Tik tak tik tak. Die Uhr tickt so, wie die Zeit verrinnt: mit stoischer Ruhe, immer gleich, für uns alle. Und doch vergeht die Zeit mal zu schnell, mal zu langsam. Mal ist sie zu wenig, mal zu viel. Die einen müssen die Zeit managen, die anderen sie totschlagen. Freilich gibt Letzteres niemand gerne zu, denn wer zu viel Zeit hat, wird in unserer Gesellschaft bemitleidet. So jemand muss lustlos sein, desinteressiert, ohne Freunde. Sonst ist das nicht möglich. Irgendwie prahlen wir gerne mit allem, was wir im Überfluss haben, viel Besitz, viel Arbeit, viele Hobbys. Viel Zeit hingegen, nein, das will niemand haben. Zeit muss knapp sein und alles andere üppig, dann ist man wer in unserer Gesellschaft.
Was ist da schiefgelaufen?
Mit der Zeit ist es so eine Sache. Das fängt schon bei deren Messung an. Ein Jahr hat zwölf Monate, ein Monat mal 28, mal 30 und mal 31 Tage, ein Tag 24 Stunden, eine Stunde 60 Minuten und eine Minute – endlich wird’s einfach – 60 Sekunden. Wer schon mal versucht hat, dieses Chaos einem Kind zu erklären, fragt sich, was da schiefgelaufen ist. Warum um Himmels Willen ging das nicht ähnlich einfach wie bei anderen Maßeinheiten? Ein Meter sind zehn Dezimeter sind zehn Zentimeter sind zehn Millimeter. Geht doch!
Mal ist die Zeit zu wenig, mal zu viel. Die einen müssen die Zeit managen, die anderen sie totschlagen.
Als wäre die Zeitmessung nicht schon kompliziert genug, wird die Zeit in unseren Breitengraden auch noch zwei Mal im Jahr umgestellt. Bald steht die Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit wieder an, dann ist es am Abend wieder länger hell bzw. gaukeln uns das unsere Uhren zumindest vor. In jener Nacht wird uns eine Stunde geraubt, sagen wir, dabei bestehlen wir uns selbst, mit dem Ergebnis, dass Menschen und Tiere durcheinanderkommen.
Aber war da nicht was? Genau, 2018 hat die EU-Kommission eigentlich vorgeschlagen, den ständigen Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit aufzugeben, und 80 Prozent der Europäer:innen haben zugestimmt – oder besser: 80 Prozent von jenem einen Prozent der Europäer:innen, die an der Umfrage teilgenommen haben. Passiert ist seitdem nichts, und das wird wahrscheinlich so bleiben. In der Praxis ist die Abschaffung der Zeitumstellung nämlich nicht so einfach. Also drehen wir weiterhin zwei Mal im Jahr brav an der Uhr.
Welche Zeit gilt auf dem Mond?
Aber das sind alles Sandkastenspiele im Vergleich zu dem, was die Zeit jetzt auf dem Mond anrichtet. Wie spät es auf dem Mond ist, kann nämlich niemand wirklich sagen. Das muss sich ändern, meint die Europäische Weltraumorganisation Esa: Die Welt, nein, das Universum braucht eine Mondzeit!
Bisher war es so, dass sich die Mondmissionen nach der Zeit jenes Landes orientierten, von dem aus sie starteten. Die Amis brachten ihre Zeit mit, die Sowjets ihre. Das war kein großes Problem, denn allzu viele bemannte Mondmissionen gab es bisher ohnehin nicht. Der letzte bemannte Flug zum Mond war die US-Mission Apollo 17 im Dezember 1972, also vor schlappen 50 Jährchen.
Jetzt aber beabsichtigen sowohl die USA – gemeinsam mit Europa, Kanada und Japan – als auch Russland, China und Indien die Einrichtung fixer Mondstationen. Eine einheitliche Zeit wäre da recht praktisch, meint die Esa. Sonst wird die Kooperation schwierig. Dass Amis und Russen auf dem Mond kooperieren wollen, ist eher unwahrscheinlich. Aber vielleicht wollen die anderen? Wenn sich die Raumfahrer:innen für 15 Uhr verabreden, aber unterschiedliche Zeitzonen meinen, dann wird das freilich nix mit der Kooperation. Also muss eine Mondzeitzone her. Wie das gehen soll, steht in den Sternen. Die Amis werden ihre Zeit auf dem Mond installieren wollen, die Russen die ihre, und die Chinesen geben sowieso nicht nach.
Das ist aber nicht das einzige Problem. Das zweite Problem hat Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie verbockt. Wäre dieser Einstein nur nicht so intelligent gewesen! Weil er es war, wissen wir heute, dass die Uhren auf dem Mond schneller gehen als auf der Erde – um etwa 56 Mikrosekunden pro Tag nur, aber immerhin. Das hat mit der Gravitation zu tun. Und damit ist das Schlamassel perfekt. Während wir die Zeit auf der Erde exakt per Atomuhr messen können, funktioniert das auf dem Mond nicht. Dort ticken die Uhren schneller.
Was also tun? Am besten nehmen wir die Zeit, wie sie ist. Finden wir uns damit ab, dass sie ihre eigenen Gesetze hat. Zumindest wissen wir nun aber, warum manche Menschen hinter dem Mond leben. Sie wollen nur nicht ständig die Zeit totschlagen müssen.