Villach – Aus Perspektive der Gäste ergab die aktuelle „Zukunftsstudie Wintertourismus“ (siehe dazu nebenstehende Infobox) interessante Erkenntnisse zu Reiseabsichten und -anforderungen. So sind die aktuellen Buchungen derzeit zwar gering, die Buchungsabsichten jedoch relativ hoch. Mit 26 Prozent sind die 18- bis 29-Jährigen die größte Gruppe, die im Winter verreisen möchte, aber bisher nichts Konkretes geplant hat. Bei den 60- bis 69-Jährigen liegt die Bereitschaft hingegen nur bei zehn Prozent. Bereits gebucht haben mit 4,7 Prozent wiederum am häufigsten die 18- bis 29-Jährigen.
Die Perspektive der Gäste
Neben Skifahren spielen in der kommenden Wintersaison vor allem sanfte Bewegungsformen eine große Rolle, wie Winterwandern, Rodeln oder Eislaufen. „Nature Pleasure vor Socio Pleasure“, hieß es bei der Studienvorstellung dazu.
Eine überdurchschnittlich große Rolle bei der Buchungsentscheidung spielen die getroffenen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen im Zielgebiet. Dass ihnen diese sehr wichtig bzw. wichtig sind, geben 69,9 Prozent der Befragten in Italien an. An zweiter Stelle finden sich die Deutschen mit 64,3 Prozent. Mit 39,6 Prozent legen die befragten Tschechen am wenigsten Wert auf Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Österreicher und Schweizer liegen mit 61,8 Prozent bzw. 50,7 Prozent im Mittelfeld.
Die Gastgeber-Perspektive
Das Stimmungsbarometer unter den Gastgeber*innen – befragt wurden ausschließlich Verantwortliche von Betrieben in Ferienregionen, keine von Stadt- und Kongresshotels – ergibt Folgendes: Zum Befragungszeitraum (September 2020) lag der Buchungsstand für die Wintersaison bei einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Ein hoher Stammgastanteil wird für die Betriebe als Vorteil bezeichnet. Die Buchungen erfolgen extrem kurzfristig, die Gäste verhalten sich abwartend.
Die Herausforderungen und Sorgen, die die Betriebe am meisten umtreiben, sind Grenzöffnungen bzw. -schließungen (56,9 Prozent) und Infektionen im eigenen Betrieb (50,5 Prozent). Die finanzielle Situation liegt mit 33,2 Prozent an vierter Stelle.
Aus gegebenem Anlass bereiten sich die Betriebe mit besonderen Maßnahmen auf die kommende Wintersaison vor. Ein individuelles Hygiene- und Sicherheitskonzept liegt hier mit 61,5 Prozent an erster Stelle der Maßnahmen (Mehrfachnennungen möglich). 28,2 Prozent führen verstärke Covid-19-Testungen bei Mitarbeiter*innen durch, 25,4 Prozent intensivieren die Schulung ihrer Mitarbeiter*innen. Zugleich geben aber immerhin 32,3 Prozent der Befragten an, keine speziellen Maßnahmen zu ergreifen und so weitermachen zu wollen wie bisher.
Bei näherer Betrachtung der Zahlen ergibt die Befragung, dass Betriebe, die schon in der Sommersaison geöffnet hatten bzw. haben, sich bereits intensiver mit strategischen Fragen beschäftigen. Hotels, die erst zur Wintersaison eröffnen, sind wesentlich stärker mit operativen Themen wie der Einführung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen, rechtlichen Rahmenbedingungen und Mitarbeiter*innenschulung ausgelastet.
Insgesamt gelte es, heißt es in der Aussendung zur Präsentation der „Zukunftsstudie Wintertourismus“, „Mut zum Preis“ zu zeigen und sich nicht durch die kurzfristigen Gästebuchungen und die daher unsichere Planbarkeit zu Niedrigpreisen verleiten zu lassen. Die Leistung in den Vordergrund zu stellen, aktiv und klar zu kommunizieren, Stammgäste verstärkt anzusprechen, da es am Stammgastmarkt weniger Kannibalisierung gibt und sich nicht automatisch auf Revenue- und Yield-Management-Systeme zu verlassen, gehöre ebenso zu den Aufgaben wie die strategische Weiterentwicklung mit einer klaren Positionierung und Differenzierung, um das Vertrauen des Gastes zu gewinnen. Denn Vertrauen stelle die neue Gästewährung dar.
Die Perspektive der Destinationen
Interessant für Destinationen, Ferienregionen und Urlaubsorte sind die Erkenntnisse der Befragung zum Thema Reisebudget. Lediglich bei 9,8 Prozent der Befragten liegt das Budget im Vergleich zum Vorjahr niedriger oder viel niedriger. Bei weit über der Hälfte (59,1 Prozent) ist das Budget auf einem ähnlichen Stand. 25 Prozent haben indes mehr oder deutlich mehr zur Verfügung, da weniger Städtereisen und Kurztrips durchgeführt wurden und Fernreisen nahezu vollständig weggefallen sind.
Im Ländervergleich in absoluten Zahlen liegt das Durchschnittsbudget für eine Woche Winterurlaub in den Bergen bei den Befragten in den Niederlanden bei 2.009 Euro, die damit Spitzenreiter sind. Über das niedrigste Reisebudget verfügen die Umfrageteilnehmer*innen in Polen mit durchschnittlich 1.165 Euro.
„Tourismusmarketing“, unterstrich Karin Niederer von Kohl & Partner am Rande der Studienpräsentation, „wird sich radikal verändern. In Zukunft wird bis zum letzten Skitag um jeden Gast aktiv geworben, und die Vorteile und Mehrwerte aus Gastsicht müssen klar kommuniziert werden.“
Info
Zur Studie
Gemeinsam mit den Studienpartnern Kohl & Partner, dem Europäischen Tourismus Institut (ETI) und ProjectM hat Saint Elmo’s Tourismusmarketing Wien in den vergangenen Wochen die mehrdimensionale „Zukunftsstudie Wintertourismus“ durchgeführt. Bei einer digitalen Konferenz Anfang dieser Woche wurden die ersten Zwischenergebnisse präsentiert und in einer Expert*innenrunde mit Touristikern aus dem Alpenraum Erkenntnisse abgeleitet. Für die Studie wurde im September 2020 die Sicht der Gäste über eine Repräsentativ- sowie in einer Special-Interest-Befragung (NPS) in Zusammenarbeit mit Skimedien, Wetter- und Reiseplattformen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Belgien, Tschechien und Polen erhoben. Insgesamt wurden 8.100 Endverbraucher befragt. Die Sicht der Gastgeber aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz zeigt das Kohl-&-Partner-Stimmungsbarometer mit insgesamt 575 beantworteten Fragebögen. Und die Sicht der Marketingorganisationen zeigt auf, welche Märkte und Zielgruppen Perspektiven und Chancen für den Wintertourismus bieten. Weitere Erhebungsformen waren eine H-Benchmark-Destinationsanalyse mit Echtdatenvergleich sowie eine Delphi-Befragung interessierter Touristiker*innen und Expert*innen. Die Studie (inklusive Thesen, Meinungen und Erkenntnissen von Experten sowie Handlungsempfehlungen) kann ab Anfang November beim ETI unter info@eti-institut.de bestellt werden (Preis: 490 Euro).