SWZ: Herr Landesrat, der Landtag befasst sich derzeit mit einer Novelle zum Landesraumordnungsgesetz, die das alte Gesetz, das noch auf Alfons Benedikter zurückgeht, erneut abändert. Auf ein grundlegend neues Gesetz warten wir aber immer noch, daran sind schon Ihre Vorgänger Alois Kofler und Michl Laimer gescheitert. Warum ist es so schwierig, ein organisches, neues Gesetz auszuarbeiten?
Elmar Pichler-Rolle: Das hängt wohl ein wenig mit der Südtiroler Mentalität zusammen. Alle sagen, dass es ein neues und einfacheres Gesetz bräuchte. Es gilt demzufolge, einen gesetzlichen Rahmen festzulegen und innerhalb dieser Grenzen eine beträchtliche Flexibilität zu ermöglichen, mehr Freiraum und mehr Gestaltungsmöglichkeiten durch die Gemeinden. Anderseits ist Südtirol geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass alle nach genauen, einengenden Vorschriften rufen, sobald diese gelockert werden sollen.
Wir Südtiroler sind einfach Anhänger der Planwirtschaft, wollen Sie sagen?
Planungen haben in der Raumordnung durchaus gute Seiten, das habe ich in meiner noch kurzen Amtszeit als Landesrat erfahren. Viele Bestimmungen und Auflagen tragen dazu bei, die von Menschenhand gestaltete Landschaft zu erhalten. Wir sind es einfach gewohnt, dass in der Baugesetzgebung alles bis ins Detail geregelt ist – das macht die Wege lang und erfordert immer wieder Ausnahmeregelungen. Deshalb muss es ein Ziel sein, in der nächsten Legislaturperiode auf der Grundlage des Entwurfs, der von einer Universität ausgearbeitet worden ist, ein wesentlich einfacheres Gesetz zu schreiben und zu verabschieden.
Was derzeit geändert wird ist also noch Flickwerk auf dem Weg zu neuen Zielen?
Nein, überhaupt nicht. Sicher, die Vorlage beinhaltet auch einige wenige Detailregeln. Aber wir machen in erster Linie eine Art Zwischenschritt der großen Reform, indem wir deutliche Akzente setzen und aufzeigen, wohin die Reise gehen wird.
Welches sind diese Akzente?
Heute gibt es das Landesraumordnungsgesetz, das Landesforstgesetz und das Landschaftsschutzgesetz mit je einer eigenen Kommission. Diese drei Gremien werden hinsichtlich der Begutachtung von Projekten zu einer einzigen Kommission zusammengelegt, die aus sieben Mitgliedern besteht. Jedes Vorhaben wird also in einem einzigen Verwaltungsablauf begutachtet, was eine wesentliche Vereinfachung bringt. Auch werden die Abfolge und die Zeiten bei der Genehmigung und Änderung der Bauleitpläne geändert und verkürzt. Das Gutachten der Fachkommission geht in Zukunft an den Gemeinderat, der entscheidet, während der Gemeinderat bisher abstimmt, ohne das Gutachten zu kennen. Letzte Instanz bleibt die Landesregierung. Und die Durchführungspläne fallen zukünftig in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinden. Wir machen damit die Prozeduren einfacher und die Wege kürzer – und schaffen gleichzeitig mehr Transparenz, denn alle Verfahren sind künftig öffentlich.
Zugleich wird aber eine Obergrenze für das festgesetzt, was jährlich verbaut werden darf. Das erinnert einerseits an Planwirtschaft, anderseits scheint es absurd angesichts der Tatsache, dass der Gewerbebau weitgehend still steht und die Wohnbautätigkeit deutlich nachgelassen hat.
Wir sollten urbanistische Regeln nicht danach ausrichten, wie stark oder schwach gerade die Baukonjunktur ist. Die Bautätigkeit kann auch und gerade durch die Sanierung und Wiedergewinnung von bestehenden Gebäuden angekurbelt werden. Es geht mir um den Flächenverbrauch und um die Frage, in welchem Ausmaß der knappe Kulturgrund verbaut werden darf. Wir schreiben deshalb ein Ziel in das Gesetz – und dieses Ziel besteht in einem Richtwert. Wir erheben Jahr für Jahr, wie viel an Kulturgrund für neues Bauland verbraucht wird, und wenn wir dann aktuelle Daten haben, wird es jedes Jahr eine Obergrenze für den Flächenverbrauch festgesetzt. Wenn es viele ungenutzte Gewerbeflächen und gewerbliche Immobilien gibt, sollten wir eben den Verbrauch stärker einschränken, damit nicht unbegrenzt neues Bauland verbraucht wird, während altes ungenutzt bleibt. Das Konzept des Bauernbundes nach dem Motto „braun vor grün“ ist eine gute Aktion und von allen Verbänden begrüßt worden – und als Landesrat, der auch für Natur und Landschaft verantwortlich ist, nehme ich die Verbände da natürlich beim Wort.
Eine Neuerung, die von Ihrem Kollegen Thomas Widmann seit langer Zeit angekündigt und als Paradigmenwechsel bezeichnet wird, ist die Abkehr vom Prinzip der Enteignungen und Zuweisung von Gewerbebauland. Was ist vorgesehen?
Bis heute hat die öffentliche Hand Privaten Grund enteignet und diesen anderen Privaten übereignet. In Zukunft wird es so sein, dass ein Unternehmen, das über einen geeigneten Grund verfügt und bauen möchte, die Umwidmung beantragen kann, um dann sein Vorhaben auf seinem Grundstück zu verwirklichen. Dies ist sehr viel einfacher und geht rascher als Enteignungen und Zuweisungen, die nach einem Punktesystem erfolgt sind, wobei es oftmals auch unverschämte Trittbrettfahrer gegeben hat. Der Vorschlag von Landesrat Widmann wird allgemein begrüßt, an Detailfragen wird das Ganze hoffentlich nicht scheitern.
Der Handwerkerverband befürchtet, dass Kleinbetriebe auf diese Weise unter die Räder kommen.
Ja, aber wir haben vorgebaut: Die Enteignung und Zuweisung sollen in bestimmten Situationen möglich bleiben, etwa, wenn eine Gemeindeverwaltung dafür Sorge tragen muss, dass auch kleine Betriebe zum Zuge kommen.
Auf Gewerbebauland lasten Bindungen. Bleiben die auch, wenn keine Zuweisung mehr erfolgt?
Die Bindungen bei den alten Flächen bleiben, bei den nach dem neuen System zugewiesenen Flächen gibt es nur die urbanistische Widmung als Gewerbegebiet, aber keine Bindungen mehr.
Auch Hotels und Pensionen unterliegen Bindungen. Welche Lockerungen sind geplant?
Es sind keine Lockerungen im eigentlichen Sinn dieses Wortes geplant. Wir blicken lediglich ein wenig voraus. Wir müssen damit rechnen, dass einige Betriebe aus verschiedenen Gründen schließen – und die Politik kann darauf nicht nur mit einem Achselzucken reagieren. Deshalb sehen wir vor, dass nicht erweiterte Gastbetriebe in Wohnbauzonen wie alle anderen Gebäude mit der Formel 60/40 umgewandelt werden können; wenn ein Betrieb erweitert worden ist, können in diesem Gebäudeteil konventionierte Wohnungen errichtet werden; zu 100 Prozent konventioniert werden müssen Wohnungen, die aus einem Gastbetrieb entstehen, der außerhalb des Wohngebietes liegt, aber nicht 300 Meter vom Ortsrand entfernt. Wenn ein solcher Betrieb erweitert worden ist, darf er maximal 2.000 Kubikmeter der erweiterten Baumasse noch mitnehmen, der Rest muss abgebrochen werden. Betriebe im landwirtschaftlichen Grün, die weiter abseits liegen, müssen ihre Zweckwidmung behalten. Ich finde, das ist eine klare und faire Regelung, bei der vor allem auch das Prinzip „braun vor grün“ konkret greift.
Die römische Regierung hat auch die zweite Landesnorm angefochten, nach der Einzelhandel in Gewerbegebieten eingeschränkt bleibt. Kommt jetzt ein dritter Versuch – oder passiert gar nichts mehr, so dass jede Beschränkung fällt, sollte der Verfassungsgerichtshof erneut am freien Wettbewerb und am Prinzip der Liberalisierung festhalten?
Meines Wissens gibt es politische Verhandlungen zwischen der SVP und der römischen Regierung, um eine Lösung zu finden. Rom scheint gesprächsbereit zu sein, so dass es möglich sein sollte, einen Ausweg zu finden, auch wenn noch offen ist, wie dies geschehen soll.
Für Aufregung hat die Bestimmung gesorgt, wonach Betriebe mit Urlaub auf dem Bauernhof die Zahl ihrer Zimmer und der angebotenen Ferienwohnungen erhöhen dürfen, sofern die bestehende Baumasse dies erlaubt. Kommt diese Norm – oder wird noch darüber gestritten?
Innerhalb meiner Partei wird vor allem darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, eine Gesetzesänderung, die so umstritten ist, jetzt im beginnenden Wahlkampf vorzunehmen. Ich persönlich meine, dass es sich hier um eine im Grunde genommen nebensächliche Frage geht, zumal eine solche Aufstockung ja nur relativ wenigen Anbietern möglich ist – genauso wie wohl nur wenige Inhaber von Gastbetrieben, wie vorher erläutert, eine Umwandlung der Zweckbindung ins Auge fassen. Leider sind die wesentlichen Änderungen, die dieses Gesetz bringt, dadurch in den Hintergrund gedrängt worden.
In Bozen gibt es große Pläne: am Areal rund um den Autobahnhof soll ein großer Neubau mit einem neuen Einkaufszentrum und anderen Einrichtungen entstehen – in der Raumordnungsnovelle wird dem durch die sogenannte „Lex Benko“ Rechnung getragen – am Bahnhof soll ein ganzes neues Stadtviertel entstehen, ebenfalls mit Geschäften, aber auch Büros und Wohnungen. Was sagt der Landesrat dazu?
Das wird der Markt regeln. Wenn die Nachfrage nicht da ist, werden sich keine Investoren finden oder sie werden scheitern. Bis jetzt lautete das allgemeine Südtiroler Credo, der Einzelhandel gehöre in die Stadtmitte. Das von Ihnen genannte Benko-Projekt entspricht diesem Credo. Wir erleichtern jetzt gesetzlich die Initiative und ermöglichen eine raschere Umsetzung. Aber die Entscheidung, ob gebaut werden darf, liegt weiterhin beim Bozner Gemeinderat.