SWZ: Wo sind Sie zu Hause?
Tyler Brûlé: Ich wohne offiziell im Engadin, bin aber auch einmal im Monat in Tokio in der Niederlassung unseres Verlags, wo Sie mich jetzt gerade antreffen. Dies ist meine liebste Großstadt! Ich bin sehr viel unterwegs und fühle mich vielerorts zu Hause. Auch deshalb beschäftigt mich die Frage der Erreichbarkeit der schönen Plätze auf der Welt. Südtirol ist so ein Ort.
Wie oft waren Sie in Südtirol, dass Sie es so gut kennen, wie man in Ihrem Artikel erkennt?
Früher bin ich öfters mehr oder weniger durchgefahren, auf dem Weg von der Schweiz zum Gardasee.
In den vergangenen Monaten war ich hingegen viermal in Südtirol und habe auch etwas Zeit bei euch verbracht. So kam es, dass ich mich mehr oder weniger in euer Land verliebt habe.
Wie kam es zu der Idee, das Erscheinungsbild für die Air Südtirol zu entwerfen?
Wir haben immer schon dem Thema Aviation im „Monocle“ einen gewissen Raum gewidmet – und der Frage, wer die Aufsteiger sind oder wer hingegen die falschen Konzepte hat. Ich fand es schon früher erstaunlich, dass dieses so interessante Land in Italien so schlecht erreichbar ist, obwohl es so viele Menschen gern besuchen würden. Es ist deshalb schwer zu glauben, weil sich ja sonst jeder so sehr darum bemüht, Low-cost-Airlines anzuziehen, um mehr Gäste ins Land zu bringen. Bei euch hat man nur die Option, in Verona oder Innsbruck zu landen – und das ist für die meisten Reisenden zu weit weg.
Sie glauben also, dass der Airport Bozen eine Zukunft hätte?
Ja, wenn Ihr Land sich nicht damit zufrieden geben möchte, hauptsächlich Gäste aus den umliegenden Regionen anzuziehen. Schon für Engländer oder Franzosen kommt ein so schwer erreichbares Land nicht infrage, geschweige denn für einen Japaner. Die reisen nach Tirol oder in die französischen Alpen, wo sie mit dem Flugzeug nah an ihr Ziel herankommen. In München zu landen, um dann drei Stunden mit dem Mietauto zu fahren, ist für diese Art von Reisenden keine Option.
Und warum eine eigene Airline?
Eine eigene Fluglinie könnte die Interessen des Landes vertreten. Wenn beispielsweise der CEO der Lufthansa plötzlich sein Interesse an einer Destination verliert, weil eine andere profitabler ist, dann lässt er den Flughafen fallen. Wenn die Region als Ganzes versteht, dass die Erreichbarkeit ihr etwas bringt – für den Tourismus wie für die Wirtschaft im Allgemeinen –, dann sollte die Airline eine heimische sein, die die Marke Südtirol verstärkt. Denn die Japaner beispielsweise reisen in die Schweiz, weil sie Südtirol in der Regel nicht kennen. Wenn euer Land dort etwas bekannter wäre, wären die Japaner sicherlich ganz verrückt darauf, nach Südtirol zu reisen!
Manche sagen, die Nichterreichbarkeit gehört zu unserem Charme dazu. Was ist Ihre Meinung?
Ich habe davon gehört. Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen. Das bedeutet aber unsicheres Wachstum und höhere Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung. Wenn jeder in Ihrem Land sehr tiefe Taschen voller Geld hätte, dann wäre es vielleicht phantastisch, so ein verstecktes Plätzchen ohne Touristen zu sein! Aber ist das so?
Glauben Sie, dass die Marke Südtirol stark und bekannt genug ist?
Ich bin beeindruckt von der Marke Südtirol und wie sie geführt wird. Sie ist relativ stark, aber im Ausland viel zu wenig bekannt.
Wie ernst ist der Vorschlag der Air Südtirol gemeint?
Natürlich ist der Artikel dazu gedacht, in erster Linie eine Diskussion anzuregen. Ich habe keinen Businessplan erstellt. Wir sind natürlich nur Journalisten, die sich über Themen Gedanken gemacht und recherchiert haben. Aber ich meine es dennoch ernst. Wenn Südtirol aber über Flugzeuge erreichbar sein will, dann sollte sich die öffentliche Hand bewusst sein, dass eine heimische Fluglinie die Marke Südtirol besser transportieren kann: zum Beispiel, indem an Bord Meraner Mineralwasser oder kühler, heimischer Apfelsaft kredenzt wird. Ein zusätzlicher Effekt ist, dass dadurch die Wirtschaft ihre Marken auch besser transportiert. Das vergessen die internationalen Airlines oft.
Und die Anzahl der Destinationen, mit fast allen Hauptstädten Europas, die laut Artikel von Bozen aus angeflogen werden sollen – sind auch die ernst gemeint?
Auch die sind ernst gemeint, natürlich nicht dreimal am Tag, aber so oft, dass man als Europäer sich überlegen kann, einmal auf ein Wochenende zu euch zu fliegen. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass es über den einfachen Anbindungsflug wie jetzt nach Rom hinausgehen sollte. Es wäre wichtig, dass man in der Angelegenheit etwas über den Tellerrand schaut. Und die Tatsache, dass die AirAlps versagt hat, sollte nicht zu sehr wiegen, denn das war eine schwache Marke.
Sie shoppen auch gern in Südtirol, habe ich gehört …
Ja, das ist noch mal eine andere Geschichte, denn wenn man von auswärts kommt, versteht man nicht, wie Ihre Geschäfte am Sonntag schließen können – das ist nicht sehr zeitgemäß. Ich bin zwar auch ein guter Katholik, aber die Welt hat sich weiterbewegt.
Info
Wer ist Tyler Brûlé?