Bozen – Die Südtiroler Sporthilfe ist dafür bekannt, junge Talente am Karrierestart zu unterstützen. Jetzt schaut sie mit dem neuen Projekt „Great Season“ auch auf das Karriereende. Denn gerade auf dieses Ende sind Leistungssportler:innen oft zu wenig oder überhaupt nicht vorbereitet. Jahre- und oft jahrezehntelang stecken sie alle Energie in Training und Wettkampf, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was nach dem Sportlerleben kommen soll. „Sie leben in einer Blase“, analysiert Sporthilfe-Vorstandsmitglied Dorotea Mader.
Die Athleten und Athletinnen durchlaufen ein 20-monatiges Entwicklungsprogramm, bei dem sie sich Wissen in Management und Persönlichkeitsentwicklung aneignen sowie mit Unternehmen in Kontakt kommen.
Die Gründerin der Beratungsagentur Human&Human ist gemeinsam mit HC Pustertal-Geschäftsführer und Sporthilfe-Vizepräsident Jochen Schenk sowie Vermögensberater Heinold Pider die Ideatorin des Projektes, dessen Ziel es laut Eigendefinition ist, „die Brücke vom Sport in den Beruf“ zu bauen. Dafür durchlaufen die Athleten und Athletinnen ein 20-monatiges Entwicklungsprogramm, bei dem sie sich Wissen in Management und Persönlichkeitsentwicklung aneignen sowie mit Unternehmen in Kontakt kommen, wo sie auch eine persönliche Mentee bzw. einen persönlichen Mentor erhalten. Durch dieses sportbegleitende Lernen soll sichergestellt werden, dass die Leistungssportler:innen nach der aktiven Laufbahn leichter auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, anstatt einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Gleichaltrigen zu erleiden, die sich längst im Job etabliert und sich Know-how angeeignet haben.
Zwölf Tandems sind gestartet
Aus der ursprünglichen Idee, die bei einem Kaffee entstand, ist ein Projekt geworden, in das neben der Südtiroler Sporthilfe die Freie Universität Bozen und die Stiftung Sparkasse involviert sind. Mit den ersten zwölf Tandems ist Great Season bereits gestartet. Im Rahmen eines Kick-offs inklusive Speed Dating bei Rothoblaas in Kurtatsch wurden zwölf Sportler:innen ebenso vielen Unternehmen zugeordnet. Das sind die Tandems:
- Debora Vivarelli (Tischtennis) & Hoteliers- und Gastwirteverband HGV (Mentor ist Klaus Schmidt, Abteilungsleiter Unternehmensberatung)
- Sara Buglisi (Leichtathletik) & Spezialbierbrauerei Forst (Elisabeth Mayr, Kommunikation, sowie Matthias Gögele, Eventverantwortlicher)
- Francesca Pisciali (Rennrad) & Alperia (Stephan Innerhofer, Verantwortlicher HR Service Center)
- Evelyn Vivarelli (Tischtennis) & Eurac Research (Josef Bernhart, stellvertretender Leiter des Institutes für Public Management)
- Nathalie Kofler (Leichtathletik) & Bergmilch Südtirol (Matthias Baumgartner, Geschäftsführer)
- Federica Sanfilippo (Langlauf) & Podini (Benedetta Dalbosco, HR Consultant)
- Gianluca Vallini (Eishockey) & Sparkasse (Karin Fischnaller, Verantwortliche Recruiting & Employer Branding)
- Emanuel Rieder (Kunstbahnrodeln) & Alupress (Werner Zublasing, Head of Controlling)
- Leon Felderer (Kunstbahnrodeln) & Durst (Christian Gatterer, Group CFO)
- Simon Kainzwaldner (Kunstbahnrodeln) & Rothoblaas (Sigrid Rammel, Head of HR Services)
- Dominik Zuech (Skicross) & Fruitservice (Peter Hölzl, COO)
- Emanuel Perathoner (Para-Snowboard) & Überall (Simon Hitthaler, CEO Sales & Operations)
Der Nutzen für die Unternehmen
Das Projekt diene nicht nur den Sportlern und Sportlerinnen, sondern auch den teilnehmenden Unternehmen, ist man bei der Sporthilfe überzeugt. „In Zeiten des Fachkräftemangels kann das Projekt ein zusätzlicher Recruiting-Kanal sein“, meint Dorotea Mader und fügt hinzu: „An Fähigkeiten mangelt es den Sportlern und Sportlerinnen durch ihr jahrelanges physisches und mentales Training nämlich nicht.“ Leistungsorientierung, Willenskraft, Durchhaltevermögen, Disziplin, Teamfähigkeit, der Umgang mit Niederlagen – das alles seien Fähigkeiten, die Sportler:innen mitbringen und die sich zugleich die Unternehmen von den Mitarbeitenden wünschen.
Lernen können die teilnehmenden Sportler:innen zeit- und ortsunabhängig über LinkedIn-Learning. Auch umfasst das 20-monatige Programm Lerneinheiten mit Coaches sowie in Zusammenarbeit mit der Uni Bozen, vor allem in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre, Kreativität und Innovation. Bei regelmäßigen Wissenschecks wird das Gelernte überprüft.
Nach dem Start mit zwölf Tandems plant die Sporthilfe für Herbst 2024 die zweite Welle.
INFO Web greatseason.sporthilfe.it, E-Mail greatseason@sporthilfe.it
Interview
Auf ins richtige Leben

SWZ: Was versprechen Sie sich von der Teilnahme am Sporthilfe-Projekt „Great Season“?
Federica Sanfilippo*: Das Projekt ist eine Gelegenheit für mich, die mir Türen öffnet. Ich erhoffe mir Einblicke in die Arbeitswelt, sozusagen in das richtige Leben. Ich bin neugierig darauf, wie das Leben außerhalb des Sports ist. Wir Sportler leben ja in einer Blase. Deswegen möchte ich nicht warten, bis ich mit dem Sport aufhöre, und dann nicht wissen, wie es weitergeht.
Sie bilden ein Tandem mit dem Unternehmen Podini. Was hat Sie überzeugt?
Die Gruppe ist in vielen verschiedenen Bereichen tätig. Das ist reizvoll, denn es gibt mir die Gelegenheit, in mehrere Branchen hineinzuschnuppern.
Gibt es Lerninhalte, auf die Sie sich besonders freuen?
Betriebswirtschaftslehre sicher nicht (lacht). Ich stelle mir das sehr trocken vor, aber vielleicht täusche ich mich ja. Ich habe das Realgymnasium besucht und hatte dieses Fach nicht.
Haben Sie sich in den vergangenen Jahren manchmal Gedanken gemacht, was nach der Sportlerkarriere kommt?
In den vergangenen drei Jahren habe ich verstärkt darüber nachgedacht, weil es im Biathlonsport nicht nach Wunsch lief. Seit einem Jahr mache ich mir besonders intensiv Gedanken darüber, was ich danach machen möchte. Ich bin Mitglied der Polizei-Sportgruppe, und es wäre eine Option, dort zu bleiben, allerdings nur, wenn mir eine Tätigkeit zugewiesen wird, die mir gefällt. Das Sporthilfe-Projekt kam gerade im richtigen Moment.
Sie haben heuer mit dem Biathlon aufgehört und sind ins Langlauflager gewechselt. Glauben Sie, der Wechsel vom Sport in den Beruf wird sich ähnlich anfühlen?
Ich hoffe, der wird leichter (lacht). Es wird sicher eine richtig große Veränderung mit einem neuen Tagesrhythmus. Man wird auch damit klarkommen müssen, dass sich nicht mehr 24 Stunden lang alles um dich dreht.
Was hat Sie der Sport gelehrt, was Ihnen auch in einem normalen Beruf nützlich sein wird?
Der Sport ist eine Lebensschule. Vor allem habe ich gelernt zu kämpfen, Enttäuschungen zu überwinden und mir neue Ziele zu setzen, mich zu organisieren und ständig an neue Situationen anzupassen.
*Die Ridnaunerin Federica Sanfilippo, 33, hat im Biathlon zwei Weltcupsiege mit der italienischen Staffel errungen. Im Jänner verkündete sie das Ende ihrer Biathlonkarriere und den Wechsel in den Langlauf. Im Rahmen von „Great Season“ bildet sie ein Tandem mit der Podini-Gruppe, die verschiedenste Standbeine hat, von der Energie- und Weinproduktion über den Zuckerhandel bis hin zu Immobilienprojekten. Sanfilippos Mentee ist HR-Consultant Benedetta Dalbosco.
Wertvolle Soft Skills

SWZ: Was verspricht sich Mila-Bergmilch von der Teilnahme am Sporthilfe-Projekt „Great Season“?
Matthias Baumgartner: In erster Linie soll es nicht um einen Nutzen für uns gehen. Es handelt sich um eine tolle Initiative, die Sportlerinnen und Sportlern eine Tür zur Berufswelt, zu Netzwerken und zu Lerneffekten öffnet. Und wer weiß, vielleicht ist der angenehme Nebeneffekt tatsächlich, dass wir eine Person finden, die nach ihrer Sportkarriere bei Mila arbeiten möchte.
Mila-Bergmilch bildet ein Tandem mit der Stabhochspringerin Nathalie Kofler. Was hat Sie überzeugt?
Die siebenminütigen Speed Datings mit den Sportlerinnen und Sportlern waren sehr spannend. Interessanterweise war das Gespräch mit Nathalie Kofler das erste von insgesamt zwölf. In sieben Minuten kann man sich natürlich nur oberflächlich kennenlernen, aber mich hat die Art von Nathalie überzeugt und ihr Interesse an Mila und unseren Produkten.
Worin sehen Sie Ihre Rolle als Mentor?
Wir werden im Austausch mit Nathalie noch definieren, was sie von mir erwartet. Einerseits kann ich ihr Einblicke in unser Unternehmen geben. Andererseits sehe ich mich als ihr Ansprechpartner in Karrierefragen, unabhängig von Mila.
Gibt es etwas, worauf Sie sich in dieser Zusammenarbeit besonders freuen?
Wie gesagt, in erster Linie soll es um die Sportlerin gehen. Weil Mila aber auch Produkte hat, die sich an ein sportaffines Publikum richten, erhalten wir von Nathalie vielleicht wertvolles Feedback, wie sie als Sportlerin diese Produkte wahrnimmt oder was sie anders machen würde. Es ist durchaus passend, dass Nathalie Sport und Ernährung studiert.
Sport ist eine Lebensschule, heißt es oft. Glauben Sie, dass ehemalige Leistungssportler:innen besondere Fähigkeiten mitbringen?
In den Sieben-Minuten-Gesprächen habe ich festgestellt, dass die Sportlerinnen und Sportler dazu tendieren, sich unter Wert zu verkaufen. Sie fühlen sich gegenüber jenen, die Studien- und Arbeitserfahrungen gesammelt haben, unterlegen, weil sie „nur“ ihren Sport können. Sie vergessen aber, dass sie sich im Sport spezielle Soft Skills aneignen.
* Matthias Baumgartner ist der Geschäftsführer des Milchhofes Mila-Bergmilch. Im Rahmen von „Great Season“ bildet Mila-Bergmilch ein Tandem mit der 22-jährigen Stabhochspringerin Nathalie Kofler. Die Leichtathletin wurde zwei Mal Italienmeisterin und hält mit einer persönlichen Bestleistung von 4,21 Metern den Landesrekord. Sie studiert in Innsbruck Sport und Ernährung auf Lehramt sowie Sportwissenschaften. Koflers Mentor bei Mila ist der Geschäftsführer höchstpersönlich.