Bozen – Die Vorgeschichte ist bekannt, eine kurze Erinnerung jedoch hilfreich. Bereits im Jahr 2021 hat die zuvor lange Zeit äußerst niedrige Inflationsrate angezogen, bis Dezember im EU-Schnitt auf 5,3 Prozent. Steigende Rohstoff- und vor allem Energiepreise sowie Lieferengpässe als Folge der Lockdowns während der Coronapandemie bei starker Nachfrage waren die Ursachen, die lockere Geldpolitik der EZB und aller Notenbanken im OECD-Raum haben ein Übriges getan. Die Invasion Russlands in der Ukraine und die folgenden Maßnahmen des Westens und Gegenmaßnahmen Moskaus haben dann die Energiepreise explodieren lassen. Dies hat die Inflation weiter angeheizt. Im August durchstieß die Rate in der EU die Zehn-Prozent-Grenze, im November stieg sie auf 11,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, in Italien lag sie bei zwölf Prozent. Aktuellen Prognosen zufolge wird die Inflationsrate in diesem Jahr etwas niedriger ausfallen als 2022, wo sie im Jahresdurchschnitt bei 7,9 Prozent lag. Das Münchner ifo Institut rechnet mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 6,4 Prozent, andere Institute sehen ihn sogar bei unter sechs Prozent.
Die Anhebung der Leitzinsen
Als erste Notenbank hat die amerikanische Fed auf die steigende Inflation reagiert. Sie hat die Zinsen im Mai 2022 um einen halben Prozentpunkt (0,5 Prozentpunkte) angehoben. Im Juni, Juli, September, Oktober und Dezember folgten weitere Zinsschritte. Der Leitzins stieg jeweils um 0,5 Prozentpunkte. Aktuell liegt das Zinsniveau in den USA bei 4,25 bis 4,50 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) sah sich zwei Monate später zum Handeln gezwungen. Im Juli erhöhte sie den Leitzins um 0,5 Punkte, im September und im Oktober um jeweils 0,75 Punkte und im Dezember noch einmal um 0,5 Punkte. Der wichtigste Leitzins im Euro-Raum beträgt derzeit 2,5 Prozent. Das sind noch immer deutlich weniger als in den USA. Die EZB hat deshalb und wegen der weiterhin starken Teuerung angekündigt, dass es weitere Zinserhöhungen geben wird. Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot, Mitglied des EZB-Direktoriums, scheint sich sicher, dass im Februar und März weitere Schritte gesetzt werden.
Wie stark die Zinserhöhungen die Inflation bremsen, ist umstritten. Manche Experten betonen, dass die Maßnahmen der Fed Wirkung zeigen, weil die Inflation in den USA nicht von hohen Energiepreisen getrieben werde, sondern von einer starken Nachfrage nach Investitionsgütern und Konsumartikeln. In Europa dagegen sei die Inflationsrate eine Folge der Steigerung der Kosten der Unternehmen, die gezwungen seien, die Preise anzuheben. Eine weitere Anhebung der Leitzinsen sei deshalb nicht zielführend, sondern berge die Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen.
Die EZB in der Zwickmühle
Es gibt deshalb viele recht unterschiedliche Interessengruppen, die sich wünschen, die EZB möge eine Nachdenkpause einlegen und vorerst die Zinsen nicht weiter anheben. Die Erwartungen, dass dies der Fall sein werde und es vielleicht schon ab Sommer oder spätestens im nächsten Jahr Zinssenkungen geben werde, haben Mitte Jänner sogar dazu geführt, dass die Zinsen für längerfristige Darlehen mit fixem Zinssatz, für die sich Banken mit Euro-Swaps bzw. Eurirs finanzieren, kurzzeitig niedriger waren als für solche mit variablen Zinsen, deren Grundlage der Euribor ist. Im Frankfurter Euro-Tower wird recht laut darüber spekuliert, ob es entgegen aller Ankündigungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vom Dezember und den Forderungen von Klas Knot am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos, die Zinsen im Februar und März, womöglich aber auch im April und Mai um jeweils 0,5 Punkte zu erhöhen, zu einer Kursänderung kommen wird. Wer von weiteren Zinserhöhungen nichts hält, geht davon aus, dass bei der Sitzung am 1. Februar eine Pause eingelegt und im März nur eine moderate Erhöhung um 0,25 Punkte vorgenommen wird.
Die Folgen der höheren Zinsen
Die Zinsmaßnahmen der EZB mögen vielleicht die Inflation nicht entscheidend bremsen, doch sind sie wohl notwendig, um einen Kapitalabfluss in Richtung USA zu verhindern. Die negativen Folgen der Anhebung des Leitzinses spüren jedoch Staaten, Unternehmen und Wohnungskäufer:innen. Die Zinsen, die Staaten für neu ausgegebene Schuldverschreibungen bezahlen müssen, sind empfindlich angestiegen. Italienische BpT mit einer Laufzeit von zehn Jahren brachten zu Beginn dieser Woche an die vier Prozent, deutsche Bund gut 2,1 Prozent, nachdem sie vor einem Jahr noch mit einem leicht negativen Zinssatz losgeschlagen werden konnten und die Rendite im Juli 2022 noch bei knapp über einem Prozent lag. Für die Staatshaushalte bedeutet das erhebliche Mehrausgaben. Italien muss 2023 wohl zehn Milliarden mehr für Zinszahlungen ausgeben als im vergangenen Jahr. Weitere Zinsanstiege und ein längeres Verharren der Zinsen auf einem hohen Niveau könnte der Staat kaum stemmen.
Höhere Kreditzinsen
Unternehmen stöhnen ebenfalls unter den hohen Zinsen (wie auch die Wohnungskäufer:innen). Die Zinsen für Kredite und Darlehen sind um gut zwei Prozentpunkte gestiegen. Für fünf Millionen Euro mussten bei 1,5 Prozent 75.000 Euro an Zinsen pro Jahr bezahlt werden, bei 3,5 Prozent sind es jetzt schon 175.000 Euro. Das bedeutet bei einer Laufzeit von zehn Jahren Mehrkosten in Höhe von einer Million! Gut haben es da jene, die sich für ein Darlehen mit fixem Zinssatz entschieden haben, das zwar etwas teurer war, aber sich jetzt als segensreich herausstellt. Wer in Italien jetzt ein Darlehen zu einem Fixzinssatz aufnimmt und dabei Zweifel hegt, ob die Zinsen nicht vielleicht wieder sinken, sollte wissen: Hierzulande ist es zum Leidwesen der Banken seit 15 Jahren für Kreditnehmer:innen begünstigt möglich, bei sinkenden Zinsen auch ein Darlehen mit fixem Zinssatz vorzeitig zu tilgen oder es auf eine andere Bank zu übertragen, die bessere Konditionen bietet.
Die Befürchtungen der Banken
Die Banken müssten im Prinzip froh sein, dass die Zinsen gestiegen sind und vielleicht weiter steigen, denn die niedrigen Zinsen haben ihre Margen verringert, was wiederum an den Überschüssen gezehrt hat. Die italienische Bankenvereinigung ABI ist angesichts der Zinsentwicklung dennoch besorgt. Höheren Margen steht nämlich die stärkere Zinsbelastung der Kredit- und Darlehensnehmer:innen gegenüber, was Zahlungsausfälle wahrscheinlicher macht, auch wenn der Anteil der notleidenden Kredite derzeit so gering ist wie seit Jahren nicht mehr. Und: Die höheren Zinsen könnten zu einem Rückgang der Nachfrage nach Finanzierungen führen. Die Wachstumsrate der Ausleihungen von Banken ist schon in den letzten Monaten von 2,8 auf 2,1 Prozent gesunken.
Auch haben Banken die Sorge, dass sie mehr Kreditanträge als zuletzt ablehnen müssen, weil die Belastung durch gestiegene Kosten und höhere Zinsen für so manche Unternehmen, die investieren wollen, so hoch ist, dass die Rückzahlungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist.
Das alles lässt erahnen, warum die Prognosen über die weitere Entwicklung derzeit so unsicher sind wie kaum einmal zuvor. Die EZB ist besorgt über die anhaltende Inflation, gegen die Maßnahmen zu ergreifen sie statutarisch verpflichtet ist, die die Kaufkraft von Einkommen dezimiert und eine gefährliche Spirale von Preis- und Lohnsteigerungen in Gang setzen könnte. Auch muss sie der Flucht in den Dollar vorbeugen und den zuletzt leicht erholten Euro stützen. Anderseits untergraben länger anhaltende hohe Zinsen die Zahlungsfähigkeit hoch verschuldeter Staaten wie Italien und verteuern Investition, auch solche in den Umbau der Wirtschaft, in regenerierbare Energiequellen, Digitalisierung, Automatisierung, kurz: zum Vorteil der nächsten Generation.
Man kann davon ausgehen, dass die weiteren (wahrscheinlichen) Zinserhöhungen so gering ausfallen, wie es nur irgendwie möglich ist.
Info
Angebote Wohnungskauf
Auf der Internetseite mutuionline.it können Wohnungskäufer:innen eruieren, unter welchen Voraussetzungen und unter welchen Bedingungen sie ein Darlehen zu einem fixen oder variablen Zinssatz erhalten. Wir haben als Beispiel gewählt: Ein 29 Jahre alter Freiberufler mit einem Monatseinkommen von 3.500 Euro netto und einem Büro in Bozen hat eine Wohnung in Eppan in Aussicht, die 700.000 Euro kostet. 350.000 Euro hat er selbst, 350.000 will er von der Bank – auf 20 Jahre. Das beste Angebot kommt hier von der Webbank des Banco BPM, die einen Fixzinssatz von 3,38 Prozent (IRS plus 0,70 Prozent) bei einer Gesamtbelastung (TAEG) von 3,47 Prozent verlangt. Die Monatsrate beträgt 2008,34 Euro, die Gesamtsumme der Rückzahlungen damit 482.002 Euro. Anmerkung: Bei Standardverträgen sind virtuelle Banken oft am billigsten, geht es um Hausbau oder Sanierung, passen sie.
Je höher das Einkommen und je geringer der Finanzierungsbedarf im Verhältnis zum Kaufpreis (Sicherheit für die Bank) ist, desto niedriger sind die Zinsen. Ein Darlehen mit Fixzinssatz kostet in etwa 0,5 Prozentpunkte mehr als eines mit variablem Zinssatz.
Investitionsdarlehen für Unternehmen kosten im Schnitt meist etwas mehr, sind aber je nach Bonität und Vorhaben recht unterschiedlich, zuweilen etwas billiger, zuweilen deutlich teurer.