Kopenhagen – Um die Partnerwahl ranken sich einige Mythen, dazu kommen Volksweisheiten und Redensarten, in denen mal mehr, mal weniger Wahrheit steckt. Dank des breiten Spektrums kann sich jedes Paar den passenden Spruch zur eigenen Beziehung aussuchen, egal, ob es total unterschiedlich ist – Gegensätze ziehen sich nun mal an – oder durch viele Ähnlichkeiten auffällt, denn gleich und gleich gesellt sich bekanntlich gerne. Unabhängig vom Charakter der Liebenden sticht ein Attribut bei der Partnerwahl besonders hervor: das Vermögen. Die einen erben es, die anderen verdienen es, attraktiv macht beides. Der evolutionären Überlegung von Wissenschaftlern zufolge achten Frauen eher auf den sozioökonomischen Status ihres Partners. Die Annahme: Je höher dessen Status, desto sicherer die Versorgung potenzieller Nachfolger. In Studien wurde dies zwar mehrfach widerlegt, doch kaum jemand würde wohl offen zugeben, dass Geld bei der Wahl des Ehegatten eine zentrale Rolle spielt.
Sicher ist, dass es im Laufe der Geschichte über den gesamten Globus verteilt elitäre Heiratsmärkte gegeben hat. Davon zeugen unterschiedliche Quellen. Jane Austin etwa beschreibt in ihren Gesellschaftsromanen über das England des frühen 19. Jahrhunderts die „Kunst der guten Partie“. Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht Thomas Mann sein Werk „Buddenbrooks – Verfall einer Familie“. „Ich liebe sie, aber macht mein Glück und meinen Stolz desto größer, dass ich, indem sie mein eigen wird, gleichzeitig unserer Firma einen bedeutenden Kapitalfluss erobere“, sagt Thomas Buddenbrook darin über seine bevorstehende Heirat mit Gerda Arnoldsen.
Die ökonomischen Aspekte der Partnerwahl mögen für einige mittlerweile fremd klingen – und das obwohl sie gerade eine Renaissance erleben. Im vergangenen Jahrhundert war zwar das sogenannte Aschenputtel-Modell weit verbreitet, also der Aufstieg über den Heiratsmarkt, doch zuletzt wurde beobachtet, dass immer mehr Menschen einen Partner mit ähnlicher Bildung und ähnlichem Einkommen wählen. Ökonomen sprechen von assortive mating. In einem Zeitalter, in dem sich Frauen zunehmend emanzipieren, ändern sich eben auch die Spielregeln der Liebe. Je mehr Frauen mit hoher Bildung es gibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Akademikerpaare. Auch das höhere Heiratsalter spielt eine Rolle. Wer erst mit 35 statt mit 20 heiratet, weiß eher, worauf er sich, rein wirtschaftlich gesehen, einlässt. Zudem gewinnt Online-Dating an Bedeutung, bei dem Bekanntschaften nicht durch Zufall, sondern aufgrund von Filtern und Algorithmen entstehen.
Aus dieser Entwicklung entwachsen nicht nur private, sondern auch gesamtwirtschaftliche Folgen. Die Homogamie, die Gleichheit der Partner – in diesem Fall bezüglich Einkommen und Bildungsniveau –, ist deshalb auch ein beliebtes Thema in der Wissenschaft.
In Deutschland weisen mittlerweile etwa 80 Prozent der Paare einen ähnlichen Bildungshintergrund auf, in den USA sind es noch mehr. Und eine Studie der OECD von 2014 zeigt, dass in 20 von 23 untersuchten Mitgliedsländern die Korrelation zwischen den Löhnen der Ehegatten in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist.
Zuletzt untersuchten die drei Forscher Sander Wagner, Diederik Boertien und Mette Gørtz, ob Kinder wohlhabender Eltern unter sich bleiben, um einen Partner zu finden. Ort der Untersuchung war Dänemark, wo die Daten über das Vermögen der Eltern leicht über das nationale Register zugänglich sind. Diese wurden für den Zeitraum von 1987 bis 2013 ausgewertet.
Zwei wesentliche Gründe hätten sie dazu veranlasst, sich mit dem Thema zu beschäftigen, schreiben die Autoren.
Erstens ist die Höhe des eigenen Vermögens stark von Vererbung abhängig. Ein Fakt, der selten im Moment der Paarbildung gemessen wird, weil die Eltern meist noch leben. Eine Studie in den USA schätzt, dass Erbschaften 35 bis 45 Prozent des Gesamtvermögens einer Person in den Vereinigten Staaten ausmachen. Bleiben Kinder reicher Eltern bei der Partnerwahl unter sich, könne dadurch das Ungleichgewicht in der gesellschaftlichen Vermögensverteilung wachsen.
Zweitens könne Wohlstandshomogamie Fragen zur generationenübergreifenden Mobilität beantworten, zum Beispiel, inwieweit es möglich ist, sich durch Heirat aus der Armut zu befreien.
Die Forscher der Studie fanden heraus, dass die Gleichartigkeit des elterlichen Vermögens in Dänemark insgesamt schwächer ausgeprägt war als bei einer vergleichbaren Untersuchung in den USA. Allerdings wurde festgestellt, dass diese in den 2000er-Jahren im Vergleich zu den 1990er-Jahren zugenommen hat – und dass sie unter den Reichsten am stärksten ausgeprägt ist. Eine Entwicklung, die durchaus mit Sorge zu betrachten sei, wie es im Diskussionspapier heißt. Sie könne nämlich Symptom und Folge zunehmender gesellschaftlicher Trennungen sein, die zum Beispiel bei der Wahl des Wohnorts, der Schule oder des Bekanntenkreises entstehen.
Wenn die Reichen und die Armen jeweils unter sich bleiben, konzentriert sich der Wohlstand stets in wenigen Händen, und die Verteilung des Einkommens gerät in ein stärkeres Ungleichgewicht. Die Partnerwahl zementiert so gesehen die sozialräumliche Trennung in der Gesellschaft. Der Soziologe Jeremy Greenwood hat nachgewiesen, dass der Abstand zwischen Arm und Reich in den USA auf das Niveau der 1960er-Jahre zurückfallen würde, wenn die Amerikaner ihre Partner nach dem Zufallsprinzip auswählen würden. Greenwood berechnete den Gini-Koeffizienten, einen sozialen Ungleichheitswert. Dieser liegt in den USA bei 0,43. Durch eine veränderte Partnerwahl könnte die Zahl auf 0,34 sinken, ein in vielerlei Hinsicht unrealistisches Szenario.
Der bekannte Ungleichheitsforscher Branko Milanovic ist überzeugt, dass gegen diese Form ökonomischer Divergenz kaum ein Mittel zu finden ist. Bei anderen Mitursachen des sozialen Grabens wie Globalisierung, Automatisierung oder Lohnexzessen kann der Staat gegensteuern. Er kann den Bürgern aber nicht ohne Weiteres vorschreiben, wen sie heiraten sollen.(sd)