SWZ: Schwester Teresa, sind Sie eigentlich glücklich, wenn Sie als „skateboardfahrende Nonne” betitelt werden?
Schwester Teresa Zukic: Nein, ich kann das blöde Brett nicht mehr sehen! Ich bin vor 20 Jahren mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen Skateboard gefahren, daraufhin wurde ich zur TV-Sendung „Schreinemakers live“ eingeladen, und natürlich war die skateboardfahrende Nonne von dem Zeitpunkt an die große Sensation. Jetzt werde ich das Image nicht mehr los, obwohl ich seit 15 Jahren auf keinem Skateboard mehr gestanden habe.
Gerade Ihre für eine Ordensfrau untypischen Facetten – zum Beispiel die Begeisterung fürs Skateboard oder Ihre Vergangenheit als erfolgreiche Leichtathletin – machen Sie zu einer einzigartigen Marke.
Na ja, die erfolgreiche Leichtathletin sieht man mir heute nicht mehr an. Aber Sie haben schon recht, es gibt einen Wiedererkennungseffekt. Das Skateboard und die Leichtathletikvergangenheit bringen die Leute zum Schmunzeln, obwohl ich ungern darauf reduziert werde. Ich habe neun Musicals komponiert und zur Aufführung gebracht, ich male, ich mache Kochsendungen, ich habe im Oktober den Bundesverdienstorden bekommen. Da ist schon mehr als nur Skateboard und Leichtathletik.
Trotzdem: Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen dieser untypischen Ordensfrau bereitwilliger religiöse Inhalte abnehmen als einer gewöhnlichen Ordensschwester?
Das kann schon sein. Ich versuche einfach seit jeher, eine Schwester zum Anfassen zu sein. Damals, mit dem Skateboard, habe ich nichts anderes getan als mich ehrlich für die Kinder und Jugendlichen zu interessieren. Ich wusste, dass ich denen nicht mit frommen Sprüchen zu kommen brauche, denn sie hatten ganz andere Probleme. Natürlich haben sie mich geliebt dafür, dass ich anders war und dass ich mochte, was auch sie mögen. Ich bin ein Mensch wie jeder andere, und das zeige ich gerne. Dass ich mich mit dem Apple-Computer und dem iPhone auskenne, gehört zur heutigen Welt einfach dazu.
Braucht die Wirtschaft wieder mehr Religion?
Diese internationale Wirtschaftskrise, die abzusehen war, sollte uns als Weckruf dienen. Wir können nicht davon ausgehen, dass das Wirtschaftswachstum immer weitergeht. Und wir können auch nicht immer nur das Geld als alleinige Motivation betrachten. Erfolg ist wichtig, sowohl die Unternehmer als auch ihre Mitarbeiter müssen Geld verdienen. Das ist klar. Aber muss es nicht noch andere Dinge geben, die mich täglich motivieren, das Beste zu geben? Kann es ein Lebensinhalt sein, von Montag bis Freitag durchzuhalten, um am Wochenende zu leben? Wir sind nur einmal auf dieser Welt, und jeder Tag, der vergangen ist, kommt nicht mehr wieder. Die Tatsache, dass ich zu so vielen Vorträgen eingeladen werde, zeigt doch, dass sich die Wirtschaft irgendwie nach Religion sehnt.
Wobei religiöse bzw. ethische Grundsätze in kleinen Familienunternehmen viel eher – und wohl auch unbewusst – gelebt werden als in großen Konzernen. Teilen Sie diese Ansicht?
Ja, eigentlich schon. Ich kenne viele gläubige Unternehmer, die aus Überzeugung anders handeln als große Konzerne. Ethische Grundsätze sind ebenso kostbar. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, daran gibt es nichts zu deuteln. Aber der Mensch und das gegenseitige Vertrauen müssen trotzdem Platz haben.
Beim Südtiroler Wirtschaftsforum in Brixen werden Sie über den „befreienden Umgang mit Schwächen“ sprechen und eine neue Fehlerkultur fordern. Was verstehen Sie unter Fehlerkultur bei Unternehmern und Führungskräften?
Fehler sind unentschuldbar geworden. Das ist falsch. Menschen müssen Fehler machen dürfen. Wir müssen wieder lernen, zwischen Sünde und Fehler zu unterscheiden. Eine bewusste Handlung gegen die Liebe ist eine Sünde, alles andere ist ein Fehler – und aus Fehlern sollen wir lernen und gestärkt hervorgehen. Bei der Sünde weiß man vorher, dass die Handlung falsch ist, beim Fehler oft erst hinterher. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Gesteht es die moderne Gesellschaft den Unternehmern und Führungskräften überhaupt zu, Fehler zu machen?
Das ist ja das Problem. Wir haben ein gesellschaftliches Problem. Wir müssen dringend umdenken, und ich habe den Eindruck, dass die Menschen das eingesehen haben. Vielleicht werde ich deshalb so oft zu Vorträgen eingeladen.
Fakt ist, dass den Unternehmern einerseits der Erfolg geneidet und andererseits der Misserfolg vorgeworfen wird, weil bei Misserfolg die Mitarbeiter und Geschäftspartner mitleiden. Eigentlich darf sich ein Unternehmer keine Fehler leisten.
Stimmt. Deswegen zeige ich in meinen Vorträgen auf, wie man befreiend mit Fehlern umgehen kann – mit den eigenen, mit denen der anderen und mit denen der Gesellschaft.
Bräuchte auch die Kirche einen „befreienden Umgang mit Schwächen“? Immer mehr Menschen fühlen sich in der Kirche nicht mehr zu Hause und verlieren den Bezug zur Religion als Lebensstütze.
Wir alle brauchen das. Ich habe in meinem Leben gelernt, dass sich Menschen für dich zu interessieren beginnen, wenn du dich ehrlich und authentisch für sie interessierst. Es macht keinen Sinn, Jugendlichen zu erzählen, es sei abenteuerlich, in einer steinharten Kirchenbank zu sitzen und ein 400 Jahre altes Lied zu singen – das nimmt uns kein Jugendlicher ab. Ich kann auch gut verstehen, dass sich Menschen von der Kirche abwenden, wenn Bischöfe Äußerungen machen, die weit weg vom realen Leben der Menschen sind, oder wenn Missbrauchsfälle bekannt werden. Gleichzeitig aber bedauere ich, dass Kirche heute pauschal schlechtgeredet wird. Jene Menschen beispielsweise, die den Schwachen in unserer Gesellschaft helfen, sind auch Kirche – aber sie werden nicht gesehen.
Sie kennen Südtirol und haben hierzulande auch schon Geburtstag gefeiert. Dürfen wir Südtiroler uns einbilden, dass unser Land etwas Besonderes für Sie ist?
Unbedingt. Südtirol ist das einzige Land auf dieser Welt, das dem Herzen Jesu geweiht ist – schon allein deshalb liebe ich dieses Land. Ich kenne Südtirol schon lange und habe hier oft Urlaubstage verbracht. Seit ich in Südtirol meine allerbeste Freundin gefunden habe, ist das Land sogar so etwas wie eine zweite Heimat für mich geworden. Die Gastfreundschaft in Südtirol ist etwas ganz Besonderes – ihr braucht zuerst zwar ein bisschen, dann aber seid ihr von einer erwärmenden Offenheit und Großzügigkeit. Was mir auch auffällt: Viele Südtiroler haben immer Schuldgefühle, sie entschuldigen sich für jede Kleinigkeit.