SWZ: Warum stellt der gute Ruf im Netz die Hoteliers vor eine neue Aufgabe?
Barbara Theiner: Der Hotelgast hat über seine Kommentare in Hotelbewertungsportalen und diversen anderen Social-Media-Kanälen ein neues Machtinstrument in die Hand bekommen – und er ist sich dessen bewusst. Der Unternehmer fühlt sich in manchen Fällen ausgeliefert und erpressbar. Die Herausforderung ist nun, dass die Unternehmer die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen.
Gehen wir davon aus, dass ich Hotelier bin. Wie betreibe ich Reputation Management?
Die Vorraussetzung ist zunächst, dass Sie die Ressourcen dafür bereitstellen – vor allem personeller Natur. Dann sollten Sie sich mit der Technologie vertraut machen, und Ihren Betrieb in jenen Kanälen anmelden, in denen sich Ihr Gast aufhält. Um diese herauszufinden, sollten Sie das Informationsverhalten Ihrer Gäste genau kennen.
Das Reputation Management kann man im Wesentlichen auf vier Kernaufgaben herunter brechen: Zuerst sollten Sie intensiv beobachten, analysieren und zuhören, was im Netz über Ihr Unternehmen gesagt wird. Zweitens sollten Sie strategisch überlegen, wie Sie aktiv werden – keineswegs impulsiv, sondern wohlüberlegt und unter Berücksichtigung Ihrer Zielgruppen. Drittens sollten Sie Ihren Gast dazu anregen und motivieren, im Netz Positives über Sie zu melden. Und schließlich sollten Sie sich dafür bedanken – auch indem Sie Ihren Gast für seine Kommentare und vor allem Weiterempfehlungen mit einer Aufmerksamkeit beschenken.
Nun möchte ich, immer als fiktiver Hotelier, in Bezug auf den ersten Punkt, dem Beobachten und Zuhören, etwas mehr wissen …
Lernen Sie Ihre Gäste ganz gut kennen und definieren Sie klar ihre Zielgruppen. Verfolgen Sie täglich, das was diese über Sie im Netz sagen und lassen Sie sich dabei helfen: Dazu gibt es Social Media Monitoring Tools, die die Bewertungen und Aussagen in den verschiedenen Kanälen sammeln, damit Sie tagtäglich ajour sind. Dazu zählen beispielsweise Toocan und Bewertungsassistenten wie Hotelnavigator.
Anschließend sollten Sie die Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen: Wenn Sie fehlerhafte Bewertungen entdecken, weil beispielsweise eine Verwechslung stattgefunden hat, können Sie sich bei den entsprechenden Portalen melden. Schließlich bereiten Sie die Daten statistisch auf, um sie dann im Anschluss zu interpretieren und aktiv zu werden.
Und wie werde ich strategisch aktiv? Indem ich auch vielleicht selbst gute Bewertungen über mein Hotel ins Netz stell?
(Lacht) Nein, mit selbst aktiv werden meine ich, dass Sie auf Kommentare antworten und betriebsintern darauf reagieren: In Bewertungsplattformen tun Sie das in seriösem Stil, in den Social-Media-Kanälen hingegen kann gern ein lockerer Tonfall angeschlagen werden. Humorvolles wird nämlich leichter verbreitet als Daten und Fakten.
Wenn die Hotelbewertungsportale gefälschte Einträge entdecken – und sie setzen dazu immer raffiniertere Software und Methoden ein – dann kann es dazu kommen, dass Ihr Unternehmen auf eine Blacklist gesetzt wird und gar nicht mehr auf der Plattform erscheint. Nicht auffindbar zu sein, ist aber viel schlimmer, wie auch mal eine schlechte Bewertung zu bekommen. Gekaufte Kommentare unseriöser Agenturen würden Sie viel mehr Geld kosten, als wenn Sie sich in Ihrer eigenen Nische bemühen, als ein wirklich guter Gastgeber zu überzeugen. Der Spruch „don’t tell a story, be a story“ ist dabei sehr hilfreich, denn Authentizität ist ganz wichtig.
Zum Aktiv-werden gehört außerdem, dass Sie immer wiederkehrende Beanstandungen der Gäste ernst nehmen, denn sie sind wahrscheinlich Anregungen, um Ihr Angebot zu verbessern.
Und schließlich müssen Sie Ihre Erkenntnisse über Verbesserungspotenziale mit Ihren Mitarbeitern besprechen. Das heißt aber, nicht nur sprechen, sondern gemeinsam konkrete Ziele setzten, Maßnahmen ergreifen und mögliche Anreize zur Zielerreichung festlegen.
Auf die mangelhafte Glaubwürdigkeit der Hotelbewertungsportale möchte ich danach noch weiter eingehen. Nun zum dritten Punkt: Ich soll den Gast motivieren, dass er für mich eine positive Bewertung schreibt und diese in die Hotelportale lädt oder in Facebook postet. Aber ist mein Gast denn dazu bereit, für mich Zeit aufzuwenden?
Wenn sich der Gast bei Ihnen wohl gefühlt hat, dann macht er das gern, wenn Sie ihn persönlich darum bitten. Natürlich müssen Sie es dem Kunden leicht machen. Sie schreiben ihm ein paar Tage nach seiner Abreise eine freundliche E-Mail und bitten ihn, Ihr Haus zu bewerten – der Link zum entsprechenden Portal ist gleich dabei, damit Ihr Gast keine unnötige Mühe hat.
Sie müssen bedenken, dass wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass 95 Prozent der Befragten die Bewertungen in den Portalen für glaubwürdig halten. Und 65 Prozent nutzen immer Bewertungsportale als Entscheidungshilfe vor der Buchung. Deshalb müssen Sie dafür Sorge tragen, dass möglichst viele gute Bewertungen im Netz stehen, und zwar echte, weil Sie ein Top-Produkt haben und Ihre Gäste begeistern können. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie sich klar für gewisse Zielgruppen entscheiden, und nicht einen Bauchladen anbieten: Es jedem Recht machen zu wollen, funktioniert nicht. Nur wenn Sie Ihren Gast wirklich kennen, wissen Sie: Was erwartet er von Ihrem Hotel? Was stört ihn? Worüber unterhält er sich gern? Wo hält er sich im Netz auf? Was begeistert ihn? Denn nur das, was ihn wirklich begeistert und worüber er sich gern unterhält, wird er in den Social Media Kanälen mit seinen Freunden teilen. Es werden nämlich nur erzählenswerte, humorvolle Begebenheiten im Netz verbreitet.
Riskiere ich nicht auch, dass Negativurteile im Bewertungsportal landen?
Es ist sicherlich sehr schwierig, es immer allen Recht zu machen, das ist richtig. Aber eine schlechte Bewertung ist noch lange keine Gefahr. Es kommt immer auf die Relation an: Wenn bei hundert Bewertungen über Ihr Haus eine schlechte dabei ist, dann fällt diese nicht ins Gewicht. Wenn hingegen eine von zehn negativ ist, dann würde ich mir überlegen, wo die Ursache des Problems liegt. Diese liegt dann nämlich sicherlich nicht bei der Möglichkeit, online zu bewerten.
Und zuletzt bedanke ich mich für den Eintrag, die Weiterempfehlung des Gastes und schenke ihm etwas dafür?
Ja, mit einem Dankeschön und einer kleinen Aufmerksamkeit schaffe ich gute Vorraussetzungen, dass der Gast das Haus auch an seine Freunde und Bekannte weiterempfiehlt und den Ruf des Unternehmens im Netz positiv beeinflusst.
Wichtig ist auch: Integrieren Sie die Meinungen und Gästebewertungen in Ihre restliche Marketingarbeit wie beispielsweise auf Ihrer Webseite.
Zurück zum Thema Hotelbewertungsportale: Tripadvisor ist von Stiftung Warentest mit der nicht gerade rühmlichen Note „ausreichend“ bewertet worden. Mehr als 30 Prozent der Kommentare in Tripadvisor sind anscheinend gefälscht. Tripadvisor hat immer wieder versprochen, Methoden anzuwenden, um Falschmeldungen auszufiltern, aber sie bekommen das Problem nicht wirklich in den Griff. Wenn mein Mitbewerber nebenan auch schummelt, und alle glauben das, dann habe ich doch ein Problem?
Dann bewegt sich das Nachbarhotel auf dünnem Eis – einmal wegen des Risikos, aufgedeckt zu werden. Der zweite Grund ist: Soziale Netzwerke funktionieren so, dass Unwahrheiten schnell an die Oberfläche kommen: Unzutreffend positive Kommentare bewirken eine Gegenreaktion von negativen Kommentaren, weil der enttäuschte Gast anschließend das falsche Bild entschieden zurechtrücken will. So wird zwischen den erlogenen positiven Bewertungen eine ganze Reihe sehr negativer Urteile stehen, so dass das Gesamtbild wieder zurechtgerückt ist.
Natürlich sollten Sie auch Ihre Mitbewerber beobachten, aber vor allem sollten Sie sich darauf konzentrieren, ein guter Gastgeber zu sein, mit all dem, was das bedeutet. Nur so sichern Sie sich Ihren guten Ruf!
Info
Barbara Theiner
Die gebürtige Meranerin ist seit 2008 Hochschuldozentin für das Fach Marketing am MCI Tourismus, Innsbruck und freiberufliche Unternehmensberaterin. Zwischen 2006 und 2008 war sie als Consultant für Kohl & Partner Tourismusberatung tätig und hat zwischen 2002 und 2004 das Tourismusentwicklungsprojekt Alpine Wellness Südtirol geleitet. Ihre mehrfachen Studienabschlüsse, allesamt mit Schwerpunkt Tourismus und Marketing, absolvierte sie in München, Schweden, St. Gallen und London, das Doktoratsstudium mit Auszeichnung an der Universität Innsbruck. Barbara Theiner leitet am 21. Oktober (11.30 -13 Uhr) im Rahmen der Messe Hotel 2013 den Workshop „Reputation Management – der gute Ruf im Netz“.
Hotelbewertungen enthalten ein Drittel Schummeleinträge
Über 200 Millionen Menschen tummeln sich jeden Monat auf Tripadvisor.com herum. Dennoch, oder gerade deshalb sollen nach wie vor etwa ein Drittel der Eintragungen gefälscht sein – das bestätigt eine Studie der Fachhochschule Worms, die Hotelbewertungsportale analysiert hat. Die meisten Schummeleinträge könnten auf die Hotels selbst und beauftragte Werbeagenturen zurückgeführt werden. Aber auch Erpressungsversuche durch Gäste haben schon für Schlagzeilen gesorgt. Eine absolute Echtheit zu erreichen ist hoffnungslos. Immer ausgefeiltere Methoden, um Fälschungen aufspüren, werden auf immer ausgefeiltere Art ausgetrickst.
Die letzte Prüfung der Hotelbewertungsportale durch Stiftung Warentest stammt vom Mai 2012. Dort hat die Schweizer Seite Holidaycheck als einzige mit der Bewertung „Gut“ abgeschnitten und damit das Urteil von 2010 gehalten. Mit „befriedigend“ wurden die Seiten Zoover.de und Trivago.de bewertet, Tripadvisor.de rutschte von der Note „befriedigend“ (2010) auf „ausreichend“ ab und Google erhielt ein niederschmetterndes „mangelhaft“.