Bozen/Rom – Die Zuversicht in Italien wächst, verraten Umfragen. Wirbelwind Matteo Renzi gibt den allermeisten Bürgern das Gefühl, dass nach jahrzehntelangem Reformstau endlich etwas passiert. Der vieldiskutierte Jobs Act ist nur das jüngste Beispiel. Auch die EU erkennt die Fortschritte an, die Sorgenkind Italien unter Renzi macht. Diese Fortschritte sind durchaus vorhanden, allerdings sind sie nicht ganz so groß, wie Renzi mit seinem Aktionismus und seiner rhetorischen Gabe glauben macht. Es existieren genügend Beispiele, wo Matteo Renzi – genauso wie seine Vorgänger – Reformen und Maßnahmen bereits als Erfolg verkauft, lange bevor sie in der Praxis greifen. Der Hund liegt dabei immer an der gleichen Stelle begraben: Die römische Politik beschließt zwar ein Gesetz und berichtet in Pressekonferenzen darüber, dann aber werden die notwendigen Durchführungsbestimmungen für die konkrete Umsetzung „vergessen“ – das Gesetz bleibt unanwendbar. Gleichzeitig vergessen die Medien, nach der Umsetzung des Gesetzes zu fragen, weil ihnen die Politik längst die nächsten Themen diktiert.
Ein typisches Beispiel der jüngeren Zeit sind die sogenannten Voucher für die Digitalisierung und die Verbesserung der Internetanbindungen. Auf dem Papier ist vorgesehen, dass der Staat kleinen und mittleren Unternehmen (bis 250 Mitarbeiter) bis zu 10.000 Euro für die Digitalisierung und die Anbindung an schnelles Internet schenkt. Diese maximal 10.000 Euro gibt es für alles Mögliche, egal, ob für die Modernisierung der Arbeitsorganisation (z. B. Telearbeit), für die Entwicklung von E-Commerce-Lösungen, für die Ausbildung der Mitarbeiter in Sachen Informationstechnologien, für die Steigerung der Unternehmenseffizienz (was auch immer das heißen soll) und für das Andocken an das Glasfasernetz bzw. für Funk- oder Satellitenlösungen.
So weit, so gut. Eigentlich war die Förderung bereits im sogenannten „Destinazione Italia“-Dekret vorgesehen, das noch die Regierung Letta (nicht Renzi!) im Dezember 2013 formuliert hat. Sie blieb aber toter Buchstabe, weil es noch Durchführungsbestimmungen brauchte. Ende November 2014, fast ein Jahr später, erließ das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung endlich eine Durchführungsverordnung. Die Veröffentlichung der Verordnung im Staatlichen Amtsblatt wurde auch in Südtirol begrüßt, unter anderem vom SVP-Kammerabgeordneten Daniel Alfreider, der in der Abgeordnetenkammer in der Sache Anfragen an Ministerin Federica Guidi gestellt hatte, von IT-Landesrätin Waltraud Deeg, vom Südtiroler Wirtschaftsring und vom Wirtschaftsverband für Handwerk und Dienstleiter lvh. Sie alle übersahen aber in ihrer Freude, dass die Förderung immer noch nicht greifen konnte, weil eine weitere Durchführungsverordnung fehlte. Sie alle gingen der Regierung gewissermaßen auf den Leim.
Statt der erhofften Gesuchvordrucke fanden interessierte Unternehmer auf der Homepage des Ministeriums (www.mise.gov.it) lediglich den Hinweis, dass die Gesuchfrist erst eröffnet werden könne, wenn das Wirtschaftsministerium – also ein anderes Ministerium – das notwendige Geld locker gemacht hat. Von 100 Millionen war und ist die Rede. Seither sind weitere drei Monate ins Land gezogen, und das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung bestätigte vor Kurzem auf der Homepage: Die Durchführungsbestimmung des Wirtschaftsministeriums fehlt noch immer.
Es ist eine römische Unart, die Bürger und Unternehmen solcherart zum Narren zu halten. In Ankündigungen wird zwar kommuniziert, was die Politik alles leistet, in der rauen Wirklichkeit aber werden die schönen Worte nicht zu Taten. Der italienische Staat hat schlicht das Geld nicht, um seine verlockenden Ankündigungen umzusetzen. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum die Förderung nicht über den einfacheren Weg von Steuerabzügen abgewickelt wird.
Überschätzt darf die Wirkung der Fördermaßnahme sowieso nicht werden, sofern sie überhaupt jemals freigegeben wird. 100 Millionen Euro für ganz Italien sind herzlich wenig, auch angesichts des breiten Spektrums an förderwürdigen Vorhaben. Indem das Geld im Verhältnis zu den im Firmenregister eingetragenen Unternehmen verteilt werden soll, würde Südtirol etwa eine Million Euro zustehen. Mit anderen Worten: 100 Unternehmen können theoretisch je 10.000 Euro erhalten. Wahrscheinlich werden die Voucher sowieso bescheidener ausfallen.