Bozen – Passend zur Südtiroler Brückenfunktion zwischen deutschem und italienischem Wirtschaftsraum und passend auch zu den hierzulande starken Themen Energie und Nachhaltigkeit hat seit rund fünf Jahren die Veil Energy GmbH ihren Sitz in Südtirol. Das Start-up ist im Bereich Energieeffizienz und -nachhaltigkeit tätig und wurde von Marianna Benetti, einer aus Venetien stammenden Ingenieurin, und Klaus Kress, einem Betriebswirt aus Bayern, in Bozen gegründet. Die Gründer selbst haben ihren Lebensmittelpunkt nicht in Südtirol: Kress hat ihn in München, Benetti lebt mit ihrer Familie bei Vicenza.
Kennengelernt haben sich die beiden durch ihre Zusammenarbeit bei MAN Nutzfahrzeuge: Kress, seit 1990 bei der MAN Nutzfahrzeuge AG, leitete ab 2005 in der Italien-Niederlassung in Verona den Motorenvertrieb, über den auch Motoren für die Energieerzeugung gehandelt wurden; Benetti stieß 2006 als Technikerin zu Kress’ Team. Als MAN 2010 entschied, den Bereich nicht weiterzuführen, übernahmen Kress und Benetti gemeinsam mit einem ehemaligen MAN-Kunden den Importeurvertrag. Dieser Motorenimport wird bis heute weitergeführt, obwohl mittlerweile Veil Energy immer mehr Raum im Tätigkeitsfeld der beiden Gründer einnimmt.
Die weiteren Wachstumserwartungen sind hoch. „Wenn wir uns vor Augen führen, dass das Thema Energieeffizienz ein sehr viel wichtigeres ist als die noch vorhandenen Energieressourcen, dann sind wir mit unseren Produkten und Dienstleistungen genau richtig“, sagt Kress. In diesem Sinne ist der Name des im Gründerzentrum von IDM angesiedelten Start-ups Programm: Veil Energy leitet sich ab vom Slogan „unveil your hidden energy“, zu Deutsch in etwa „deine verborgene Energien enthüllen“. Das macht das Start-up mit zwei Geschäftsbereichen: thermoelektrischen Generatoren sowie Energie-Effizienz-Managementsystemen.
Erstgenannter Bereich ist jener, über den Veil gegründet wurde; über diesen werden Geräte entwickelt und vertrieben, die Wärme in Strom umwandeln. „Wir haben bei früheren Besuchen in Südtirol viele kleine Biogasanlagen vorgefunden, die kein Wärmekonzept hatten, kein wirtschaftliches Verstromungskonzept für die entstehende Wärme. Bei diesen Anlagen wurde die Wärme, die der Motor ganz normal produziert, einfach in die Luft geblasen“, erinnert sich Kress. Die Ingenieurin Benetti habe sich daraufhin darangemacht, ein System zu erdenken, mit dem aus der anfallenden Abfallwärme Strom produziert werden könne. „Unser Konzept basiert auf dem seit 130 Jahren bekannten Seebeck-Effekt“, so Kress. „Wir nehmen bestehende Materialien und bestehende Elemente und integrieren diese in Systeme, die wir entwickeln, und auf die wir auch zwei Patente haben.“ Dadurch könne zum Beispiel Strahlungswärme verstromt werden, die bei der Stahlproduktion entsteht; zugleich würden in diesem Fall durch den Einsatz der Veil-Verstromungssysteme umfangreiche Kühlsysteme unnötig.
Der zweite Geschäftsbereich fußt auf einem Steuer- und Überwachungssystem, mit dem Stromerzeugungsanlagen jeder Art – von Wind und Solar über Wasser und Biomasse bis hin zu Blockheizkraftwerken – „nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll laufen“, fasst Kress zusammen.
Während die Idee zu den thermoelektrischen Generatoren bereits vor Gründung von Veil Energy entstanden ist, entwickelte sich jene für das zweite Produkt im Laufe der letzten Jahre durch die Erfahrungen der beiden Gründer.
Bis dato, so Kress, sei das Steuer- und Überwachungssystem von Veil insofern einzigartig, als es unabhängig und auf jeder Art von Anlage einsetzbar sei.
Unterschiedliche Größenordnungen haben auch die Kunden von Veil: Hotels zählen genauso dazu wie national tätige Energieerzeuger. Hauptmärkte sind in Deutschland, Österreich und Italien. „Wir haben aber zum Beispiel ein kleines Projekt in Kenia, wo wir einen thermoelektrischen Generator für ein kleines Blockheizkraftwerk liefern, das gefüttert wird mit Biogas, das aus den Schlämmen des Victoriasees gewonnen wird“, erzählt Kress. Es handelt sich dabei um ein gemeinsames Forschungsprojekt einer kenianischen und einer deutschen Universität.
Heute – fünf Jahre nach der Gründung – hat Veil Energy drei fest angestellte Mitarbeiter sowie drei Freelancer, die den IT-Bereich sowie teilweise Vertriebsaufgaben übernehmen. Für die Produktion setzt Veil auf Auftragsfertigung bei Betrieben im oberitalienischen Raum. Neben dem Hauptsitz in Bozen gibt es seit Kurzem eine Niederlassung im Raum Padua.
„Wir wären gerne schneller größer geworden, das hat mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Kapazitäten, auch finanziellen Ressourcen, nicht geklappt“, sagt Kress. In den nächsten Jahren soll das Wachstum von Veil Energy stark anziehen. „Wir haben Umsatz- und Ergebnisziele, die ziemlich ambitioniert sind, aber keinesfalls unmöglich zu erreichen.“ So soll der Umsatz innerhalb der nächsten zwei Jahre eine mittlere einstellige Millionenhöhe erreichen, was im Vergleich zu 2017 eine Verachtfachung wäre. „Im Prinzip brauchen wir dazu nur die Leute, die uns die Produkte entsprechend vertreiben. Und um die Leute einzustellen und acht oder zehn Monate vorzufinanzieren, brauchen wir einen Investor“, sagt Kress. Die Suche nach solch einem Investor ist in Gange. Ob das Südtiroler Start-up seinen Expansionskurs mit einem Südtiroler Investor angehen wird, oder einem von außerhalb, steht indes noch nicht fest.
Info
Interview mit Klaus Kress, Co-Geschäftsführer und Mitgründer von VEIL Energy
„Südtirol ist der Standort, den wir suchen und den wir brauchen“
Warum haben Sie die Entscheidung für den Standort Südtirol getroffen?
Wie sehen Sie die Start-up-Community im Land?
Was könnte die Politik bzw. die öffentliche Hand tun, damit der Standort Südtirol für Start-upper (noch) interessanter wird?
Und was würden Sie sich von engagierten Privaten wünschen?
Wo haben Sie sich das notwendige Kapital für die Gründung besorgt?