SWZ: Herr Grupp, Sie gelten als einer der Vorzeigeunternehmer Deutschlands …
Wolfgang Grupp: … ja, ich weiß, dass man das von mir sagt, wobei ich als Unternehmer eigentlich nur so handle, wie es normal sein müsste …
… und zwar Arbeitsplätze zu Hause zu schaffen, anstatt sie ins Ausland zu verlagern. Sie sind ein scharfer Kritiker der Arbeitsplatzverlagerung. Warum sollte sich ein Unternehmer verpflichtet fühlen, nicht ins Ausland zu gehen?
Gegenfrage: Warum fühlen Sie sich als Vater verpflichtet, zuerst Ihren Kindern zu essen zu geben, bevor Sie in China irgendwelche wohltätigen Initiativen starten? Sie haben dazu ja auch keine Verpflichtung. Trotzdem ist es ganz normal, dass ich zuerst in meinem Heimatland meine Pflicht erfülle, zuerst meinen Nachbarn helfe, bevor ich Fremden helfe, zuerst dem helfe, der auch mir hilft. Ich bin seit 45 Jahren Unternehmer, und ich habe Mitarbeiter, die mir in all den Jahren geholfen haben, mein Geld zu verdienen. Soll ich diese Leute fortschicken? Es ist doch eine moralische Verpflichtung, nicht nur in guten Zeiten zu den Mitarbeitern zu stehen, sondern auch in schwierigeren Zeiten.
Unternehmen müssen Geld verdienen, sonst haben sie keine Existenzberechtigung. Von daher ist die Suche nach dem besten Wirtschaftsstandort doch nichts Verwerfliches, oder?
Zeigen Sie mir ein Unternehmen in der Textilbranche, dem es besser geht, seit es ausländische Fertigungsstätten hat und die dortigen billigeren Arbeitskräfte nutzt. Wo immer ich das sage, sagt man mir: „Herr Grupp, Sie haben ja recht.“ Das, was ich mache, ist normal, ist banal. Daher ist mir in 45 Jahren auch nie ein Unternehmensberater ins Haus gekommen. Wenn ich mir von einem Fremden sagen lassen müsste, was in meinem Unternehmen falsch läuft, dann wäre es höchste Zeit, dass ich meinen Platz räume.
Derweil klagen Unternehmerkollegen überall in Deutschland und überhaupt in Mitteleuropa darüber, dass Mitteleuropa als Produktionsstandort nicht konkurrenzfähig sei, siehe Steuerbelastung, siehe Lohnkosten, siehe Bürokratie. Wird Mitteleuropa als Produktionsstandort schlechter geredet, als es ist?
Natürlich wird es das. Es wäre schlicht der Niedergang Europas, wenn es als Produktionsstandort tatsächlich nicht mehr konkurrenzfähig wäre. Wir können doch nicht ernsthaft glauben, dass es jemanden im Ausland gibt, der uns Königen die Arbeit abnimmt, damit wir weiter Könige bleiben können. Das Ausland macht die Arbeit, solange es dazulernen muss. Sobald die Leute feststellen, dass sie die Arbeit ohne uns gleich gut machen können, werden sie das tun. Mit anderen Worten: Wenn wir zulassen, dass das Ausland unsere Arbeitsplätze bekommt, dann verlieren wir jenen technischen Vorsprung, den uns unsere Väter und Großväter überantwortet haben, und werden überrollt.
Sie halten also nichts vom Argument, wonach auch der Heimatstandort gestärkt wird, wenn sich Teile des Unternehmens im Ausland entwickeln.
Es ist klar zu unterscheiden: Massenprodukte sollen die Billiglohnländer produzieren, da sind wir Europäer nie und nimmer konkurrenzfähig. Technisch hochwertige Produkte müssen in Europa produziert werden, weil der Kunde bereit ist, für den Mehrwert mehr zu zahlen.
Zählen Sie Textilien ernsthaft zu den technisch hochwertigen Produkten?
Unsere Stärken sind Qualität und Flexibilität. Dafür sind die Kunden bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Ich betrachte Wachstum in unserer bedarfsgedeckten Wirtschaft nicht als ständige Kapazitätsausweitung, sondern als kontinuierliches Wachstum der Produktwertigkeit. Daher geben wir preisumkämpfte Produkte, die vor zehn Jahren noch Gewinne garantierten und es heute nicht mehr tun, rechtzeitig ab und setzen dafür „oben“ neue, innovative Produkte drauf.
Woher kommt eigentlich Ihre Liebe zum Wirtschaftsstandort Deutschland?
Es ist nicht eine Liebe zu Deutschland, sondern eine Liebe zu meiner Heimat. Aber ich produziere ganz sicher nicht allein aus Liebe zu meiner Heimat ausschließlich in Deutschland. Wissen Sie, nur Menschen, die Arbeit haben, können meine Produkte kaufen. Mit Arbeitslosen mache ich kein Geschäft.
Ihre Treue zum Wirtschaftsstandort Deutschland ist also nicht als eine Selbstbeschränkung zu verstehen, nach dem Motto: „Es geht mir gut, ich muss nicht nach noch mehr Gewinn streben“?
Überhaupt nicht. Ich bin ein Egoist, ein Kapitalist. Mir soll es gut gehen. Nur weiß ich, dass es mir nur gut gehen kann, wenn es meinem Umfeld ebenfalls nicht ganz so schlecht geht. Wenn Sie mit Ihrem Pferd die Goldmedaille gewinnen wollen, dann werden Sie ihm wahrscheinlich etwas zu fressen geben und es pflegen und hegen. Und Sie werden auf ein gutes Pferd setzen. Ich weiß aus Erfahrung, dass unsere Arbeitskräfte Qualität abliefern, wenn sie richtig eingesetzt werden.
Zu einem anderen Thema: Bekannt geworden sind Sie, als Sie ab Mitte der 1990er-Jahre Werbung mit einem Schimpansen machten. Hatten Sie erwartet, dass die TV-Spots so viel Aufsehen erregen würden?
So etwas lässt sich nicht planen.
Und warum eigentlich ein Schimpanse?
Ich bin ein Schwabe – und wenn ich Geld für etwas ausgebe, dann will ich etwas davon haben. Also wollte ich einen Werbespot, der aus dem Rahmen fällt. Zum Beispiel hätte ich mir gut vorstellen können, dass das Trigema-Logo eingeblendet wird, aber ansonsten Totenstille herrscht – damit jeder, der bei der Werbung aufsteht, um sich etwas zu holen, zurückgeht, um zu sehen, ob der Fernseher kaputt ist. Dann wurde mir das Konzept mit dem Schimpansen angeboten, das ein japanischer Konzern nicht haben wollte. Unser Spot sorgte für Aufsehen, es wurde darüber diskutiert – da war es mir völlig egal, dass Werbefachleute den Spot grottenschlecht fanden.
Was hat das Trikotsponsoring im Fußball gebracht? Trigema war Sponsor zahlreicher Bundesligavereine.
Wir haben 13 Bundesligavereine gesponsert, zu Zeiten, als das noch einigermaßen erschwinglich war – Schalke 04 war 1979 die erste Mannschaft. Das Trikotsponsoring hat sehr viel gebracht, damit sind wir bekannt geworden. Als wir damit dann aufhörten – erstens, weil es mit dem Aufkommen der Champions League sündhaft teuer wurde, zweitens, weil ich mit gewissen Gepflogenheiten in der Fußballwelt nicht mehr einverstanden war –, kam die Sache mit dem Schimpansen.
Sie teilen sich ein Großraumbüro mit Ihren Mitarbeitern, was für einen Chef eines 1.200-Mitarbeiter-Unternehmens recht ungewöhnlich ist. Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Chef aus?
Das müssen Sie meine Mitarbeiter fragen. Ich maße mir nicht an zu behaupten, dass ich als Chef alles richtig mache. Und die Sache mit dem Großraumbüro ist schnell erklärt: Ich bin von Natur aus faul und will nicht sinnlos durch die Büros rennen, um dann den Mitarbeiter, den ich brauche, telefonierend anzutreffen und unverrichteter Dinge wieder abziehen zu müssen. Wir sehen uns hier gegenseitig, die Wege sind kurz – das ist viel effizienter, praktischer, zeitsparend. Sehen Sie, ich tue nichts aus einem sozialen Grund. Alles, was ich mache, tue ich deshalb, weil ich denke, damit mehr Geld zu verdienen oder weniger Probleme zu haben.