Sarnthein/Köln – „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) ist die größte deutsche Start-up-Show. Mehrere Hunderte Gründerinnen und Gründer haben seit Beginn der Sendung 2014 vor den fünf Löwen gepitcht, wie die erfolgreichen Geschäftsleute – zugleich die potenziellen Investorinnen und Investoren – genannt werden. Einer von ihnen war der Pusterer Georg Kofler. Wäre er noch Teil der Jury, hätte er für die aktuelle Staffel das erste rein Südtiroler Start-up im Kölner Studio begrüßen können. Bereits vor einem Jahr, im März 2023, fand die Aufnahme statt. Anschließend hieß es, absolutes Stillschweigen bewahren. Erst vergangene Woche durften die Gründer öffentlich über ihre Teilnahme sprechen.
Wie ein Zauberwürfel
Ihr Produkt erinnert auf den ersten Blick an einen Zauberwürfel. Bunte Felder, dazwischen schwarze Linien. Doch anders als beim „Rubik’s Cube“ kommt der „Boulderball“ mit kleinen Fünfecken und größeren Sechsecken daher, die sich zu einem Ball zusammenfügen. Diese Griffe haben entweder eine hervorstehende Struktur oder sind Vertiefungen. Ziel ist es auch nicht, sie nach Farben zu sortieren, sondern die eigene Fingerfertigkeit zu trainieren – oder einfach Spaß zu haben. Der Boulderball ist handlich klein und kann überall mitgenommen werden. Nach der Lieferung muss man ihn aber zuerst selbst zusammenbauen – die erste Herausforderung, die Konzentration und Geschicklichkeit fördern soll.
Die Begegnung mit dem Designer Martin Oberhauser vom studiooberhauser brachte schließlich die Wende. Er entwickelte das heutige Produktdesign des Boulderballs.
Anschließend nimmt man den fertigen Ball zur Hand und eine von zehn Routenkarten. Sie entsprechen verschiedenen Schwierigkeitsstufen und bilden eine genaue Grifffolge ab. Ziel ist es, die gesamte Grifffolge im Auf- und Abstieg zu bewältigen, ohne dass der Ball zu Boden fällt. Für den Beginn des Spiels hält man den Ball an den ersten beiden angegebenen Griffen hoch. Anschließend arbeitet man sich mit den Fingern Griff für Griff entlang der Route nach „oben“ und dann wieder nach unten. Erfolgreich ist, wer den Auf- und Abstieg schafft, ohne dass der Ball abstürzt.
Die Köpfe hinter der Idee

So viel zur Idee bzw. zum Produkt. Bei DHDL wird die Jury nie müde zu betonen, dass die Köpfe dahinter genauso wichtig sind. Im Falle von Boulderball sind das die Cousins Dieter Kofler und Joachim Ganthaler – beide Sportbegeisterte. Kofler war professioneller Bobfahrer und studierte parallel dazu Sportwissenschaften, als er mit Mitte 20 einen Bandscheibenvorfall erlitt. Aufgrund dieser Erfahrung ließ er sich zusätzlich zum Rückenexperten ausbilden. Fortan unterrichtete er Sport und Bewegung in verschiedenen Mittelschulen, zuletzt in Sarnthein. Nebenbei gründete er sein erstes Unternehmen, komovo. Dieses stellt die Rückengesundheit in den Mittelpunkt, unter anderem mit dem Rückenentlastungsgerät tendo.
Der zwei Jahre jüngere Ganthaler hingegen betreibt einen Campingplatz samt Tennisplätzen in Vilpian, wo er das Training für verschiedene Altersklassen leitet. Kofler beschreibt ihn als „Tüftler seit jeher“ und „sehr kreativ“. So war es Kofler, der den Input vorbrachte, ein Spiel bzw. ein Trainingsgerät für Kletterbegeisterte zu entwickeln, und Ganthaler, der eine passende Idee lieferte. Der Prozess dauerte freilich Jahre, „ungefähr zehn, mit Unterbrechungen“, erinnert sich Ganthaler. Ein Prototyp aus Holz musste wieder verworfen werden, weil er nicht für die Massenproduktion taugte. Die Begegnung mit dem Designer Martin Oberhauser vom studiooberhauser brachte schließlich die Wende. Er entwickelte das heutige Produktdesign des Boulderballs.
Eine Million Euro Umsatz 2023
2020 erfolgte die Gründung des Unternehmens Climball mit Sitz in Sarnthein. 2022 kam der Boulderball – nach einer coronabedingten Verzögerung – auf den Markt. Im selben Jahr gewann es den European Product Design Award in Budapest. Im vergangenen Jahr verkauften die Cousins bereits 40.000 Stück und machten einen Umsatz von einer Million Euro. Für heuer erwarten sie eine Verdoppelung beider Kennzahlen. Der größte Absatzmarkt ist Deutschland gefolgt von den Niederlanden, Frankreich, Italien und Österreich.
Herstellen lassen sie ihr Produkt per Spritzgussverfahren in einem kleinen Familienunternehmen in Tione di Trento, das fast nur noch für die Südtiroler produziert. Vor Kurzem kaufte es neue Maschinen an, wodurch die potenzielle Kapazität auf 100.000 bis 200.000 Stück pro Jahr gestiegen ist. In Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen wurden zudem die Prozesse optimiert. Da der Ball aus mehr als 40 Einzelteilen besteht, die alle einzeln per Hand verpackt werden müssen, lag die Fehlerquote bei zwei bis drei Prozent. „Jetzt sind wir bei einem Prozent“, erklärt Kofler. Eine passende Automatisierungslösung konnte noch nicht gefunden werden, die Suche danach steht aber auf der Agenda.
Es läuft, könnte man zusammenfassen. Das war nicht immer so. „Anfangs hatten wir große Schwierigkeiten, eine Bank zu finden, die an unsere Idee glaubt und uns einen Kredit gewährt. Es war frustrierend und wir waren enttäuscht.“ Schließlich fand sich doch das passende Geldinstitut. Eine große Hilfe sei zudem eine Förderung im Bereich Innovation gewesen.

Eineinhalb Stunden in der Höhle der Löwen
Kofler arbeitet mittlerweile Vollzeit im Unternehmen, Ganthaler ist in Teilzeit zuständig für die Produktentwicklung. Das Team komplettiert Koflers Frau, Gertraud Lantschner, die sich um Marketing, Social Media, Kundenservice und Versand kümmert. Sie war es auch, die Kofler nach Köln in die Höhle der Löwen begleitete, da Ganthaler aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Angemeldet hatten sich die Gründer im November 2022, Ende Dezember folgte die Einladung des Senders in die nächste Auswahlrunde. Im Frühling machten sich Kofler und Lantschner auf den Weg. Drei Tage blieben sie in der Domstadt. Der Drehtag selbst begann bereits um 6 Uhr morgens mit mehreren Briefings. Einzelne der Start-ups wurden für Aufnahmen im Außenbereich ausgewählt, die in der Sendung vor dem eigentlichen Pitch zu sehen sind. Auch Kofler und Lantschner waren darunter. Bei zwei Grad plus verharrten sie eine Stunde im T-Shirt vor der Kamera und standen Rede und Antwort. „Das Outfit muss eben dasselbe wie später im Studio sein“, erklärt Kofler.
Sein Aufregungslevel vor dem Betreten der Höhle? „Bei 200 bis 300 Prozent.“
Im Studio selbst gab es einen Testlauf. Das Team der Sendung erklärte die Abläufe, wer am besten wo steht und wohin geht. Und dann folgte das, was wir in gekürzter Fassung im TV sehen: der Pitch. Eineinhalb Stunden dauerte die Präsentation mit anschließender Fragerunde der Jury. Am Montag auf VOX zu sehen gibt es davon 15 bis 20 Minuten. „Sie waren alle sehr zuvorkommend und professionell“, betont Kofler. Sein Aufregungslevel vor dem Betreten der Höhle? „Bei 200 bis 300 Prozent“, lacht er. „Sobald man durch die Tür ist und zu reden beginnt, ist der Fokus aber voll da“, ergänzt der Gründer. Zum Ergebnis darf er noch nichts sagen. Wer wissen will, ob es zu einem Deal gekommen ist, muss sich bis Montagabend gedulden.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: „Eine Kletterwand to go“.