor einer näheren Bewertung müssen wir ihm etwas Zeit geben.
Anzugehen wäre etwa das Thema Großraubwild: Beim Wolf erhoffen wir uns endlich konkrete Schritte, denn der Herdenschutz bedeutet für unsere Almbauern einen enormen Aufwand, den sie sich vielfach nicht leisten können. Akzente erhoffen wir uns auch in der Zusammenarbeit mit dem Tourismus: Unsere hier erzeugten Lebensmittel sollen verstärkt vom Tourismus abgenommen werden.
Wichtig ist weiters die Sicherstellung der Wasserversorgung, wofür wir landesweit gemeinsame Strategien finden müssen. Und ein übergeordnetes Thema, das alle Wirtschaftssektoren betrifft, ist die massiv zunehmende Bürokratie, bei der nicht nur wir an unsere Grenzen kommen, sondern auch die Verwaltung.
Martin Haller, Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister (lvh):
Wir haben mit dem alten Landesrat sehr gut zusammengearbeitet und bauen auch mit dem neuen eine gute Beziehung auf, auch wenn wir noch nicht bei allen technischen Themen auf einem guten Punkt sind. Philipp Achammer hatte den Vorteil, dass er uns aus seiner ersten Amtszeit als Landesrat schon gut kannte und zudem über das Bildungsressort für das Lehrlingswesen zuständig war. Marco Galateo ist jedenfalls sehr bemüht und nimmt sich die Zeit, um in alle Sektoren hineinzublicken und sich mit den offenen Themen zu befassen.
Die Zufriedenheit mit ihm werden wir daran festmachen, wie wir bei den inhaltlichen Themen vorankommen. Wir müssen etwa bei den Berufsbefähigungen Wege finden, um den geänderten Berufsbildern Rechnung zu tragen. Weiters braucht es beim Punkteführerschein am Bau eine Lösung, die für unsere Betriebe gangbar ist. Und gerade in der italienischen Schule müssen wir schauen, die Zahlen und die Qualität in der Lehrlingsausbildung zu steigern.
Umfrage: Heinrich Schwarz
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Die Herren der Wirtschaft