Bozen – Dass Thomas Widmann Kommunikationstalent besitzt, ist hinlänglich bekannt. Vor ziemlich genau einem Monat hat er diesem Ruf wieder einmal alle Ehre gemacht. Nach sechsmonatiger Zurückhaltung erklärte der Gesundheitslandesrat bei gleich vier Pressekonferenzen in den Krankenhäusern von Bozen, Schlanders, Sterzing und Innichen, was er in der Sanität vorhabe. Wo die eigenen Akzente beginnen und wo die Fortführung der Impulse von Vorgängerin Martha Stocker aufhört, erschloss sich nicht auf den ersten Blick. Aber es gelang Widmann meisterhaft, den Journalisten ein Bild zu vermitteln, wonach mit ihm ein neues Kapitel aufgeschlagen werde und er in den sechs Monaten Einarbeitungszeit die richtigen Antworten auf die großen Sanitätsfragen gefunden habe. Es gelang ihm, den Ton in der medialen Berichterstattung von „In der Sanität ist alles schlecht“ in „Das Meiste ist gut, und der Rest wird sich bessern“ zu drehen.
Unabhängig davon, ob Widmann nun wirklich als der bessere Gesundheitslandesrat als Martha Stocker und Richard Theiner in die Geschichte eingehen wird, ist diese Stimmungswende schon einmal eine ganze Menge wert. Wenn die Bürger immer nur die schlechten Nachrichten über die Sanität aufgetischt bekommen, glauben sie irgendwann, dass dort rein gar nichts funktioniert – was nachweislich falsch ist.
Als Nebenwirkung entstand – gewollt oder nicht gewollt – der Eindruck, Thomas Widmann sei jetzt der Retter, der Nägel mit Köpfen macht, nachdem seine Vorgänger erfolglos am Gesundheitswesen herumgedoktert haben. Vor allem Stocker steht ein bisschen als Versagerin da, obwohl (oder gerade weil) Widmann seine Vorgängerin nie erwähnt. Martha Stocker ihrerseits schweigt dazu, wie es sich für eine Parteisoldatin gehört, aber aus ihrem Umfeld verlautet, sie sei wenig amüsiert darüber, dass Widmann verschweige, dass die Basis für gar einige Vorhaben, die er jetzt umsetzen will, in ihrer Zeit gelegt wurde. Ja, es gebe Gutes, das aus Stockers Zeit stammt, räumt Widmann auf SWZ-Nachfrage ein.
Als die SWZ den Gesundheitslandesrat in seinem Büro besucht, um ihn zu fragen, ob er da vielleicht mehr verkaufe, als an Neuerungen da sei, reagiert er fast beleidigt. Man solle ihn an den Ergebnissen messen, sagt er. Beispiel Wartezeiten: So wie er für die Notaufnahme in Bozen öffentlich das Ziel definiert habe, die durchschnittliche Wartezeit innerhalb eines Jahres von 3,5 auf zwei Stunden zu reduzieren, so werde er ähnlich klare Ziele nach und nach für die einzelnen Facharztvisiten erklären. Das mache seine Arbeit messbar. Widmann ist auch überzeugt, dass mit solchen Zielvorgaben ein Ruck durch das System geht.
Haben das die Vorgänger versäumt? Widmann antwortet ausweichend: „Was zählt, ist das Jetzt.“ Er lässt sich kein schlechtes Wort über Stocker oder Theiner entlocken, aber zwischen den Zeilen klingt durch, was er meint, anders zu machen: Probleme nicht nur benennen, sondern lösen, indem messbare Ziele ausgegeben werden. So wie es die Unternehmen tun. Widmann weiß, dass für ihn damit auch das Risiko des Scheiterns größer wird. Er erweckt aber den Eindruck, ziemlich sicher zu sein, nicht zu scheitern.
Wie die Ziele erreicht werden, das sei seine Sache – und jene der Mitarbeiter im Gesundheitssystem. „Ein Unternehmen lässt sich auch nicht von außen vorschreiben, wie es die Produktionsstraße zu organisieren hat“, bemüht der Gesundheitslandesrat einen Vergleich mit der Wirtschaft und deponiert seine Botschaft wieder zwischen den Zeilen, ohne sie auszusprechen: In der Vergangenheit wurde mit der Partizipation übertrieben – sanitätsinterne Partizipation sei wichtig, aber Zurufe von außen brauche es keine. Insofern hält Widmann wenig von Dokumenten wie dem bis 2020 gültigen Landesgesundheitsplan, die vor lauter partizipativen Kompromissen alles und nichts sagen.
Thomas Widmann betrachtet die Kleinspitäler als unverzichtbar für die Gesundheitsversorgung. Das tat auch Martha Stocker, aber bei Widmann klingt es anders, vielleicht auch deshalb, weil ihm Stocker unangenehme Diskussionen wie jene über die Geburtenabteilungen abgenommen hat. Sie sind interessanterweise kein Thema mehr. Freilich hat Widmann auch kein Problem damit, den Kleinspitälern das eine oder andere Primariat zu „schenken“, wenn das der Zufriedenheit und folglich der Motivation dient. Der Gesundheitslandesrat betrachtet nüchtern das Kosten-Nutzen-Verhältnis, ganz unternehmerisch. Widmann weiß, dass er nur vorankommt, wenn die Mitarbeiter an seiner Seite stehen. Und er weiß, dass die Kleinspitäler nur einen Bruchteil des 1,3-Milliarden-Euro-Sanitätsbudgets verschlingen.
Widmann kann stundenlang mit Begeisterung über das Gesundheitswesen reden. Zuweilen kann seine Zunge den Gedanken, die aus seinem Kopf sprudeln, nicht folgen, weshalb er die Sätze nicht zu Ende spricht. Er wirkt überzeugt – und auch überzeugend, was durchaus hilfreich sein könnte in diesem schwierigen Ressort. Es ist ein Ressort, für das Widmann schon 2008 im Gespräch war. Dieser Mann der Wirtschaft, der sich mehr als Manager denn als Politiker betrachtet, wäre der Richtige, hieß es damals von mancher Seite. Widmann selbst machte nie einen Hehl daraus, dass ihn die Sanität reizen würde. Damals beließ Landeshauptmann Luis Durnwalder in seiner letzten Amtsperiode alles beim Alten: Theiner blieb Sanitätslandesrat, Widmann Mobilitäts- und Wirtschaftslandesrat.
Zehn Jahre später ist „der Tommy“ doch noch Gesundheitslandesrat geworden und kann in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, ob sich ein öffentliches Gesundheitswesen nach unternehmerischen Grundsätzen führen lässt. Dass es gelingt, ist nicht nur in Widmanns Interesse, sondern im Interesse aller Südtiroler. Gesundheit ist ein hohes Gut, und das Gesundheitswesen – dieser riesige Apparat, der beileibe nicht nur aus den Krankenhäusern besteht – verschlingt ein knappes Viertel des Landeshaushaltes.
Thomas Widmann hat eine knifflige Aufgabe übernommen. Dass er nicht nur redet, sondern umsetzt, unterstreicht er gerne mit dem Verweis auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der seine Handschrift trägt. Und dann nennt er noch ein weiteres Ziel: die einheitliche EDV im Gesundheitswesen. Wenn es diese bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 nicht gebe, betrachte er sich als gescheitert.