Bruneck – Es gibt Onlinewerbung und Onlinewerbung. Die eine ist dem Internetanwender lästig, weil sie sich zwischenschaltet und ihn davon abhält, das zu lesen, was er angeklickt hat. Die andere kommt wie gerufen, weil die Zielperson gerade dabei ist, sich über ein gewisses Produkt oder ein Urlaubsziel eine Meinung zu bilden, und der Werbebanner genau auf das Thema Bezug nimmt. Dann gibt es noch die klassische Print-, Radio- und TV-Werbung, aber darum geht es hier nicht. Das Internet als Werbeplattform hat den Vorteil, dass man dem einen Anwender eine Werbebotschaft schicken kann, dem anderen eine andere – je nachdem, was ihn oder sie gerade interessiert.
Targeting nennen Marketingfachleute das Prinzip, das dahintersteckt. Datenbasierte Zielgruppenansprache ist für manche Werbetreibende heute bereits ein fester Bestandteil der Marketingstrategie. Denn je gezielter eine Werbebotschaft ein spezielles Bedürfnis anspricht, desto eher erhält sie Beachtung. Doch wie erfahre ich, was einen gewissen Internetanwender interessiert? Oder noch besser: Wie kann ich nur jene ansprechen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gerade an dem spezifischen Produkt interessiert sein könnten? Über Cookies – der Englische Begriff für Kekse steht für kleine Programme, die das Surfverhalten registrieren und unter anderem von Vermarktern oder großen Mediaagenturen für Werbeschaltungen genutzt werden. Über den Cookie können Firmen somit eine Vielzahl an Informationen über den User herausfinden, und diese müssen es sich zum Teil gefallen lassen, weil sie so in den Genuss von kostenlosen Informationen gelangen – das sind beispielsweise kostenfreie Online-Nachrichten oder andere nützliche Portale. So kann der Werbetreibende genau jene Werbebotschaften einblenden lassen, von denen sich der User zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich angesprochen fühlt.
Das Problem ist, dass diese Art von Werbung – bei Google nennt sich der Service Retargeting (s. auch SWZ Nr. 44/14) – die Datenschutzbestimmungen, wie sie in Europa verstanden werden, nur bedingt respektiert. In manchen Branchen ist diese Form des Marketings durchaus verbreitet, so zum Beispiel im Reisesektor. Andere Unternehmen, die auf ihr Image achten, verzichten auf simples Retargeting, um den User dann konkret auf eine Leistung oder ein Produkt hin anzusprechen, über das er gerade beispielsweise gegoogelt hat. Zur Sympathie einer Marke trägt diese Art von Targeting auch nicht gerade bei. Es gibt aber alternative Methoden des Targetings, wie die Fachbesucher der Veranstaltung Open Mind der Werbe- und Marketingagentur Hell Company in Bruneck (s. unten stehende Info) am 5. März erfahren werden.
Referent Dhyan Borghoff, Targeting Solution Manager bei nugg.ad, wird interessierten Werbetreibenden über den etwas anderen Ansatz des größten deutschen Technologieanbieters für Targeting sprechen. nugg.ad ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Post und bietet eine Targeting-Technologie an, die im Unterscheid zu herkömmlichen Cookies nur anonymisierte Daten verwendet – das heißt, dass weder die IP-Adresse noch der Name des entsprechenden Anwenders gespeichert werden. So fühlt sich der Anwender nicht als Person „ausgespäht“, sondern er bleibt komplett anonym. Dennoch kann nugg.ad mittels Analyse der über die Cookies generierten Datenmengen statistische Hochrechnungen über das Surf- und spätere Kaufverhalten einer gewissen Zielgruppe erstellen und diese in eine buchbare Zielgruppenansprache modellieren. Die SWZ sprach vorab mit dem Targeting-Fachman.
SWZ: Die Tätigkeit Ihres Unternehmens lässt sich in zwei Bereiche gliedern. Im Rahmen Ihrer Dienstleistung Zielgruppen Insights installieren Sie auf Unternehmenswebseiten, die mehr über ihre Onlinebesucher wissen wollen, Pixel, die mithilfe von Cookies anonymisierte Daten liefern. Das heißt, ich kann dem Kunden nicht mehr direkt eine Onlinewerbung einblenden lassen, weil ich ja keine IP-Adresse habe. Warum ist das ein Vorteil?
Dhyan Borghoff: Wir respektieren damit zunächst einmal die Datenschutzrichtlinien, die gerade in Deutschland, aber auch im restlichen Europa sehr streng sind. nugg.ad ist im Jahr 2006 gegründet worden, der Datenschutz liegt seitdem in der DNA des Unternehmens. Ein wichtiger Grundsatz, der unserem Erfolg zugrunde liegt, ist, dass man nicht den Namen und den Aufenthaltsort des Anwenders braucht, um aus seinem Surfverhalten brauchbare Informationen zu generieren, die sich in eine buchbare Zielgruppenansprache übersetzen lassen. Gleichzeitig hat das Unternehmen damit keinerlei Wettbewerbsnachteil, obgleich es nur anonyme Daten auswertet. Deshalb nutzen die Marketingabteilungen vieler hochwertiger Marken unsere Technologie. Sogar Banken und Versicherungen zählen zu unseren Kunden, obwohl diese Branchen bewusst zurückhaltend sind, wenn es um die Nutzung von Anwenderdaten geht.
Ihr Cookie hat außerdem ein Verfallsdatum von einem halben Jahr. Warum ist das so?
Auch dies geschieht aus Datenschutzgründen. Wenn wir aber auf einer Unternehmenswebseite Pixel einbauen, sorgen wir dafür, dass das Cookie nach 26 Wochen gelöscht wird. De facto ist es aber natürlich so, dass derselbe User beim nächsten Mal auf einer von uns verpixelten Seite ein neues Cookie gesetzt bekommt.
Wir aggregieren hier Daten, die für unsere statistischen Vorhersagen notwendig sind. Erst große Datenmengen machen die Hochrechnungen zum Beispiel über das Kaufverhalten dieser und jener Anwender weitgehend relevant. Unser CEO Stephan Noller kommt schließlich auch aus der Marktforschung. Die Vermarkter, die großen Mediaagenturen und die Verlage sind unsere Kunden, die durch nugg.ad Zielgruppen anbieten können, um für ihre Kunden die Werbungen zielgruppengerecht zu platzieren. Sie vermarkten die Werbeplätze im Netz.
Wir wissen es nicht, denn wir haben keinen Personenbezug. Ich als Dhyan Borghoff bin fünfmal vorhanden, weil ich fünf Endgeräte benutze. Aber wie gesagt, wir brauchen dieses Wissen nicht, um zielgruppengenaue Online-Werbung anbieten zu können.
Nein, denn in dem Moment, wo eine anonyme Anwenderin sich an ihrem iPad online über Mode informiert, tut sie gewisse Dinge und ist für bestimmte Themen ansprechbar; wenn dieselbe Frau aber am Büro-PC arbeitet, interessieren sie vermutlich andere Themen – dann zählt sie auch zu einer anderen Zielgruppe! Es geht darum, zu wissen, welche Eigenschaften und Verhalten ein Anwender mit hoher Wahrscheinlichkeit hat, der in einem spezifischen Moment da und dort surft.
Ein anderes Beispiel: Auf meinem PC ist das Cookie frisch gesetzt. Ich surfe jetzt auf Nachrichten- und auf Sportseiten. nugg.ad wird vorhersagen, dass es sich hier mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um einen Mann handelt, mit einem gewissen Einkommen, usw. Wenn ich Ihnen nun meinen Laptop leihe und Sie beginnen, für ihre Arbeit zu recherchieren, dann wird unsere Auswertung merken, dass es sich nun um eine andere Zielgruppe handelt und diese Zielgruppe für andere Themen und Werbeschaltungen affin ist. Sie sehen also, wir brauchen die personenbezogenen Daten nicht, ganz im Gegenteil.
Ist das System des Retargeting wieder out, weil sich die Leute ausgespäht fühlen?
Zunächst muss man einräumen, dass viele Seiten ja von den Cookies leben, weil sie sich so finanzieren. Manche Seiten lassen sich gar nicht mehr laden, wenn man die Erlaubnis für die Cookies nicht erteilt. Es gibt auch Anwender, die jeden Tag erneut alle Cookies löschen. Anderen ist das völlig gleich, und sie machen sich nicht diese Mühe. Im Gegenteil finden es manche sogar ganz praktisch, immer wieder beispielsweise eine Autowerbung geliefert zu bekommen, wenn sie sich gerade nach einem neuen Auto umsehen. Hingegen ein Banner über Urlaubsziele, der allen Usern, also ohne Targeting, geschaltet wird, ist diesem Kunden gerade mehr als unrecht, weil er sich momentan keinen Urlaub leisten will. Retargeting auf der Produktebene kann natürlich durchaus seinen Conversionzweck erfüllen.
Zu Beginn verlangen wir vom Unternehmen, dass es auf seiner Webseite, auf der die Datenschutzbestimmungen angeführt sind, unsere Datenschutzstandards einfügt und die Links zum Opt-out und Opt-in einbaut. Der Anwender muss also jederzeit wieder „auststeigen“ können. Dann werden auf der entsprechenden Webseite Pixel eingebaut, die für das Setzen von Cookies beim User sorgen. Nach einer Messzeitperiode von etwa drei Monaten, je nach Frequenz, erhält das Unternehmen den Insights-Report. So lernt er die Soziodemographie, das Einkommen, die Affinitäten und das Kaufverhalten seiner bisherigen Online-User genauer kennen; daraus modellieren wir dann die Zielgruppen, die für Online-Kampagnen buchbar sind. Damit wendet sich das Unternehmen dann an seine Werbe- oder Media- agentur. Wir selbst vermitteln keine Schaltungen, wir liefern nur die datenschutzgerechte Technologie für das Predictive Behavioral Targeting.