Bozen – Mit unzähligen Themen hat sich die Landesregierung bei ihrer zweitägigen Klausur im verschneiten Rein in Taufers beschäftigt, unter anderem mit der Wirtschaftsförderung. Landesrat Thomas Widmann sei beauftragt worden, eine Regelung auszuarbeiten, um die verfügbaren Geldmittel auf Schwerpunkte zu konzentrieren, diktierte Landeshauptmann Luis Durnwalder nach der Klausur den Journalisten in die Blöcke. Schwerpunkte? Alles schon gehört. Bei der jüngsten Reform der Wirtschaftsförderung im Jahr 2007, damals noch unter Landesrat Werner Frick, wurde die Konzentration auf Schwerpunkte als zentrale Neuheit hervorgehoben. Jetzt klang es in einer Aussendung des Landespresseamtes so, als werde nach wie vor in der Wirtschaftsförderung alles und jeder mit der Gießkanne beglückt und als habe die Landespolitik 2007 eine Nicht-Reform als Reform verkauft. „Weg von einer ganzen Menge an Klein- und Kleinstbeiträgen“ wolle die Landesregierung gehen, stand da zu lesen. Dabei wissen Wirtschaftstreibende, dass es heute längst nicht mehr für alles einen Beitrag gibt, was noch vor einigen Jahren gefördert wurde.
Unterm Strich geht es wohl darum, die Förderung weiter zu straffen. Thomas Widmann soll sozusagen die Schwerpunkte der Schwerpunkte ausfindig machen, und zwar – Detail am Rande – für die Förderung der Sektoren Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungen. Nicht betroffen ist der Tourismus, für den eigene Förderkriterien gelten und wo nach einem zweijährigen, weitgehenden Förderstopp die Beiträge laut Landesrat Hans Berger möglicherweise noch heuer wieder zu fließen beginnen.
Dass die Wirtschaftsförderung neuerlich durchforstet wird, macht durchaus Sinn. Obwohl schon 2007 der Gießkanne ein paar Löcher gestopft wurden, betreiben die Unternehmen nach wie vor viel bürokratischen Aufwand, um für irgendwelche förderungswürdigen Vorhaben ein paar Tausend Euro vom Land abzuholen – und die Landesverwaltung betreibt viel Aufwand, um die Ansuchen zu kontrollieren und die paar Tausend Euro zu überweisen. Aus Durnwalders Mund klingt dies folgendermaßen: „70 bis 80 Prozent aller Beiträge in diesem Bereich bleiben unter der 20.000-Euro-Marke. Und ich glaube kaum, dass ein solcher Beitrag über Wohl und Wehe eines Betriebs entscheidet.“
Durnwalder hat recht, zumindest in den meisten Fällen. Ähnlich könnte, nein sollte aber auch in anderen Bereichen argumentiert werden, in denen Landesbeiträge ebenfalls munter fließen. Wird es aber nicht. Aussprüche wie „Das Geld reicht einfach nicht mehr, um jede Kleinigkeit zu fördern“ – so begründete Durnwalder in Rein in Taufers die Notwendigkeit einer stärkeren Schwerpunktförderung – werden bisher nur im Zusammenhang mit der Wirtschaftsförderung getätigt. Dabei wäre das Beitragswesen, an das sich die Südtiroler so gewöhnt haben, ganz grundsätzlich zu überdenken, weil die Umverteilung von Steuergeld vielfach keine echten Akzente setzt, sondern lediglich den „Sympathiewerten“ des verteilenden Politikers dient.
Zwei Beispiele seien genannt. Beispiel eins: Macht ein Familiengeld Sinn, das Südtirols Eltern für jedes Kind bis zu drei Jahren 100 Euro monatlich aufs Bankkonto spült und entsprechend viel Verwaltungsaufwand, sprich -kosten verursacht? Für Bedürftige sind 100 Euro zu wenig, für Wohlhabendere lediglich ein Zuckerle, das sie gerne nehmen, aber nicht brauchen. Beispiel zwei: Hat eine Wohnbauförderung noch Berechtigung, bei der sich die Schere zwischen Beiträgen und Wohnungspreisen in den letzten Jahren stetig geöffnet hat? Der Preis für das Eigenheim liegt in Südtirol jenseits der 300.000-Euro-Marke, der höchstmögliche Verlustbeitrag beträgt 67.392 Euro, und in dieser Höhe fließt er nur im Falle eines niedrigen Einkommens, etwa bei einem bereinigten Einkommen von 20.700 Euro – mal ehrlich, wer kann mit so einem Einkommen wirklich aus eigener Kraft die Differenz finanzieren? Abgesehen davon ist es ein offenes Geheimnis, dass die Wohnbauförderung die Preise am Wohnungsmarkt treibt. Ist das sinnvoll?
Es wäre an der Zeit, dass Südtirol all seine Förderungen – wirklich alle – unvoreingenommen überprüft. Finanzlandesrat Roberto Bizzo hat im Herbst versprochen, es tun zu wollen. „Subventionen machen dort Sinn, wo sie Entwicklungen anschieben bzw. steuern“, meinte er damals im Gespräch mit der SWZ. Sie machen in Bizzos Augen keinen Sinn, wo sie „nur“ mitgenommen werden, nach dem Motto „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“. Es wird sich zeigen, ob das dienstjüngste Mitglied der Landesregierung seine Ankündigung weiterverfolgt – und ob dafür politische Mehrheiten zu finden sind.
Die Wohnbauförderung und andere Subventionen gelten in Südtirol als heilige Kühe. Wer sie infrage stellt, wird schnell als unsozial abgestempelt. Dabei ist ein Hinterfragen der Förderungen keineswegs gleichbedeutend mit sozialem Kahlschlag, genauso wenig wie es in der Wirtschaftsförderung um Kahlschlag geht. Vielmehr geht es darum, die verfügbaren (Steuer-)Gelder möglichst zielgenau, sinnvoll, effektiv und nutzenstiftend einzusetzen.