Latzfons/Turin/Wien – „Sorry, ich musste noch Microsoft Teams updaten“, entschuldigt sich Elisa Pfattner, als sie in das Online-Meeting einsteigt. Die 20-Jährige lebt in Wien und erholt sich aktuell von einem Kapseleinriss im Knie. „Das ist nix brutal Schlimmes“, betont die junge Sportlerin. In ihrer Karriere habe sie bis auf eine größere Verletzung viel Glück gehabt.
Ein bisschen davon braucht es, wenn man es so weit schaffen will, wie Elisa Pfattner. Wie von so vielen anderen Kindern war es auch ihr Traum, Fußballprofi zu werden. Auf ihrem Weg dorthin gab es einige Stationen, bis sie vom ersten Proficlub entdeckt wurde. Ein Weg, der von vielen Höhen und Tiefen geprägt war – und immer noch ist.
Vom Garten in die Nationalmannschaft
Die Leidenschaft für Fußball wurde Elisa Pfattner förmlich in die Wiege gelegt. Ihre ersten Ballkontakte machte die 20-Jährige gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Vater zuhause im Garten in Latzfons. Schon mit sieben Jahren lief sie als Torfrau für den örtlichen Sportverein auf, ehe sie später ihren Weg in den Angriff fand.
Nach dem Vorbild der älteren Schwester probierte sich Pfattner auch im Volleyball. Endgültig für den Fußball entschied sich die Latzfonserin in der Mittelschule, als sie zur Mädchenmannschaft nach Brixen wechselte. Nicht zuletzt, da eine Karriere im Volleyball wohl an der Körpergröße von 1,64 Metern gescheitert wäre. „Im Endeffekt war es wahrscheinlich der richtige Weg für mich“, so Pfattner schmunzelnd.
Schon als Kind habe sie vom Profisport geträumt. In Word-Dokumenten schrieb Pfattner sich selbst Einladungen zu Probetrainings von bekannten Proficlubs. Der Aufstieg in die Serie-C-Mannschaft in Brixen mit 14 Jahren war ihr erster Schritt in die richtige Richtung. Dort traf Pfattner erstmals auf andere Frauenmannschaften. Bis dahin hatte sie mit ihrem Team aus Mädchen gegen Jungs gespielt. Ihr Talent wurde zusätzlich im Leistungszentrum in Neumarkt gefördert, wo sie mit ausgewählten Fußballer:innen trainierte. Bereits mit 14 wurde Elisa Pfattner auch in die U16-Nationalmannschaft der Damen berufen.
„Obwohl meine Zeit in der Mittelschule oft stressig war, habe ich das nie wirklich als Hürde gesehen“, so Pfattner. Nach dem Unterricht besuchte sie die Musikschule, um Gitarre zu lernen. Dann brachten sie die Eltern direkt zum Training nach Neumarkt. Abends mussten die Hausaufgaben erledigt werden. Gemeinsam mit ihrer ebenfalls fußballspielenden Cousine, Eva Schatzer, entschied sich Pfattner nach der Mittelschule für die Sportoberschule und das Heim in Mals. Genauer gesagt für die Fußballklasse.
Der Weg zu Juventus Turin
In Mals stand tägliches Training auf dem Programm. Pfattner lernte früh, Prioritäten zu setzen, um ihren Weg in den Profibereich zu schaffen. Im November 2019 dann ein Schreckmoment – die Fußballerin zog sich einen hinteren Kreuzbandriss zu. Während des Corona-Lockdowns musste sie ihre Reha eigenständig bewältigen. Gleichzeitig dachte Pfattner mit ihrer Cousine ernsthaft über einen Vereinswechsel nach. Ein Schlüsselkontakt bei den Wechselgesprächen war Juri Pellegrini, Trainer im Leistungszentrum in Neumarkt. Er gilt als bestens vernetzt im italienischen Profifußball.
Trotz der Verletzung zeigte ein Club besonders großes Interesse: Juventus Turin. „Es war surreal, als das Angebot kam“, erinnert sich Pfattner. Während des Lockdowns wurden alle Details per Facetime abgeklärt. Rechtzeitig zum Training im Sommer 2020 war die Latzfonserin wieder einsatzbereit. Auf dem Feld konnte sie gleich beeindrucken. Nach nur zwei Wochen in der U-17 wurde Pfattner in die U-19 aufgenommen.
„Abseits des Feldes waren die ersten Monate in Turin nicht einfach“, erzählt Pfattner. „Ich war 16 Jahre alt, mitten in der Pubertät und musste mich an den italienischen Unterricht in der Schule gewöhnen.” Während sie in Südtirol eine Musterschülerin war, musste sie in Turin erstmals mehr Zeit in die Schule investieren. Diese war an die Fußballer:innen angepasst: Entweder man ging sowohl zur Schule als auch zum Training, oder man verpasste beides. Anders gesagt: wer vormittags nicht zur Schule kommt, darf nachmittags nicht trainieren. „Man konnte also nichts vernachlässigen. Nachwuchsspielerinnen und -spieler müssen mit diesem Druck umgehen. Der mentale Aspekt im Profisport ist ebenso wichtig wie der körperliche. Wenn diese beiden Faktoren nicht zusammenarbeiten, kann man nicht seine besten Leistungen bringen. Ich würde mir wünschen, dass Sporttherapeutinnen und –therapeuten ein größeres Thema werden. Sie könnten mit den Athletinnen und Athleten daran arbeiten, diese Drucksituationen besser zu bewältigen.“ Nach einigen Monaten habe sich Elisa Pfattner in Turin dann gut eingelebt und im Verein sehr wohl gefühlt.
Sneaker oder Fußballschuhe?
In der Saison 2021/2022 debütierte Pfattner unter Trainer Joe Montemurro in der ersten Mannschaft und erzielte bei ihrem ersten Startelf-Einsatz gegen Brescia in der Coppa Italia direkt ihr erstes Profi-Tor. Der Übergang ins Profi-Dasein war nicht immer leicht: „Man wird von außen nur noch durch sportlichen Erfolg definiert. Ich war dann einfach ‚die Juve-Spielerin‘.“ Mittlerweile habe sie sich mit diesem Bild abgefunden. Pfattner betont jedoch: „Hinter jedem Profi steckt noch immer ein normaler Mensch.”
„Man wird von außen nur noch durch sportlichen Erfolg definiert. Ich war dann einfach ‚die Juve-Spielerin‘.“
Seit November 2021 wird Elisa Pfattner von Claudia Romanelli unterstützt. Die Beraterin pflegt den Austausch mit Vereinen und kümmert sich etwa um Vereinswechsel, sodass sich Pfattner ausschließlich auf den Fußball konzentrieren kann. Auch Sponsorings werden über das Management abgewickelt. Pfattner wird bereits seit längerem von Nike gesponsert: “Das ist ein großer Luxus. Ich bekomme immer mein Equipment und habe zudem ein Budget, das ich ausgeben darf. Fashion ist für mich ein großes Thema, und ich habe schon einiges an Kleidung angesammelt.” Besonders Sneaker haben es der Fußballerin angetan. Alleine in ihrem Zimmer zählt sie rund 15 Paar.
Während der Maturaprüfungen im Sommer 2023 unterschrieb Elisa Pfattner ihren ersten Profivertrag bei Juventus Turin. „Ich habe erst realisiert, dass es mein erster wirklicher Profivertrag war, als ich es in den Medien las. Das war sehr lustig“, erzählt sie lachend. Rückblickend äußert sie sich sehr zufrieden: „Es hätte nicht besser laufen können.“
Noch im selben Sommer wechselte Pfattner auf Leihbasis zum USV Neulengbach in die österreichischen Frauen-Bundesliga. Obwohl der Wechsel von außen unerwartet wirkte, war er für Pfattner ein bewusster Schritt. Nach 15 Jahren im italienischen Fußball wollte sie etwas Neues erleben. Angebote gab es viele – sowohl aus Italien als auch aus dem Ausland. Durch ihr Management kam es schlussendlich zum Treffen mit dem USV Neulengbach.
Neue Saison, neuer Verein
Neulengbach liegt etwa 20 Autominuten von Wien entfernt. Den Wechsel nach Österreich sieht Pfattner als wichtigen Zwischenschritt. In 34 Spielen kam sie auf 2.950 von möglichen 3.060 Einsatzminuten. „Davon können viele andere Jugendspielerinnen nur träumen“, so Pfattner. Während es in Italien mehr um die taktischen Aspekte gehe, lerne Pfattner in Österreich vor allem den physischen Aspekt besser kennen. „Dieser Teil hat mir sicherlich gefehlt, und er bringt mich als Fußballspielerin weiter“, erklärt Pfattner.
Den Wechsel nach Österreich habe sie nie bereut, auch nicht die Verlängerung der Leihe für eine weitere Saison. „Ich hatte viele Angebote, aber es geht mir wirklich gut in der Mannschaft und der Stadt“, so Pfattner. Inzwischen ist Pfattner nach Wien gezogen, wie sie erzählt, „Das Stadtleben passt besser zu mir. Wien ist einfach ein großartiges Umfeld.“ Mit der Mannschaft trainiert sie fast täglich, manchmal auch zweimal am Tag. Die Zeit abseits des Fußballplatzes weiß Pfattner zu nutzen. Ihr Tagesablauf ist strukturiert. Morgens geht es ins Fitnessstudio, danach wird gelernt. Pfattner absolviert ein Fernstudium im Bereich Sportmanagement. Nach dem Mittagessen hat sie Zeit für sich, dann zeichnet sie. Die Fußballerin hat mittlerweile eine Leidenschaft für Kunst und die Malerei entwickelt. „Früher hätte ich mir das nie vorstellen können”, erzählt die Südtirolerin. Um 16 Uhr geht es dann zum Training. „Abends mache ich dann oft etwas mit Freunden. Mittlerweile habe ich mir ein cooles Umfeld geschaffen, was mir in dieser Lebensphase sehr wichtig ist”, so Pfattner. An freien Tagen liest sie Bücher und probiert andere Sportarten aus, etwa Bouldern oder Spikeball.
„Man spielt Fußball bis maximal 30“
Aktuell lebt Pfattner vom Fußball. „Reich wird man damit im Frauenbereich aber nur in seltenen Fällen“, so die Latzfonserin. Ähnlich wie in der Südtiroler Berufswelt sei auch im Frauenfußball das Thema Gehalt ein Tabuthema. „Darüber wird nicht wirklich gesprochen. Ich finde das aber auch nicht schlimm. Vielleicht ist es sogar besser. Es gibt bereits starken Konkurrenzkampf auf dem Feld, dann muss es nicht außerhalb vom Feld auch noch so sein“, meint Pfattner. Auf die Karriere nach dem Profisport werde man von den Clubs selbst nicht vorbereitet. „Ich kenne viele Spielerinnen, die keinen Plan B haben. Doch man spielt Fußball bis maximal 30“, so Pfattner.
„Reich wird man damit im Frauenbereich aber nur in seltenen Fällen.“
Angesprochen auf ihre Zukunft wirkt Elisa Pfattner gelassen. Sie strebe nicht nach dem Ballon d’Or, der Auszeichnung, mit dem jährlich die besten Fußballer:innen der Welt gekürt werden. Pfattner will ihren besten Fußball spielen, um dann möglichst viele Optionen zu haben. „Ich verdiene mit Fußball mein Geld, möchte möglichst viel von der Welt sehen und meine Erfahrungen im Leben machen“, so die 20-Jährige entspannt. Bisherige Entscheidungen bereue sie keine: „Alle Erfahrungen, egal ob gut oder schlecht, gehören zum Leben dazu. Ich befasse mich aber nicht viel mit der Vergangenheit, weil ich sowieso nichts daran ändern kann.“ Nach ihrem Karriereende könne sie sich vorstellen, eine Funktion im Sportmanagement anzutreten. „Wer weiß, vielleicht bringt es mich dahin. Aber es kann sich natürlich auch noch ändern“, so Pfattner.
Vorerst liegt der Fokus auf dem nächsten Spieltag. Sobald der Ball wieder rollt, ist Elisa Pfattner in ihrem Element – so, wie sie es bereits zu Hause im Garten in Latzfons war.
Tobias Vieider
DER AUTOR absolviert ein Sommerpraktikum bei der SWZ.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie hier und in der SWZapp.