SWZ: Herr Ing. Roubin, Sie sind für das Sicherheits- und Gesundheitsmanagement der in Perg im oberösterreichischen Mühlviertel ansässigen HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. zuständig. Dieses Unternehmen hat schon dreimal das „Gütesiegel BGF“ für betriebliche Gesundheitsförderung erhalten und ist vom „Österreichischen Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung“ ausgezeichnet worden. Was veranlasst ein Unternehmen, sich sehr umfassend in der Gesundheitsvorsorge zu engagieren?
Markus Roubin: Als Unternehmen der Bauindustrie sind wir in einer Branche tätig, die sehr unfallträchtig ist. Daher hat bei uns die Arbeitssicherheit einen hohen Stellenwert, und wir haben uns über diese hinaus mit dem Gesundheitsschutz und in der logischen Folge mit der Gesundheitsförderung für die Mitarbeiter befasst. Uns geht es als Unternehmen dabei natürlich um harte Faktoren wie die Verringerung von Ausfallzeiten, aber darüber hinaus auch um weiche Faktoren wie die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen – und da sind wir dann sehr schnell beim Thema Personalentwicklung. So ist die Gesundheitsförderung auch ein Teil unserer Personalentwicklung geworden.
Welche besonderen Maßnahmen hat die HABAU in der betrieblichen Gesundheitsförderung getroffen?
Ein wichtiges Thema ist in der Bauwirtschaft die Ergonomie, im spezifischen Falle hier das richtige Heben und Tragen von Lasten auf den Baustellen, damit die arbeitenden Menschen möglichst wenig ermüden oder gar geschädigt werden und das Arbeitsergebnis optimal ist. Dem haben wir uns mit entsprechenden Workshops und Interventionen direkt vor Ort angenommen. Dies war ein großer Schwerpunkt. Wir haben auch Aktionen zur Verbesserung der psychosozialen Gesundheit gesetzt und Inputs zur allgemeinen gesunden Lebensführung gegeben, weitere Impfaktionen gegen Grippe oder Zeckenschutz gestartet oder Workshops zum Thema gesundheitsgerechtes Arbeiten veranstaltet. Auch haben wir über einen gesundheitsgerechten Führungsstil informiert, um nur die wichtigsten Maßnahmen zu nennen.
Ist die Intensität einer sinnvollen betrieblichen Gesundheitsvorsorge von der Branche abhängig? Oder auch von der Größe eines Unternehmens?
Die Größe eines Unternehmens spielt eine entscheidende Rolle. Wir als mittlerweile viertgrößtes Bauunternehmen in Österreich haben viel mehr Möglichkeiten, solche Dinge zu implementieren als ein kleiner Baumeister oder auch eine mittelgroße Baufirma mit 100 Mitarbeitern. In einem großen Industriebetrieb bestehen ganz andere Möglichkeiten der Gesundheitsförderung, da sind ganz andere Ressourcen vorhanden. Die Branche ist nicht entscheidend, wenn auch anzumerken ist, dass insbesondere in der Bauwirtschaft noch mehr getan werden könnte.
Es gibt zumindest in Italien gesetzliche Vorgaben, die Arbeitgeber dazu anhalten, die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Reichen diese nicht – oder sind sie nicht zielführend?
Das ist ein schwieriges Thema. In Österreich ist das Arbeitnehmer/-innenschutzgesetz die gesetzliche Grundlage, und für uns als Unternehmen der Bauindustrie gilt vor allem die Bauarbeiter/-innenschutzverordnung. Sie sollen Sicherheit und Gesundheitsschutz auf der Baustelle gewährleisten. Dabei handelt es sich aber um bestimmte Mindeststandards, die eingehalten werden müssen. In der gesetzlichen Vorlage ist vor allem der Arbeitgeber stark in die Pflicht genommen. Sie besagt, was der Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer bereitzustellen und zu tun hat. Das hat alles seine Richtigkeit. Was im Gesetz nicht vorkommt, ist die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers, für seine eigene Gesundheit und seine Sicherheit zu sorgen. Dazu müssen die Mitarbeiter angehalten werden. Diese Eigenmotivation, diese Eigeninitiative zu fördern, das ist Aufgabe einer betrieblichen Gesundheitsförderung.
In Italien ist die Ernennung eines Verantwortlichen für Arbeitssicherheit gesetzlich vorgeschrieben. Sollte dieser auch für die Gesundheitsvorsorge zuständig sein?
In Österreich gibt es den Vorgesetzten, der rechtlich für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich ist. Das sind der Arbeitgeber oder sein Vertreter auf der Baustelle, also der Bauleiter oder die Bauleiterin. Dann gibt es die Präventivfachkräfte, das sind die Experten, die den Arbeitgeber, aber auch die Belegschaft in allen Fragen des Arbeitnehmerschutzes und des Gesundheitsschutzes zu beraten haben. Ich glaube, dass die Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze beim Arbeitgeber beziehungsweise bei seinem Vertreter gut aufgehoben ist. Die innerbetriebliche Gesundheitsförderung ist ein anderes Thema. In diesem Begriff ist der Ausdruck „Förderung“ enthalten, und dieses Wort drückt ja schon aus, dass die diesbezüglichen Bemühungen über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen. Ich würde die beiden Sachen nicht miteinander verquicken.
Unternehmer klagen häufig, dass sie vom Staat bereits mit vielen Pflichten überhäuft werden, die nicht ihre ureigenen Aufgaben sind, etwa mit der Berechnung und Einzahlung von Steuern und Sozialabgaben für ihre Arbeitnehmer. Sollten Arbeitgeber dennoch auch dafür sorgen, dass sich ihre Mitarbeiter nicht nur im Betrieb, sondern vielleicht auch privat gesund ernähren oder ausreichend bewegen?
Nein, das nicht. Man muss da aufpassen, denn ein Arbeitgeber soll sich auf keinen Fall in die privaten Angelegenheiten seiner Mitarbeiter einmischen. Er muss ganz im Gegenteil deren Privatsphäre respektieren. Wie sich Arbeitnehmer ernähren – ob sie genügend Obst und Gemüse essen oder zu häufig sehr fett- oder kalorienreiche Nahrungsmittel bevorzugen – , ob sie Risikosportarten betreiben oder nicht einmal spazieren gehen, kurz: Welchen Ausgleich sie außerhalb ihres Arbeitsplatzes suchen, das geht den Arbeitgeber nichts an. Da ist jeder seines Glückes Schmied, und jeder soll das tun, was er für richtig oder vorteilhaft hält. Im besten Fall führt betriebliche Gesundheitsförderung aber dazu, dass Mitarbeiter gegebenenfalls auch ihr allgemeines Verhalten ändern, wenn sie zur Überzeugung kommen, sich damit letztendlich auch selbst etwas Gutes zu tun. Dabei ist klar, dass insbesondere eine gesunde Lebenshaltung einerseits die Lebensqualität eines jeden Menschen langfristig verbessert und gleichzeitig die Ausfallzeiten für die Unternehmen und die Kosten für den öffentlichen Gesundheitsdienst verringert.
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