SWZ: Herr Brunner, wie passen Sie zu den Bereichen Umwelt, Natur- und Klimaschutz?
Peter Brunner: Die Bereiche Raumordnung und Energie haben sehr viele Gemeinsamkeiten mit Umwelt- und Klimaschutz. Die Zusammenlegung dieser Agenden ist eine Herausforderung, aber auch eine große Chance. Beim Umwelt- und Klimaschutz haben wir gewaltigen Handlungsbedarf. Der Klimaplan 2040 dient als entsprechende Richtschnur und wird im Bereich Raum und Landschaft immer wieder auftauchen. Es ist mir bewusst, dass es Konfliktpotenzial geben wird, aber diesem müssen wir uns proaktiv stellen, um die Herausforderungen bestmöglich zu meistern.
Der Grünen-Abgeordnete Zeno Oberkofler meinte, als Bürgermeister seien Sie vielmehr für „möglichst viel bauen“ bekannt gewesen als für klimaschützende Maßnahmen. Josef Oberhofer, Präsident des Umweltschutz-Dachverbandes, nannte Sie einen Betonierer mit dem Motto „zu viel ist nie genug“.
Diese Aussagen haben mich überrascht und sind eine oberflächliche Bewertung. Ich will nicht verleugnen, dass in Brixen gebaut worden ist, aber das waren notwendige Investitionen. Bei den drei neuen Hotels etwa ging es darum, den Trend des Bettenrückgangs aufzuhalten, um Infrastrukturen wie die Plose und die Acquarena zu erhalten, die auch für die Bevölkerung wichtig sind. Auch andere Bauprojekte waren sozial verträglich und wichtig für die Gesellschaft – etwa die Musikschule und die Bibliothek unter Einbezug bestehenden Baubestandes. Nebenbei hat Brixen in den letzten Jahren im Bereich Nachhaltigkeit starke Akzente gesetzt: Wir sind Klimagemeinde und Alpenstadt geworden, haben in Fernwärme investiert, fossile Brennstoffe reduziert, die Fotovoltaikoffensive fortgeführt, öffentliche Gebäude energetisch saniert, den Wasserverbrauch gesenkt, das Citybusnetz ausgebaut, einen nachhaltigen Mobilitätsplan genehmigt, neue Fahrradstreifen errichtet, eine E-Bike-Aktion für die Bürger gestartet, die Höchstgeschwindigkeit für den Individualverkehr reduziert, auf LED-Beleuchtung umgestellt, bei Pflasterungen wasserdurchlässige Materialien verwendet und vieles mehr. Man sollte uns jetzt erst einmal arbeiten lassen. Ich weiß, dass wir agieren müssen.
Ist ein klimaneutrales Südtirol bis 2040, wie es im neuen Klimaplan festgeschrieben ist, wirklich realistisch?
Es ist ein ambitioniertes Ziel, das man nicht gesetzt hätte, wenn es nicht realistisch wäre. Wir müssen hart darauf hinarbeiten und die Menschen und die Wirtschaft mitnehmen. Denn wir wissen, dass eine gewisse Skepsis da ist. Die Politik muss Überzeugungsarbeit leisten und mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn wir konsequent arbeiten, sehe ich viele Chancen.
Bei welchen Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität wollen Sie jetzt besonders Gas geben?
Es ist zu schauen, wo man effektiv Emissionen vermeiden kann. Weiters ist das Potenzial im Bereich erneuerbare Energie zu nutzen – mit Wasserkraft, Fotovoltaik, Biomasse usw. Im Verkehr finden bereits viele Transformationsprozesse statt, die zu Emissionseinsparungen führen. Neben den technischen Innovationen müssen wir die Fahrradmobilität und öffentliche Mobilität fördern. Auch in den Betrieben gibt es einiges an Potenzial. Hier müssen wir sensibilisieren.
Sie haben auch die Wasserkraft angesprochen. Braucht Südtirol tatsächlich noch mehr Wasserkraftwerke?
Die Wasserkraft ist zwar grüne Energie, aber auch ein Belastungselement für die Natur. Wir sind an einem Limit angelangt und müssen sehr achtsam sein. Diesen Bereich muss ich noch genauer analysieren. Wir haben auch die Windkraft ins Koalitionsprogramm aufgenommen, wo es in Vergangenheit aber sehr viel Widerstand gegeben hat. Ein weiteres Thema ist das Pumpspeicherkraftwerk Ulten: Wenn wir die Menschen vor Ort in die Entscheidungsprozesse involvieren und ihnen einen gewissen Mehrwert garantieren können, sollte man solche Projekte zumindest prüfen und sie nicht partout ausschließen.
Sie befürworten also das geplante Pumpspeicherkraftwerk in Ulten, sofern die lokale Bevölkerung mitspielt?
Nur unter den genannten Konditionen. Da halte ich es wie der Landeshauptmann und vertrete den Standpunkt des Koalitionspapiers.
Sollten die Klimakleber härter bestraft werden?
Es handelt sich um einen Ausdruck des Gefühls – sie wollen auf sich aufmerksam machen. Das Manifestieren seiner Meinung ist für mich in Ordnung, solange es nicht auf Kosten der Sicherheit geht. Es steht mir nicht zu, zu bewerten, ob härtere Strafen nötig sind. Sensibilisierungsarbeit beim Klimaschutz finde ich jedenfalls gut, die gewählte Form ist mir aber teilweise zu extrem. Es gibt genügend andere Möglichkeiten. Diese Aktivisten müssen auch aufpassen, dass die Akzeptanz der Menschen für den Klimaschutz durch solche Maßnahmen nicht ins Negative umschlägt. Das wäre nicht gut, denn wir sollten uns alle mit einem positiven Spirit für den Umweltschutz einsetzen, um schnellstmöglich Erfolge zu erzielen.
Die Urbanistik hat in den vergangenen Jahren viel Verärgerung hervorgerufen. Sie sind der dritte Landesrat nach Richard Theiner und Maria Kuenzer, der am neuen Gesetz für Raum und Landschaft zu feilen hat, und bringen den Vorteil mit, ein ausgewiesener Fachmann in der Materie zu sein. Was läuft schief in der Raumordnung?
Ein neues Gesetz bringt anfangs immer Unruhe und Unsicherheit. Inzwischen ist das Gesetz angekommen und Anwendungsschwierigkeiten sind größtenteils beseitigt, sodass es umsetzbar ist. Zu den Grundsätzen – Schutz des Bodens, Reduzierung von Flächenverbrauch, Bewahrung des Orts- und Landschaftsbildes – stehen ja alle. Zudem sind sie mit dem Bereich Umwelt- und Klimaschutz 100-prozentig vereinbar. Andererseits muss noch eine gewisse Entwicklung zugelassen werden, etwa im Wohnbau für Einheimische. Zudem darf man sich wirtschaftlichen Aktivitäten nicht ganz versperren. Wichtig ist, dass die Verfahren für die Bürger verständlich und unbürokratisch sind, im Sinne von mehr Transparenz und Akzeptanz. Ein paar Dinge kann man sehr wohl noch ändern. Auch fehlt noch eine Reihe von Verordnungen, damit das Gesetz funktionieren kann. Zu reden ist etwa noch über den Kubaturbonus im landwirtschaftlichen Grün und über eine Erleichterung bei den Wintergärten, die ja helfen, Wohnraum zu schaffen. Ich habe mehrere Ideen im Kopf, zu denen ich mich nun mit den Mitarbeitenden in den Ämtern austauschen werde.
Am Gesetz für Raum und Landschaft soll also weiterhin gefeilt werden?
Jein. Kleinere Korrekturen wird es bei so einem Gesetz immer wieder brauchen, da in der Anwendung häufig Schwierigkeiten auftauchen. Über eine Arbeitsgruppe der Bürgermeister haben wir diese Schwachstellen stets der Landesverwaltung mitgeteilt, um sie zu optimieren. Solche Arbeitstische möchte ich weiterhin einsetzen, um im Dialog mit Bürgern, Experten und Gemeindeverwaltern das Gesetz bestmöglich zum Funktionieren zu bringen. Es macht keinen Sinn, sich über Probleme in der Anwendung zu ärgern. Vielmehr müssen wir gemeinsam Lösungen finden – ohne die Grundsätze zu verwässern.
Durch die Streichung einer Frist für die Abgrenzung der Siedlungsgebiete liegt ein zentraler Punkt der Neuerungen auf Eis. Die Gemeinden werden somit wohl keine Eile haben, ihre Entwicklungspläne auszuarbeiten und die Siedlungsgrenzen abzustecken, innerhalb der sich künftig die Bautätigkeit konzentrieren soll. Ist das kein Problem?
Nein. Die Gemeinden wollen ja autonom handeln – und durch die Entwicklungsprogramme mit den Siedlungsgrenzen nimmt ihre Autonomie zu, sodass sie an einer schnellen Umsetzung interessiert sind.
Ist Südtirol auf dem richtigen Weg, um Wohnen leistbarer zu machen – oder besteht noch Handlungsbedarf?
Die Durchführungsverordnung für die Wohnungen mit Preisbindung, die bald genehmigt wird, wird ein wichtiger Meilenstein. Zudem braucht es mehr sozialen Wohnraum, weshalb das Wohnbauinstitut vor allem bei den Sanierungen an Geschwindigkeit zulegen muss. Auch am privaten Wohnmarkt braucht es mehr Mietwohnungen, weil die Menschen immer mobiler sind und der Mietmarkt für sie eine Alternative zum Eigentum sein kann. Trotzdem sollte man die Förderung von Eigentum hochhalten, denn sie hat Südtirol wohlhabender und gesellschaftlich stabiler gemacht.
Kann die Politik das Ruder also noch herumreißen – sprich kann Wohnen wirklich leistbarer werden?
Das muss es! Wir müssen auf Wohnraum für Einheimische achten und Zweitwohnungen eindämmen. Zudem müssen wir dem Wobi Fördermittel bereitstellen und dessen Abläufe beim Bauen und Sanieren beschleunigen. Weiters haben wir zahlreiche freie Kasernenareale, für die wir Wohnmodelle andenken können. Und die Wohnungen mit Preisbindung könnten bis zu 30 Prozent günstiger als die Marktpreise sein. Auch wird die Wiedereinführung von zinslosen Darlehen überprüft, da die einmaligen Beiträge in der Wohnbauförderung nicht immer ausreichend sind.
Haben wir – in der Quantität – genug Tourismus?
Ja, auf alle Fälle. Das hat die Tourismusbranche auch selbst verstanden. Es gibt sehr viele Gebiete, die an ihrem Limit angekommen sind. In manchen unterentwickelten Zonen hingegen kann schon noch das ein oder andere Bett realisiert werden, wie es das Strategiepapier auch vorsieht. Wir haben gut daran getan, uns die Bettenobergrenze zu setzen, da die Akzeptanz der Bevölkerung wichtig für den sozialen Frieden und Ausgleich in Südtirol ist. Wir wissen um die Wichtigkeit des Tourismus für den Wohlstand im Land und für die anderen Wirtschaftssektoren, aber quantitativ haben wir ein Limit erreicht, das wir nicht mehr toppen sollten.
Sehen wir Sie in vier Jahren als Landeshauptmannkandidat?
(lacht) Wir haben den Landeshauptmann erst gewählt. Und ich habe in den nächsten Jahren genug zu tun in einem sehr interessanten Ressort voller Zukunftsthemen – mitunter auch den Sport –, bei denen ich versuchen werde, Akzente zu setzen. Ich möchte mit der Bevölkerung und besonders mit den Kritikern, die jetzt laut geworden sind, in den Dialog treten, um Südtirol gemeinsam in eine gute Zukunft zu bringen. Alles weitere steht in den Sternen.
Interview: Heinrich Schwarz
Dieses Interview ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: „Das Gesetz ist umsetzbar“
Info
Über Peter Brunner
Peter Brunner, studierter Jurist, war als Freiberufler in den Bereichen Vertragswesen, Immobilien und Urbanistik tätig, ehe er 2015 Bürgermeister von Brixen wurde. Schon zwischen 2005 und 2015 war er Stadtrat in Brixen und als solcher zuständig für Wirtschaft. Nach der Wahl des SVP-Wirtschaftskandidaten in den Landtag ist Brunner nun Landesrat für Raumordnung, Energie, Umwelt, Natur- und Klimaschutz sowie Sport.