Bozen – Seit Mittwoch vergangener Woche steht fest: In den USA können börsengehandelte Fonds (ETFs), mit denen direkt in Bitcoin investiert werden kann, an der Börse notiert werden. Lange hatte sich die amerikanische Börsenaufsicht dagegen gewehrt, nun hat sie ihre Zustimmung gegeben.
Die neuartigen Bitcoin-Fonds bilden den Preis der Kryptowährung ab. Investitionen in einen Bitcoin-ETF sind also vergleichbar mit dem Kauf von Bitcoin. Nur unkomplizierter. Denn die Währung muss nicht mehr wie bisher über ein Wallet oder über Kryptobörsen gekauft werden, vielmehr können Anleger:innen ganz einfach in einen ETF investieren. Aber widersprechen regulierte ETFs nicht dem Kerngedanken von Kryptowährungen, wonach diese nicht von Staaten reguliert werden? Unter anderem darüber hat die SWZ mit Alfred Taudes gesprochen. Er ist Kryptoökonom, forscht am Forschungsinstitut für Kryptoökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und lehrt sowohl an der WU als auch an der Kobe Universität in Japan.
SWZ: Herr Taudes, wie passen Bitcoin und ETFs zusammen?

Alfred Taudes: Auf den ersten Blick überhaupt nicht. Bitcoin wurden ja gestartet als Währung ohne Banken und ohne Staat. Jetzt kommt der größte Vermögensverwalter der Welt, BlackRock, und legt ein Wertpapier auf, das den Kurs des Bitcoins verfolgt. Auf der anderen Seite zeigt das, wie wandlungsfähig der Kapitalismus ist. Die Banken haben noch bis vor wenigen Jahren gegen den Bitcoin gewettert. Aber wenn sie merken, dass sie Geld verdienen können, dann ändern sie ihre Meinung.
Also widerspricht ein Bitcoin-ETF einem der Kernprinzipien von Bitcoin und Kryptowährungen im Allgemeinen, wonach diese nicht von Staaten reguliert werden?
Ja. Auch die normalen Kryptobörsen widersprechen dem schon. Auf der anderen Seite zwingt uns ja niemand, Bitcoin in Form von Bitcoin-ETFs zu halten. Ich kann Bitcoin weiterhin kaufen und sie sofort auf mein Wallet überweisen. Oder Bitcoin direkt austauschen. Deshalb ist ein ETF eine zusätzliche Möglichkeit, von der Wertsteigerung zu profitieren. Aber per se ist es tatsächlich ein Widerspruch.
Welche Vorteile hat ein Bitcoin-ETF im Vergleich zum Kauf von Kryptowährungen über zentralisierte Kryptobörsen?
Er ist für die breite Masse der Investoren schlicht und ergreifend bequemer. Schon durch die Exchanges (Online-Plattformen zum Kauf und Verkauf von Kryptowährungen und anderen digitalen Währungen, Anm. d. Red.) ist der Kauf von Bitcoin bequemer geworden, weil man die Euro einfach umtauschen kann und die Kryptowährung auf der Exchange lassen kann, und sich das Risiko, den Schlüssel – und damit den Zugang zu Bitcoin – zu verlieren, spart. Wenn die Kryptobörse halbwegs vertrauenswürdig war, dann hat das gut funktioniert. Der ETF wird nun noch bequemer. Das ist einfach ein zusätzliches Wertpapier im Portfolio.
„Ich glaube, längerfristig wird auch in Europa kein Weg daran vorbeiführen.“
Noch vor einigen Jahren meinte Larry Fink, der CEO des Vermögensverwalters BlackRock, Kryptowährungen seien eine „Währung zur Geldwäsche“, Ende 2023 bezeichnete er sie als „digitales Gold“. Wie erklären Sie sich diesen Sinneswandel?
Er hat offensichtlich gemerkt, dass er ein interessantes Geschäft verliert, wenn er bei seiner Meinung bleibt. Wir wissen aus unseren Untersuchungen, dass insbesondere junge Leute in Kryptowährungen investieren. In Österreich ist es so, dass ein Drittel der 20- bis 30-Jährigen Kryptowährungen hat. Das ist ein Marktsegment, das in Zukunft wachsen wird, das Vermögen bilden wird. Kryptowährungen also nicht zu beachten, wäre nicht sonderlich intelligent vonseiten BlackRocks. Der zweite Vorteil von Kryptowährungen ist, dass sie in der Vergangenheit nicht mit den anderen Assets korreliert haben. Das heißt, wenn ich sie dem Portfolio beimische, dann hat das einen sehr guten Effekt, weil die Varianz sinkt. Bisher hat man das nur mit weniger liquiden Assets machen können, wie z. B. Gold. Das macht es insbesondere für Vermögensverwalter interessant.
Wird Bitcoin nun salonfähig?
Sicher. Wenn man es kurz und knackig ausdrückt: Der BlackRock-ETF ist der Ritterschlag für den Bitcoin zum digitalen Asset. BlackRock ist der größte Vermögensverwalter der Welt. In Amerika verwendet ihn die breite Masse für die Pensionssicherung. Die Amerikaner sind dem Anlegen gegenüber viel offener als wir. Bei ihnen geht es um die Zukunft: Sie legen heute Geld an, das sie in 40 Jahren brauchen. Das Pensionssystem funktioniert nicht wie bei uns. Wenn BlackRock also Bitcoin empfiehlt, dann heißt das, dass das ein anständiges Asset ist. Und die Regulierungsbehörde hat das ja auch genehmigt.
„Es gibt ein beschränktes Angebot und zusätzliche Nachfrage. Wieso soll dann der Kurs runtergehen?“
Welche Auswirkungen wird der ETF auf den Kurs des Bitcoin haben? Ist nach dem Prinzip „Buy the rumour, sell the news“ von einem Kurssturz auszugehen, weil die Genehmigung nun erteilt wurde? Oder ist eher ein zusätzlicher Wertzuwachs zu erwarten?
Im Moment ist der Kurs etwa gleich geblieben, was tatsächlich dem Prinzip „buy the rumor, sell the news“ entspricht. Ich glaube auch nicht, dass er kurzfristig noch steigt. Aber mittelfristig erwartet jeder, dass die Kurse raufgehen, sobald die ETFs verkauft werden. Es gibt hohe Ziele, die derzeit kursieren, von denen manche sagen, der Bitcoin könne sie zu Jahresende erreichen – diese halte ich für überzogen. Aber ich glaube nicht, dass er an Wert verliert. Es gibt ein beschränktes Angebot und zusätzliche Nachfrage. Wieso soll dann der Kurs runtergehen? Und die ganzen Gefahren in Bezug auf die Regulierung hat nun die amerikanische Behörde weggeräumt. Aber man muss auch sagen: An der Börse passiert oft genau das, was man sich nicht vorstellen kann.
Sollten wir uns jetzt also alle Bitcoin zulegen?
Man muss sich damit beschäftigen, das steht fest. Die Marktkapitalisierung der Kryptowährungen ist immer noch relativ gering. Es ist ein Minderheitenthema. Auch ist in den Massenmedien oft Falsches berichtet worden. Das wird sicher noch eine Weile dauern, bis es die breite Masse betrifft.
Ihre Prognose ist aber, dass Bitcoin irgendwann Teil eines jeden Portfolios sein wird?
Bei den jungen Leuten sicher und auch bei den Menschen, die risikofreudig sind und dynamischere Portfolios haben. So wie Gold auch dabei ist.
In einer Analyse auf Zeit Online schreibt eine Autorin, dass „Bitcoin-Fonds als Teil des allgemeinen Finanzsystems zum Risiko für alle“ werden könnten. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Nein, ich glaube nicht, dass Bitcoin die Finanzmarktstabilität gefährdet. Das ist eine Aussage vergleichbar mit jener, wonach Bitcoin hauptsächlich zur Geldwäsche verwendet wird. Natürlich hatten wir in der Vergangenheit Situationen, in denen der Bitcoin innerhalb weniger Tage um 80 Prozent eingebrochen ist. Da ist aber nichts ins Wanken geraten. Was in solchen Situationen sicher passiert, ist, dass Spekulanten viel Geld verlieren. Den langfristigen Bitcoin-Investoren ist das hingegen vollkommen egal. Für die ist das die Zukunft des Geldes. Die haben aus solchen Einbrüchen gelernt, dass sich der Kurs wieder erholt. Die verkaufen nicht. Wirklich gefährlich werden solche Einbrüche, wenn sie auf die Realwirtschaft überschwappen. Dieses Risiko sehe ich bei Bitcoin nicht.
Ist es denkbar, dass solche ETFs künftig auch in der EU zugelassen werden?
Im Moment gibt es Statements, dass das nicht der Fall ist. Aber der Kapitalmarkt ist global. Wenn wir in Europa diese Instrumente nicht zulassen, dann heißt das, dass ich bei einer Investition in Europa potenziell einen geringeren Ertrag und ein höheres Risiko habe, weil mir ein Asset weniger zur Auswahl steht. Die wirklich Vermögenden sind alle bei Privatbanken oder speziellen Organisationen, die global aufgestellt sind. Und wenn die den BlackRock-ETF kaufen wollen, dann bekommen sie den, auch wenn es unser Finanzmarkt nicht genehmigt. Ich glaube, längerfristig wird auch in Europa kein Weg daran vorbeiführen.
Nicht nur der Bitcoin-Kurs, auch jener einer anderen Kryptowährung, Ethereum, ist kürzlich stark gestiegen. Wie erklären Sie sich das?
Die Anleger glauben jetzt, nachdem der Bitcoin-ETF genehmigt wurde, ist Ethereum der nächste Kandidat für einen ETF. Deshalb springen sie jetzt da rein. Bei Ethereum bin ich mir nicht sicher, ob er von der Regulierungsbehörde als ETF genehmigt wird. Denn dort wurde der Algorithmus umgestellt, von „proof of work“ auf „proof of stake“. Letzteres hat gewisse Eigenschaften, die die Aufsichtsbehörde in den USA sehr kritisch betrachtet. Ich glaube nicht, dass es jetzt, weil es einen Bitcoin-ETF gibt, bald auch einen Ethereum-ETF geben wird. Aber offensichtlich gibt es Investoren, die das glauben.
Bitcoin-Enthusiasten haben nicht nur auf die Zulassung des ETFs gewartet, jetzt blicken Sie auch dem nächsten Halving im April entgegen. Von dem Zeitpunkt an werden Miner für einen angehängten Block an die Bitcoin-Blockchain nur noch die Hälfte an Bitcoins erhalten, die sie bislang erhalten haben. Wird das den Kurs der Kryptowährung weiter steigen lassen?
Man weiß im Moment nicht, was genau die Kurssteigerung des Bitcoins erklärt, ob es die ETFs sind oder das Halving. Für das Halving ist es jetzt eigentlich noch zu früh. Irgendwann wird der Kurs wieder steigen, wann das aber genau ist, weiß man nicht.
Interview: Silvia Santandrea