Bozen – In den nächsten Wochen werden die Südtiroler Gemeinden den Bürgern die Vorausberechnung der für das erste Semester 2023 geschuldeten Gemeindeimmobiliensteuer Gis übermitteln. Die erste Rate dieser Steuer ist, wie üblich, bis Freitag, 16. Juni 2023, zu entrichten. Die Zahlungen für die Einkommensteuern Irpef und Ires sowie die Wertschöpfungssteuer Irap sind hingegen bis Freitag, 30. Juni 2023, zu leisten. Bei der Gis ist allerdings zu beachten, dass im Gegensatz zu den Einkommensteuern der Aufschub von 30 Tagen mit dem Aufschlag von 0,4 Prozent nicht möglich ist.
Es gibt verschiedene Neuerungen
Für heuer kommen erstmals die Steuererhöhungen für leerstehende Wohnungen und Zweitwohnungen in den Gemeinden mit Wohnungsnot zur Anwendung, die letztes Jahr mit dem Landesgesetz vom 20. April 2022 eingeführt wurden (LG Nr. 3/2022). Eine höhere Besteuerung gilt auch für Baugrundstücke, allerdings erst ab 2026, und für die Baugrundstücke in den Gewerbezonen erst ab 2033. Im Landesgesetz sind auch einige andere Neuerungen enthalten, die bereits letztes Jahr anzuwenden waren. Sie betreffen im Wesentlichen die Hauptwohnung, eine erweiterte Definition für die Baugrundstücke und die Gemeinschaftsräume in Kondominien. Die restlichen Gis-Bestimmungen bleiben im Wesentlichen unverändert.
In Bezug auf die Hauptwohnung sind zwei wesentliche Neuerungen zu berücksichtigen. Die erste betrifft die Einschränkung, wonach die Begünstigung nur für eine einzige Wohnung in der Familie beansprucht werden kann. Bislang galt dies nur für die in Südtirol belegenen Wohnungen. Nun wird die Einschränkung auf das gesamte Staatsgebiet ausgedehnt.
Die zweite Änderung ergibt sich aus einem Urteil des Verfassungsgerichtes vom September des letzten Jahres (Urteil Nr. 209/2022 vom 12. September 2022). In diesem Urteil wird die frühere Regelung beanstandet, wonach bei einer Familie, deren Mitglieder den meldeamtlichen Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt in zwei verschiedenen Wohnungen in ihrem Eigentum auf dem Staatsgebiet haben, die Befreiung für die Hauptwohnung nur für eine der Wohnungen der Familie zusteht. Das Verfassungsgericht hat diesbezüglich festgestellt, dass für die Befreiung für die Hauptwohnung allein auf den Besitzer der Wohnung und nicht auf die Familie abzustellen ist. Die Befreiung steht also zu, wenn der Besitzer allein dort seinen meldeamtlichen Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt besitzt. Eine Befreiung kann z. B. auch der Ehefrau oder dem Ehemannzustehen, wenn diese:r anderswo auf dem Staatsgebiet eine zusätzliche Wohnung besitzt, in der sie oder er den meldeamtlichen Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Es handelt sich hier nicht um einen Freibrief für die Zweitwohnungen, um für diese die Befreiung zu erlangen. Es dürfte sich um seltene, besondere Situationen handeln. Der Sachverhalt kann sich im konkreten für Familien ergeben, in denen einer der Ehepartner aus Arbeitsgründen in einer anderen Stadt lebt und dort eine Wohnung besitzt und am Wochenende zur Familie zurückkehrt. Die Gemeinden sind laut dem erwähnten Urteil angehalten, die ihnen zustehenden Kontrollmöglichkeiten anzuwenden, um den gewöhnlichen Aufenthalt der jeweiligen Personen zu prüfen und um Missbrauch zu vermeiden.
Entsprechend wurde daher der Begriff der Hauptwohnung gesetzlich angepasst (Art. 4 LG Nr. 16/2022). Als solche gilt jetzt – ohne Bezug auf die Familie – die Wohnung, in welcher der Besitzer oder die Besitzerin den gewöhnlichen Aufenthalt und den meldeamtlichen Wohnsitz hat.
Der erhöhte Satz in Gemeinden mit Wohnungsnot
In den 21 Gemeinden mit Wohnungsnot (vgl. die beistehende Tabelle) wird für die leerstehenden oder zur Verfügung stehenden Wohnungen der Steuersatz auf 2,5 Prozent erhöht. Als zur Verfügung stehend gelten nach reinem Beamtendeutsch „alle jene Wohnungen, für welche das LG Nr. 3/2014 i.g.F. beziehungsweise die Gemeinde mit der Verordnung keine begünstigten Steuersätze vorgesehen haben, und all jene Wohnungen, für welche die Gemeinde mit der Verordnung nicht die Anwendung des ordentlichen Steuersatzes für einen oder mehrere Tatbestände vorgesehen hat“. In der Praxis handelt es sich hauptsächlich um die leerstehenden und um die Zweitwohnungen.
Die Erhöhung gilt aber kulanterweise erst ab dem dreizehnten Monat nach jenem, ab welchem für den Eigentümer für die betreffende Wohnung die Steuerpflicht entstanden ist. Bei Erbschaften gilt die Erhöhung erst ab dem fünfundzwanzigsten Monat nach Ableben des Erblassers. Die Wohnung kann also ein bzw. zwei Jahre leerstehen, bevor die Erhöhung greift.
Grundregeln bleiben unverändert
Wie einleitend bereits erwähnt, werden die Gemeinden, wie in den letzten Jahren, den Bürgern eine Mitteilung mit der Vorausberechnung der geschuldeten Steuer sowie ein Informationsblatt mit dem Zahlungsvordruck F24 zusenden. Es enthält eine Aufstellung über den der Gemeinde bekannten Stand der Liegenschaften, deren Qualifikation für die Gis–Berechnung und die geschuldete Steuer. Anhand dieser Übersicht kann man die Steuerberechnung mit den jeweiligen Steuersätzen, den entsprechenden Erhöhungen sowie den zustehenden Freibeträgen und Verminderungen nachvollziehen. Man sollte den aufgezeigten Sachverhalt und den der Gemeinde bekannten Stand über die eigenen Liegenschaften genau prüfen, um sich gegebenenfalls die etwaigen Abweichungen korrigieren zu lassen.
Die von der Gemeinde vorausberechnete Steuer ist nicht verbindlich. Haben sich im ersten Semester 2023 Änderungen am Bestand der Liegenschaften (z. B. Neuerwerb, Verkauf) oder an den entsprechenden Steuertatbeständen (z. B. Änderung des Hauptwohnsitzes, Zweitwohnung, Nutzungsleihe, Mietvertrag) ergeben, ist die Berechnung an den geänderten Sachverhalt anzupassen.
Dies kann sich insbesondere bei Änderungen in den letzten Monaten ergeben, zumal sich die Berechnungen in der Regel auf den der Gemeinde bekannten Stand von Ende April stützen. Alle nachträglichen Änderungen, die sich auf die Höhe der Steuer auswirken, müssen aber trotzdem berücksichtigt werden. Die entsprechende Verantwortung und Haftung liegen allein bei den Steuerzahlenden.
Abgesehen von den erwähnten Erwerben und Verkäufen können sich Änderungen auch durch eine Wohnsitzverlegung oder eine Nutzungsleihe ergeben. Die Gemeinden haben diese Änderung in der Regel in der Vorausberechnung nicht berücksichtigen können, weil diese nicht aus dem Gebäudekataster hervorgehen. Die Bürger müssen sich also selbst um die Neuberechnung kümmern. Man sollte dies möglichst im Vorhinein mit dem Steueramt der Gemeinde abklären, um Anfragen im Nachhinein zu vermeiden.
Um verschiedene Erleichterungen und Begünstigungen beanspruchen zu können, hat man schließlich bei der zuständigen Gemeinde eine Ersatzerklärung oder eine Kopie des registrierten Mietvertrages vorzulegen. Die bereits früher eingereichten Unterlagen bleiben weiterhin gültig, solange sich der Sachverhalt nicht ändert. In der Regel gilt als Abgabefrist der 30. Juni des Folgejahres (für Änderungen im Jahr 2022 sind also die Unterlagen bis 30. Juni 2023 einzureichen). Einige Gemeinden haben jedoch abweichende Fristen festgelegt, um die Änderungen vorab in der Vorausberechnung berücksichtigen zu können.
Weitere Informationen bei den Gemeinden
Einzelheiten und weitere Informationen über die in den einzelnen Gemeinden geltenden Steuersätze, Steuerabsetzbeträge und Erleichterungen können dem erwähnten Begleitschreiben der Gemeinde oder aus den Websites der jeweiligen Gemeinden entnommen werden. Weitere Informationen erhält man auch über die Website des Landes, Abteilung örtliche Körperschaften (https://www.provinz.bz.it/verwaltung/oertliche-koerperschaften/gemeinden/steuersaetze-verordnungen-beschluesse-gemeinden.asp).
Besonders aufschlussreich sind die „tabellarischen Zusammensetzungen“, in denen die verschiedenen Steuersätze für die unterschiedlichen Sachverhalte für alle Gemeinden einheitlich dargestellt werden. So findet man z. B. unter Position 1 die Regeln und den Steuersatz für die Hauptwohnung, unter Position 10 den etwaigen erhöhten Satz in Gemeinden mit Wohnungsnot, unter Position 11 die Beschreibung und den Steuersatz für die Wohnungen in Nutzungsleihe an Verwandte, oder unter Position 22 die Wohnungen, die als Sachbezug den Arbeitnehmenden gewährt werden. Es sind hier auch die für den jeweiligen Fall vorgesehenen Voraussetzungen und die erforderlichen Unterlagen angeführt.
Nicht zu vergessen sind schließlich die Liegenschaften auf dem restlichen Staatsgebiet außerhalb der Landesgrenzen und dem Trentino. Dort sind innerhalb der gleichen Fristen die Anzahlungen für die staatliche Gemeindeimmobiliensteuer IMU zu leisten. Die geschuldeten Steuern sind in der Regel selbst zu berechnen.
Die Imu-Verordnungen aller italienischen Gemeinden können über die Website der Finanzverwaltung heruntergeladen werden (https://www1.finanze.gov.it/finanze2/dipartimentopolitichefiscali/fiscalitalocale/nuova_imu/dati/download.htm?anno=2023).
Die Steuersätze der Gemeinden sind in der Regel auch auf der Homepage der jeweiligen Gemeinde veröffentlicht.