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KI am Bau: Anwendungsgebiete, Chancen und Herausforderungen

SERIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (6) – Künstliche Intelligenz revolutioniert zahlreiche Branchen, darunter das Bauwesen. Sie kann die Sicherheit erhöhen, die Effizienz steigern und Fehler voraussagen. Ein Blick in das, was jetzt schon im Bauwesen mit KI möglich ist – und was künftig noch möglich sein wird.

Südtiroler Wirtschaftszeitung von Südtiroler Wirtschaftszeitung
7. Dezember 2023
in Technologie
Lesezeit: 5 mins read
Künstliche Intelligenz kann potenzielle Probleme wie Verzögerungen, Materialausfälle oder Arbeitskräfteschwankungen frühzeitig identifizieren. (Foto: Shutterstock / SOMKID THONGDEE)

Künstliche Intelligenz kann potenzielle Probleme wie Verzögerungen, Materialausfälle oder Arbeitskräfteschwankungen frühzeitig identifizieren. (Foto: Shutterstock / SOMKID THONGDEE)

Bozen – Das Bauwesen, ein Sektor, der traditionell als manuell und weniger technologieorientiert angesehen wurde, steht vor einer Renaissance durch künstliche Intelligenz (KI). Der rasante Fortschritt in der KI-Forschung und -Entwicklung hat bereits zu bahnbrechenden Anwendungen im Bauwesen geführt, angefangen bei der Planung bis hin zur Instandhaltung.

Diese innovative Technologie verfügt über die Fähigkeit, enorme Datensätze zu verarbeiten und daraus Erkenntnisse zu ziehen, die für den Menschen allein oft zu komplex wären. Insbesondere im Bauwesen, wo Präzision, Effizienz und Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind, erweist sich KI als von unschätzbarem Wert.

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Aktuelle Anwendungsgebiete von KI im Bauwesen

Die Revolution der KI im Bauwesen ist bereits jetzt nicht zu übersehen. Um jedoch das volle Ausmaß zu begreifen, müssen wir uns eingehender mit den konkreten Anwendungsgebieten und ihren Vorteilen auseinandersetzen. Werfen wir zuerst einen Blick auf die aktuell verfügbaren Lösungen und folgen dabei dem klassischen Ablauf des Bauprozesses.

KI-Systeme können potenzielle Schwachstellen oder Schäden identifizieren. Dies ermöglicht frühzeitige Interventionen und kann die Lebensdauer eines Gebäudes erheblich verlängern.

Eine der bedeutendsten Herausforderungen im Bauwesen besteht darin, den Umgang mit dem bestehenden Baubestand, sei es ein historisches Gebäude, das restauriert werden muss, oder eine moderne Struktur, die erweitert oder modifiziert werden soll, effektiv zu bewältigen. Die exakte Erfassung des Baubestands ist entscheidend. Hier bietet die künstliche Intelligenz innovative Lösungen, die bereits jetzt am Markt verfügbar sind.

Mittels LiDAR-Scannern können hochdetaillierte 3-D-Modelle des Baubestands erstellt werden, die als sogenannte Punktwolken bezeichnet werden. KI kann diese enormen Datensätze analysieren und nutzen, um genaue Informationen über den Baubestand zu extrahieren und somit den Planungs- und Renovierungsprozess erheblich zu optimieren. So kann neben der Volumenberechnung auch die automatische Erstellung von Geometriemodellen durchgeführt werden, die als Basis für BIM dienen.

Schäden erkennen

Ein weiterer faszinierender Aspekt liegt in der Erkennung von Bauwerksschäden im Baubestand. KI-Systeme können Bilder und Daten, die von Drohnen oder Handscannern erfasst wurden, analysieren und potenzielle Schwachstellen oder Schäden identifizieren, die dem menschlichen Auge möglicherweise entgehen würden. Dies ermöglicht frühzeitige Interventionen und kann die Lebensdauer eines Gebäudes erheblich verlängern.

Zudem kann KI in Papierform vorliegende Pläne des Baubestands scannen, interpretieren und digitalisieren. Dies erweist sich als besonders wertvoll bei der Restaurierung von Denkmälern oder bei Umbauarbeiten an älteren Gebäuden, deren Originalpläne oft nur in Papierform vorliegen und schwer zu interpretieren sind. KI kann diese Dokumente nicht nur digitalisieren, sondern auch nahtlos in moderne Architektursoftwares integrieren, wodurch die Planung und Umsetzung von Projekten im Baubestand erheblich vereinfacht wird.

Dank KI-gesteuerten Algorithmen könnten Baufirmen in der Lage sein, Ausfälle und Versäumnisse vorherzusagen, bevor sie überhaupt auftreten.

Generatives Design ist bereits ein fester Bestandteil in der Welt der Architektur und des Ingenieurwesens. Es erlaubt eine Vielzahl von Entwurfsvarianten zu erstellen, die auf vorgegebenen Parametern und Optimierungszielen basieren. Dies eröffnet Architekten und Architektinnen sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren einen erweiterten Horizont an gestalterischen Möglichkeiten. In der Planungsphase ist dies besonders nützlich, da es ermöglicht, bevor ein erster Spatenstich getätigt wird, spezifische Kriterien wie Materialkosten, Energieeffizienz, Raumnutzung und Ästhetiken in ein generatives Design-Tool einzugeben. Das System generiert daraufhin mehrere Entwurfsvarianten, die den festgelegten Kriterien entsprechen. Dies kann Hunderte oder sogar Tausende von verschiedenen Lösungen umfassen, je nach Komplexität des Projekts.

Für Ingenieure und Ingenieurinnen ist dieses Tool insbesondere bei der Entwicklung von komplexen Strukturen oder Systemen wertvoll. Beispielsweise kann eine Ingenieurin, die eine Brücke plant, spezifische Windresistenzen und Materialien als Input verwenden. Das System generiert dann mehrere optimierte Brückendesigns, die die vorgegebenen Anforderungen erfüllen.

Ineffizienzen und Designfehler minimieren

Einer der größten Vorteile dieses Ansatzes ist die Optimierung: Da das System automatisch Entwürfe basierend auf den besten verfügbaren Daten generiert, können Ineffizienzen und Designfehler minimiert werden. Dies spart nicht nur Zeit und Geld, sondern kann auch zu nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Bauten führen. Jedoch ist es wichtig zu betonen, dass der menschliche Aspekt nicht vernachlässigt werden sollte. Generatives Design ist ein Werkzeug, und es erfordert die Fachkompetenz und Intuition von Fachleuten, um die vom System vorgeschlagenen Lösungen zu bewerten und anzupassen. Es erweitert das kreative Potenzial, ersetzt jedoch nicht die kritische menschliche Beurteilung.

Weitere Fortschritte durch KI konnten in den letzten Jahren im Bereich von realistischen Renderings erzielt werden, die zudem in Echtzeit erzeugt werden können. Damit können qualitativ hochwertige Präsentationsunterlagen schneller erstellt werden.

Der Einsatz von KI in der Ausschreibungsphase und in der Bauumsetzung ist noch wenig weit fortgeschritten, obwohl hier großes Potenzial liegt.

Was steht uns bevor?

In den kommenden Jahren werden bahnbrechende Entwicklungen in der KI das Bauwesen nachhaltig verändern und modernisieren. Einige der zu erwartenden Innovationen umfassen die Vorhersage von Bauausfällen. Dank KI-gesteuerten Algorithmen könnten Baufirmen in der Lage sein, Ausfälle und Versäumnisse vorherzusagen, bevor sie überhaupt auftreten. Durch die Analyse von Daten aus vergangenen Projekten in Kombination mit der aktuellen Baustellenperformance kann KI potenzielle Probleme wie Verzögerungen, Materialausfälle oder Arbeitskräfteschwankungen frühzeitig identifizieren. Dies würde nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern auch die Effizienz und Qualität von Bauprojekten erheblich steigern.

Durch die Analyse von Baustellendaten in Echtzeit könnte KI potenzielle Sicherheitsrisiken erkennen und Warnungen ausgeben, noch bevor Menschen ein Risiko erkennen.

Ein weiterer aufkommender Bereich ist der intelligente Einsatz von Robotik. Es wird erwartet, dass zukünftige Roboter in der Lage sein werden, komplexe Aufgaben autonom auszuführen, von der Installation von Bauelementen bis hin zur automatisierten Inspektion von Strukturen. Daneben wird auch die Einführung von KI in das Supply-Chain-Management erwartet, wodurch Materialien effizienter und zum richtigen Zeitpunkt an Baustellen geliefert werden können. Dies könnte Engpässe verhindern und sicherstellen, dass Projekte nicht aufgrund fehlender Ressourcen verzögert werden.

Ein besonders spannender Fortschritt könnte auch im Bereich des Entwurfs und der Planung erzielt werden. Wir haben bereits generatives Design erlebt, aber KI könnte den Entwurfsprozess noch weiter verfeinern, indem sie komplexe Berechnungen und Analysen durchführt und die Planung optimiert.

Auch die Optimierung von Sicherheitsprotokollen bietet eine Chance. Durch die Analyse von Baustellendaten in Echtzeit könnte KI potenzielle Sicherheitsrisiken erkennen und Warnungen ausgeben, noch bevor Menschen ein Risiko erkennen.

Die Integration all dieser Technologien wird nicht nur die Art und Weise revolutionieren, wie Bauvorhaben geplant, durchgeführt und überwacht werden, sondern auch die Sicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit von Bauprojekten auf ein völlig neues Niveau heben.

Herausforderungen und Risiken

Die Nutzung von KI im Bauwesen bringt Herausforderungen mit sich. Zu den Hauptanliegen gehören Datensicherheit und Datenschutz, da immer mehr Sensoren und Geräte zum Einsatz kommen. Die Gefahr der Überregulierung und zu starken Technologieabhängigkeit besteht, wodurch menschliche Intuition in den Hintergrund geraten könnte. Zudem wirft der Einsatz von KI ethische Fragen auf, insbesondere in Bezug auf Maschinenentscheidungen und Arbeitssicherheit. Die Vorteile überwiegen jedoch und Branchenführer, Technologieanbieter und Regierungen müssen eng kooperieren, damit die KI sicher und effizient in das Bauwesen integriert werden kann.

Der Einsatz von KI im Bauwesen ist mehr als nur eine technische Neuerung; er repräsentiert eine tiefgreifende Veränderung in der Art und Weise, wie wir bauen und unsere physische Umwelt gestalten. Während die Vorteile verlockend sind, dürfen wir nie vergessen, den Fortschritt in diesem Bereich kritisch zu begleiten. Es obliegt uns allen, sicherzustellen, dass diese Technologie zum Wohl der Gesellschaft und nicht zu ihrem Nachteil eingesetzt wird. Forschung und Entwicklung muss objektiv sein, um ethischen Konflikten vorzubeugen. Es ist unerlässlich, sich ständig weiterzubilden und sich an die sich rasant entwickelnde Technologie anzupassen. Mit einem wachsamen Auge und dem Willen zur Zusammenarbeit können wir eine Zukunft schaffen, die sowohl technologisch fortgeschritten als auch ethisch verantwortungsbewusst ist – und damit eine Renaissance im Bauwesen einläutet.

Dietmar Siegele

DER AUTOR ist Abteilungsleiter beim Forschungsinstitut Fraunhofer Italia. Sein zehnköpfiges Team beschäftigt sich mit dem digitalen und nachhaltigen Bauen im Bereich Forschung und Entwicklung. Es unterstützt lokale KMUs in der Konzipierung und Umsetzung von neuen Produkten, internen Tools und Prozessen im Bereich des Bauwesens.

DIE SERIE Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Sie könnte unsere Art zu leben und zu arbeiten maßgeblich verändern. Doch was kann man sich unter KI konkret vorstellen? Um diese komplexe Materie und deren Potenziale zu beleuchten, veröffentlicht die SWZ mehrere Artikel verschiedener KI-Fachleute. Es geht u. a. um Deep Learning, um KI-gesteuerte Robotik sowie um den Einsatz von KI in Industrie und Bauwesen. Alle Artikel der Serie finden Sie hier. 

Schlagwörter: 47-23free

Ausgabe 47-23, Seite 16

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