SWZ: Herr König, die Digitalisierung ist in aller Munde, nur haben Bürger und auch Unternehmen den Eindruck, dass die Komplexität wächst anstatt sinkt. Packen wir die Digitalisierung falsch an?
Andreas König: Der weit verbreitete Fehler ist, dass sowohl Behörden als auch Unternehmen ihre analogen Prozesse einfach eins zu eins digitalisieren. Das kann nicht funktionieren. Die Prozesse müssen im Rahmen der Digitalisierung neu gedacht werden. Dagegen gibt es aber große Widerstände: Warum sollte digital geändert werden, was bisher analog funktioniert hat? Es liegt in der Natur des Menschen, dass er Dinge, die er nicht kennt, zunächst einmal ablehnt. Wenn wir die Möglichkeiten der Digitalisierung aber wirklich ausschöpfen wollen, müssen wir zuerst die Möglichkeiten begreifen und dann die Digitalisierung umsetzen.
Im Zusammenhang mit dem Schlagwort „Unternehmen 4.0“ werden Schreckensszenarien verbreitet, wonach dem Menschen die Arbeit ausgeht. Sie werden beim Südtiroler Wirtschaftsforum am 16. März in Brixen hingegen von Chancen sprechen. Werden unnötig Ängste geschürt?
Die Digitalisierung ist ja nichts Neues. Sie erfolgt – in kleinen Schritten – schon lange. Schauen Sie sich die Kommunikation an: Aus Telefonen wurden Mobiltelefone und dann Smartphones. Hat diese Entwicklung Arbeitsplätze vernichtet? Nein, eigentlich nicht. Die Digitalisierung vernichtet nicht Arbeit, sondern sie verändert Arbeit. Zweifelsohne verschwinden gewisse Berufe. Gleichzeitig entstehen neue. Das ist ein laufender Prozess, den es auch in der Vergangenheit immer gegeben hat. An den Universitäten werden heute ganz andere Fachbereiche gelehrt als noch vor zehn Jahren. So wie heute die Digitalisierung als Gefahr für Arbeitsplätze wahrgenommen wird, so wurde dies einst auch die Erfindung des Automobils: Plötzlich standen Pferdehändler vor dem Ruin, weil es weniger Pferde brauchte. Dafür entstanden aber neue Arbeitsplätze.
Die Digitalisierung ist gleichbedeutend mit enormen Datenmengen, Informationsflut, ständiger Erreichbarkeit, einem Verschmelzen von Berufs- und Privatleben. Muss der Mensch erst lernen, mit der Digitalisierung richtig umzugehen?
Nur weil es mehr Daten gibt, zwingt uns noch lange niemand, jederzeit auf diese Daten zu schauen. Wir müssen den Umgang mit der Digitalisierung erst lernen. Sonst führt das zu Überforderung. Aber insgesamt vereinfacht die Digitalisierung unser Leben und unsere Arbeit. Das würden wir merken, wenn wir einmal einen Tag lang auf die Errungenschaften der Digitalisierung verzichten würden.
Was brauchen Unternehmen in Ihren Augen, um die Herausforderung meistern zu können?
Ganz wichtig ist, zuerst genau zu analysieren, was digitalisiert werden soll. Wenn nur Teilprozesse digitalisiert werden, dann steigt die Komplexität – und es steigt die Gefahr, am Ende viele Insellösungen zu haben, die untereinander nicht kommunizieren. Ein Digitalisierungsprozess ist erfolgreich, wenn ernsthaft überlegt wird, wie ein Unternehmen funktioniert, und wenn dann genügend Zeit aufgewendet wird, sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet. Das ist ein tiefgreifender Prozess, für den sich aber die wenigsten Unternehmen wirklich die notwendige Zeit nehmen.
Wird die Digitalisierung noch Entwicklungen bringen, von denen wir derzeit gar nicht träumen?
Wir stehen definitiv erst am Anfang. Das lässt sich auch daran erkennen, wie schwer selbst politischen Entscheidungsträgern die Definition von Digitalisierung fällt. Was ist Digitalisierung? Für die meisten bedeutet Digitalisierung schnelles Internet und fertig. Aber schnelles Internet ist nur die absolute Basis.
Halten Sie die Digitalisierung auch für eine Chance für die Peripherie? Ein Silicon Valley könnte im Grunde ja überall entstehen.
Im Verein „A21 Digital“, dem ich angehöre, beschäftigen wir uns genau mit solchen Fragen. Der Verein möchte ein Impulsgeber für die digitale Transformation des Alpenraums sein. Dank Digitalisierung haben die Menschen erstmals wirklich die Möglichkeit, dort zu arbeiten, wo sie arbeiten wollen. Das ist eine große Chance für Tirol oder auch für Südtirol. Ich würde da gar nicht von Peripherie sprechen. Als Tiroler weiß ich, wie schön Tirol ist, und wenn ich meine Arbeit von Innsbruck oder Bozen aus genauso effizient machen kann wie von Berlin aus, dann ziehe ich Tirol eindeutig vor. Gerade die Jungen von heute denken auch so. Früher wollte jeder ins Silicon Valley oder in die großen Zentren. Mittlerweile nicht mehr, denn Lebensqualität spielt eine wachsende Rolle. Ich kann mir gut vorstellen, dass künftig mehr erfolgreiche Start-ups ihren Ursprung in Tirol oder Südtirol haben.
Sie betätigen sich auch als Start-up-Investor, also als Risikokapitalgeber. Die weit verbreitete Meinung ist, dass es für diese Tätigkeit vor allem viel Geld braucht. Was braucht es wirklich?
Ein Investment-Vehikel ist Geld. Ein anderes Investment-Vehikel sind Know-how und Kontakte, und die sind in der Start-up-Welt fast noch wichtiger als Geld. Ich bin seit bald 30 Jahren in der IT-Industrie tätig, und habe mir erstens ein gewisses Maß an Lebenserfahrung angeeignet und zweitens Kontakte überall auf der Welt. Für junge Unternehmer ist das viel wertvoller als Geld. Sie wollen wissen, was es braucht, um erfolgreich zu sein.