Bozen – Die Idee, die Chefredakteur Tyler Brûlé im Frühjahr 2014 im englischsprachigen Lifestylemagazin „Monocle“ spann, klang reizvoll. Südtirol-Fan Brûlé porträtierte eine fiktive „Air Südtirol“ im Südtirol-Design mit lodenbekleideten Stewardessen und lokalen Speisen. Er fragte sich: „Wie kann es sein, dass ein so schönes und interessantes Land so schlecht erreichbar ist?“ Also ließ er Kreative auf dem Papier eine authentische Südtirol-Fluglinie schaffen, die das kleine Land in den Bergen an die Welt anbindet und gleichzeitig als Südtirol-Botschafter durch die Lüfte gleitet.
So reizvoll die Idee daherkam, so unrealistisch mutete sie gleichzeitig an. Schon einmal haben sich Südtiroler Unternehmer – nach dem Abschied von Tyrolean Airways aus Bozen – am Fluggeschäft die Finger verbrannt. 2001 übernahmen 28 Unternehmer rund um Franz Senfter 86 Prozent der angeschlagenen Air Alps, um in Bozen einen Linienflugverkehr aufrechtzuerhalten, und verloren bis 2009 viel Geld. Nun verabschiedet sich auch die Air-Alps-Nachfolgerin in Bozen, die Schweizer Fluggesellschaft Darwin Airline, die seit Kurzem als Etihad Regional fliegt, per Juni 2015 vorzeitig aus Südtirol – trotz großzügiger Landessubventionierung der Linie Bozen–Rom. Geld verdienen lässt sich mit der Bozner Linie offensichtlich nicht. Warum also sollten sich einheimische Unternehmer das antun? Tatsächlich sagt einer, der sich im Fluggeschäft auskennt: „Das wird und kann sich kein Südtiroler Unternehmer antun.“ Vielmehr, so seine Prognose, werde künftig die Linie Bozen–Rom von Alitalia bzw. Etihad abgedeckt werden, und zwar zweimal statt bisher viermal täglich, um die Auslastung der Flieger zu verbessern. Das Land werde dieses Zugeständnis machen müssen. „Schreiben Sie das, denn so wird es kommen.“
Wenn Landeshauptmann Arno Kompatscher auf die Zukunft der Linie Bozen–Rom angesprochen wird, gibt er sich völlig entspannt. „Es gibt mehrere Optionen“, sagt er. Und er bestätigt auch, dass es unter anderem Gespräche mit Südtiroler Unternehmern gegeben habe.
Ein Anruf bei Fri-el-Geschäftsführer Josef Gostner, der schon Anfang 2012 öffentlich ankündigte, dass eine „Fri-el Airways“ in Bozen die Nachfolge der gescheiterten Air Alps antreten könnte. „Nein, wir sind nicht mehr interessiert“, lautet die knappe Antwort. Auch mehrere andere Unternehmer winken ab – vielleicht weil sie tatsächlich keinen Gedanken an eine neue Fluggesellschaft verschwenden, vielleicht aber auch nur, weil die Pläne noch zu vage sind, um sich schon zu outen. Einer redet dann aber doch, unter der Voraussetzung, namentlich nicht in der Zeitung zu stehen. Ja, es werde konkret die Gründung einer Fluggesellschaft geprüft, und ja, es müsste möglich sein, den Flugplatz Bozen verlust- und sogar subventionsfrei anzufliegen, „wenn alles passt“. Was heißt „wenn alles passt“? Das heiße zum Beispiel, dass „alle an einem Strang ziehen“, inklusive Land. Das heiße, dass die Politik dem privaten Engagement keine Prügel in den Weg legen darf. Das heiße, dass zwischen Bozen und Rom nur mehr zwei Linienflüge täglich angeboten werden, „weil viermal fliegen ist finanziell tödlich“, dazu interessante Charterflüge. Das heiße, dass sich Südtirol aus dem Kopf schlagen müsse, neben der Süd-Anbindung nach Rom eine attraktive Nord-Anbindung nach Deutschland zu bekommen. Nach Norden sei ausschließlich Zürich denkbar, weil nur dann eine Zusammenarbeit mit Lufthansa denkbar sei – Lufthansa bediene bereits Verona und Innsbruck, „und es bringt nichts, mit Lufthansa in Konkurrenz zu treten“.
Noch sei lange nichts entschieden, sagt der Unternehmer. Es werde schwierig, eine Südtirol-Airline auf die Beine zu stellen und dann auch kostendeckend zu betreiben, aber es solle nichts unversucht bleiben. Zwischen den Zeilen klingt die Überzeugung durch, dass der Wirtschaftsstandort Südtirol Flugverbindungen braucht. „Ein Geschäft wird das ganz sicher nicht“, so der Unternehmer.
Dem Flugplatz Bozen stehen entscheidende Monate bevor. Erstens dürfte bald der angekündigte Masterplan für die Flughafen-Zukunft vorliegen. Zweitens hat Flugplatz-Befürworter Kompatscher letzthin bekräftigt, mit dem Masterplan die Bevölkerung vom Nutzen des Flugplatzes überzeugen zu wollen. Drittens muss der Staatsrat in Rom entscheiden, wie es mit der geplanten Verlängerung der Landepiste um 300 Meter weitergeht. Und viertens wird sich zeigen, ob tatsächlich eine „Air Südtirol“ in die Luft steigt, zum Beispiel mit einer Dash Q300 (56 Passagiere), mit einer Dash Q400 (78 Passagiere) oder mit einer ATR 72-500 (66 Passagiere). Sie alle können theoretisch schon heute in Bozen starten und landen, und zwar voll beladen.