Bozen – In diesem Jahr hat die Landesregierung gar einige Schritte gesetzt, die dazu beitragen sollen, die ausufernden Immobilienpreise zu bremsen und Wohnen wieder leistbarer zu machen. Dazu gehört etwa die Reform der Gemeindeimmobiliensteuer Gis, die 2023 in Kraft tritt und vorsieht, dass in Gemeinden mit Wohnungsnot leerstehende Wohnungen und Zweitwohnungen deutlich stärker besteuert sowie an Ansässige vermietete Immobilien steuerlich entlastet werden.
Einen weiteren Beitrag soll der Bettenstopp im Tourismus leisten, der auch die touristische Vermietung von Wohnungen betrifft. Diese hat in den letzten Jahren durch Buchungsplattformen wie Airbnb und hoher Nachfrage seitens der Touristen einen regelrechten Boom erlebt. Dadurch wurden tausende Wohnungen in Südtirol dem lokalen Markt entzogen.
Gesetzliche Neuerungen gibt es auch im sozialen und geförderten Wohnbau: Unter anderem werden die Wohnungen des Wohnbauinstitutes für eine breitere Bevölkerungsschicht zu einer günstigen Miete zugänglich gemacht, und die notwendige Punktezahl für die Wohnbauförderung bei Neubau der Erstwohnung wurde herabgesetzt. Zudem gibt es nun eine gesetzliche Basis für innovative Wohnmodelle.
Reicht das alles, um Wohnen wirklich leistbarer zu machen? Die SWZ hat mit drei Experten gesprochen. Sie sind sich einig, dass es mit den beschlossenen Maßnahmen noch bei weitem nicht getan ist.
Leonhard Resch, Wohnbauberater:
Die Landespolitik habe in der Wohnbaupolitik einige Schritte in die richtige Richtung gesetzt, sagt Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW, die Wohnbauberatung anbietet und Wohnbaugenossenschaften begleitet. Allerdings seien noch einige Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die definieren, inwiefern die neu geschaffenen Möglichkeiten finanziell ausgestattet werden: „Die Wirksamkeit hängt davon ab, wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird. Hier braucht es großen Weitblick der Landesregierung.“
Als wichtig bezeichnet Resch etwa die Öffnung der Wobi-Wohnungen für eine breitere Bevölkerungsschicht zu einem leistbaren Mietzins. Das sorge für eine soziale Durchmischung und in den Gemeinden für mehr Motivation, neuen Baugrund für das Wohnbauinstitut auszuweisen.
„Man kann die Wohnungen um zehn bis 20 Prozent günstiger bauen, ohne signifikante Qualitätseinbußen zu haben.“
Generell gilt laut Resch: „Um Wohnen leistbarer zu machen, muss man mehr Wohnungen bauen und zu einem leistbaren Mietzins auf den Markt bringen.“ Im Ausland – etwa in Wien – gebe es dazu innovative Modelle: Die öffentliche Hand selbst oder gemeinnützige Organisationen würden preiswerte Wohnungen realisieren und für erträgliche Mietpreise sorgen. Weil Baugrund in Südtirol sehr begrenzt sei, müsse man zudem den Bestand besser nutzen und aus leerstehenden Strukturen neuen Wohnraum schaffen.
Großes Sparpotenzial sieht Leonhard Resch in mehr Bescheidenheit beim Bauen: „Wenn wir günstiger bauen wollen, müssen wir beginnen, unsere Ansprüche in Frage zu stellen. Kommen wir auch mit weniger als 110 Quadratmetern, kleineren Kellern und zwei offenen Abstellplätzen statt einer Doppelgarage aus? Man kann die Wohnungen um zehn bis 20 Prozent günstiger bauen, ohne signifikante Qualitätseinbußen zu haben.“
Bei der Immobiliensteuer Gis ist für den Leiter der KVW-Arche nicht nachvollziehbar, warum für touristisch vermietete Wohnungen wesentlich weniger zu zahlen ist als für langfristig an Einheimische vermietete. „Der Erstwohnungsbedarf sollte am niedrigsten besteuert werden“, meint Resch.
Er glaubt insgesamt, dass der Druck auf den Südtiroler Immobilienmarkt aufgrund des beschränkten Angebotes, des steigenden Wohnungsbedarfs und der hohen Nachfrage aus dem Ausland langfristig hoch bleiben wird und die Preise deshalb nicht sinken werden. „Deshalb müssen wir für die Einheimischen einen geschützten Markt schaffen und möglichst viel Wohnraum von der Preisspirale entkoppeln. Die Konventionierung entzieht dem freien Markt bereits Wohnungen, indem in Zonen mit vielen Zweitwohnungen keine freien Wohnungen mehr entstehen dürfen. Dies könnte man ausweiten, indem man etwa Beiträge in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe an die Auflage knüpft, dass die Immobilien nicht dem freien Markt zugeführt werden dürfen.“
In zehn Jahren werde es sicher nicht einfacher, eine Eigentumswohnung zu schaffen, meint Leonhard Resch. „Ich hoffe aber, dass es möglich sein wird, eine leistbare Mietwohnung zu finden.“
André Benedict Niederkofler, Immobilienmakler:
André Benedict Niederkofler ist Jurist, Geschäftsführer von Immobilien Niederkofler im Pustertal und Vorstandsmitglied der Südtiroler Maklervereinigung. Um das Problem der hohen Wohnpreise in Südtirol zu beschreiben, schickt er voraus, wie sich der Kaufpreis einer Wohnung zusammensetzt: „Aus dem Grundpreis, aus den Baukosten inklusive der Technikerleistungen, aus den Erschließungsgebühren und Baukostenabgaben an die Gemeinden sowie aus dem Unternehmergewinn.“
Die drei erstgenannten Komponenten hätten sich zuletzt stark verteuert – stärker als früher, betont Niederkofler: „Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes für Raum und Landschaft sind so gut wie keine neuen Baugründe ausgewiesen worden, sodass sich die Grundknappheit verschärft hat. Die Baukosten sind im letzten Jahr um 25 bis 30 Prozent gestiegen, unter anderem aufgrund der Lieferengpässe. Und gemäß neuem Raumordnungsgesetz werden von den Gemeinden für die unterirdischen Bauvolumen Gebühren eingehoben.“
Wenn man billiger bauen soll, müsse dies die Politik auch ermöglichen, bringt es der Pusterer Immobilienmakler auf den Punkt. Hier seien die KlimaHaus-Standards ein Hemmschuh. „Um die maximale Kubatur herauszuholen, ist die höchste Kategorie KlimaHaus A Nature nötig. Dabei ist mittlerweile etwa die Installation einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach verpflichtend. Mit diesen immer höheren Standards wird Bauen ständig verteuert“, erklärt André Benedict Niederkofler. Er meint, vor zehn bis 20 Jahren seien die Häuser in puncto Nachhaltigkeit auch nicht so schlecht gebaut worden, nur eben deutlich günstiger.
„Wohnen wird sicher nicht leistbarer – das ist eine Illusion.“
Setzen die Gesetzesänderungen also am falschen Punkt an? Niederkofler sagt, die Änderungen seien immer gut gemeint. Um das Problem wirklich anzugehen, müsse die Politik aber verstärkt mit den Expert:innen im Sektor zusammenarbeiten.
Als gute Idee erachtet Niederkofler das von der Bauwirtschaft vorgeschlagene und im neuen Raumordnungsgesetz verankerte Konzept der Wohnungen mit Preisbindung. „Dadurch könnten zumindest die Preise für zukünftige Wohnungen – egal ob in Kauf oder Miete – gedeckelt werden. Allerdings fehlen bis heute die Durchführungsbestimmungen, sodass mit dem Gesetz niemand etwas anfangen kann“, kritisiert Niederkofler.
Das Problem sei, dass die Politik bei den Wohnungen mit Preisbindung aus Spekulationsängsten die Privaten außen vor lassen wolle. „Genossenschaften werden aufgrund fehlender Expertise aber nicht in der Lage sein, günstige Wohnungen auf den Markt zu bringen, vor allem keine Mietwohnungen, die dringend gebraucht werden. Nur wenn günstige Baugründe auch für private Bauträger zur Verfügung gestellt werden – wie etwa in Österreich –, können günstige Mietwohnungen errichtet werden“, meint der Immobilienexperte.
Vermietern könne man nicht vorwerfen, hohe Mieten zu verlangen, sagt Niederkofler. Diese seien aufgrund der hohen Grund- und Baukosten so hoch. Die Rendite für Wohnimmobilien liege meist unter 2,5 Prozent vor Steuern.
Zudem sei es höchst ungerecht, dass die Gis für die Langzeitvermietung an Einheimische in der Regel 0,76 bis 1,56 Prozent betrage, jene für die touristische Vermietung, die höhere Renditen bringe, hingegen nur bei 0,2 bis 0,3 Prozent. Es müsse umgekehrt sein, so die Forderung der Maklervereinigung.
Das Fazit von André Benedict Niederkofler: „Wohnen wird sicher nicht leistbarer – das ist eine Illusion. Dazu müsste man mehr und günstigeren Grund zur Verfügung stellen, günstiges Bauen ermöglichen oder steuerlich entlasten. Das ist alles nicht der Fall.“ Da potenzieller Baugrund in Südtirol generell begrenzt und die ausländische Nachfrage nach nicht-konventionierten Wohnungen groß sei, würden die Immobilienpreise ohnehin hoch bleiben.
Olav Lutz, Wohnbauberater:
„Die verschiedenen Gesetzesänderungen der Landespolitik reichen bei weitem nicht, um Wohnen fairer zu machen“, betont der Wohnbauberater Olav Lutz, der das Wort „leistbar“ schon gar nicht mehr hören kann und lieber durch „fair“ ersetzt.
Dass die Mindestpunkteanzahl für den Zugang zur Wohnbauförderung beim Eigenheimbau von 23 auf 20 gesenkt wurde, sei positiv, sagt Lutz. „Aber schon wegen der dafür notwendigen fünf Millionen Euro ist es zu Turbulenzen in der Landesregierung gekommen. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass eine effektive Wohnbaureform zustande kommt, die bedeutet, dass sehr viel Geld in die Hand genommen werden muss.“ Früher, erklärt Lutz, habe die Wohnbauförderung im Verhältnis zu den Wohnungspreisen einen gewichtigen Teil ausgemacht. Bei den heutigen Preisen sei der Beitrag, der seit langem nicht erhöht wurde, nur mehr ein Tropfen auf dem heißen Stein.
„Jede Wohnung auf Airbnb ist für den lokalen Mietmarkt verloren.“
Eine weitere Baustelle sei das Wobi, das viel zu langsam baue, weil der Apparat zu schwerfällig sei. Um genügend Wohnungen auf den Markt zu bringen, solle das Wobi private Unternehmen für sich bauen lassen. Im Laufe des nächsten Jahres, meint Lutz, werde die Bauwirtschaft ohnehin weniger zu tun haben als bisher.
Weiters sei das Mietgeld zu überdenken. „Dieses geht seit seiner Einführung eins zu eins zu den Vermietern und treibt somit die Mietpreise nach oben“, beobachtet Olav Lutz.
Genauso wie Resch und Niederkofler hält es auch Lutz für dringend notwendig, an Einheimische vermietete Wohnungen geringer zu besteuern als touristisch vermietete. „Jede Wohnung auf Airbnb ist für den lokalen Mietmarkt verloren“, unterstreicht der Wohnbauberater.
Ein weiterer Vorschlag: Die Einnahmen der Gis auf Zweitwohnungen (die zu erhöhen sei) sollen im Gemeindehaushalt für die Unterstützung der ansässigen Bevölkerung im Bereich Wohnen zweckgebunden werden, anstatt für alles Mögliche ausgegeben werden zu können. „In Gemeinden mit einem hohen Zweitwohnungsanteil finden die Einheimischen aufgrund der hohen Preise keine Wohnung. Man sollte sie punktuell fördern“, erläutert Olav Lutz.
Aufgrund des knappen Baugrundes sei es wichtig, die Erhöhung von Wohnbestand attraktiver zu machen. Das könne etwa staatlich erfolgen, indem im Rahmen des Superbonus für energetische Sanierungen zusätzliche Wohnungen geschaffen werden.
Ganz generell spricht sich Olav Lutz dafür aus, in Südtirol einen Expertentisch im Bereich Wohnbau zu aktivieren, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Info
Provinzfremde in Kauflaune
Südtirol wird als Lebensraum immer begehrter. Vor allem in den touristischen Gebieten drängen finanzkräftige Ausländer:innen in den lokalen Immobilienmarkt. Ein Südtiroler Immobilienmakler etwa sucht laut einer Anzeige „für einen ausländischen Liebhaber in der Bozner Altstadt Wohnungen in jeglichen Größen und Preiskategorien“.
Leonhard Resch meint: „Es wird oft über den Ausverkauf der Heimat geschimpft. Die Südtiroler müssen sich aber an die eigene Nase fassen. Denn sie sind es, die die Heimat ausverkaufen. In der Abwägung, ob man eine freie Immobilie an eine Südtiroler Familie verkauft oder an einen Ausländer, der zehn Prozent mehr bietet, entscheiden sich die meisten nun einmal für mehr Geld.“ André Benedict Niederkofler pflichtet dem bei: „Jeder muss ehrlich zu sich selbst sein. Wer sagt, er verzichtet zugunsten eines Einheimischen auf mehrere zehntausend Euro, der lügt.“
Resch und Niederkofler sind sich einig, dass die heutige Form der Konventionierung eine sehr gute Sache sei, wonach je nach Gemeinde zum Großteil bzw. zur Gänze nur noch für Ansässige Wohnraum geschaffen werden darf. Bei älterer Wohnkubatur könne man in Sachen Konventionierung hingegen leider nichts tun, da dies ein unrechtmäßiger Eingriff ins Eigentum wäre.
Als besonderes Problem sieht Niederkofler die zunehmenden Verkäufe von geschlossenen Höfen an Provinzfremde: „Hier muss die Landesregierung dringend eingreifen, um den Ausverkauf der schönsten Kulturgüter Südtirols zu stoppen.“ Niederkofler teilt die Idee von Resch (siehe Hauptartikel), dass Höfe, die Förderungen vom Land erhalten, ebenfalls konventioniert, also für Ansässige gebunden werden sollten.