Bozen – Mitte Mai berichtete Orf Tirol auf seinem Onlineauftritt darüber, dass die oppositionelle Liste Fritz im Tiroler Landtag eine fünfjährige Bausperre für Lifte und Skigebietserweiterungen beantragt habe. Klubobmann Markus Sint wurde mit der Aussage zitiert, er erwarte sich „ein klares Bekenntnis“ der Landesregierung, „dass es Grenzen gibt und wir nicht auf jedem Gipfel einen Lift brauchen“. Die schwarz-grüne Landesregierung ließ Orf Tirol zufolge rasch wissen, dass eine Bausperre gesetzlich nicht umsetzbar sowie die geltenden Regelungen für Skigebietserweiterungen ohnehin schon sehr streng seien. Und Seilbahnersprecher Franz Hörl bezeichnete den Vorschlag als „völligen Unsinn“. Es gebe, so Hörl weiter „überhaupt keine Notwendigkeit, hier etwas zu ändern. Wenn sie jetzt ein Skigebietsprogramm machen, wo man fünf Jahre nichts mehr bauen kann, dann verlieren wir international noch mehr als ohnehin schon.“
Bau von Aufstiegsanlagen wird dies- und jenseits des Brenners kritisch gesehen
Alles in allem zählt Tirol um die 90 Skigebiete und mehr als 1.000 Liftanlagen. Zuletzt sorgte ein möglicher Zusammenschluss der Gletscherskigebiete Ötztal und Pitztal für Polemiken, Ende April wurde eine Petition mit 168.000 Unterschriften gegen dieses Projekt der Landesregierung übergeben.
Klubobmann Markus Sint wurde mit der Aussage zitiert, er erwarte sich „ein klares Bekenntnis“ der Landesregierung, „dass es Grenzen gibt und wir nicht auf jedem Gipfel einen Lift brauchen“.
Auch in Südtirol wird der Bau von Aufstiegsanlagen immer wieder von Protesten und Polemiken begleitet. Jüngstes Beispiel ist die Pendelbahn von St. /Tiers zur Frommeralm im Skigebiet Carezza (siehe dazu auch SWZ Nr. 13/22, nachzulesen hier auf SWZonline und in der SWZapp).
Es ist dies eine von ca. 360 Aufstiegsanlagen, die in Südtirol gezählt werden. Die Zahl ist zwar deutlich geringer als beim nördlichen Nachbarn, dennoch ist die Bedeutung des Seilbahnsektors für die heimische Wirtschaft nicht unwesentlich. „Die Seilbahnen“, heißt es in der astat-Publikation „Seilbahnen in Südtirol“ (bezogen auf 2020), „ergänzen das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs in Südtirol und spielen ohne Zweifel eine wichtige Rolle im Tourismus, vor allem in der Wintersaison. Die meisten Seilbahnen wurden vor allem für den Skisport errichtet, wenngleich in den letzten Jahren die Nutzung einiger Anlagen auch im Sommer zugenommen hat. Sie fördern den Tourismus in den Bergregionen und tragen somit zu einem höheren Wohlstand vieler Täler im Alpenraum bei.“
„Branche mit bestimmter Investitionsnotwendigkeit“
Wie der Nordtiroler Hörl hält – erwartungsgemäß – auch Helmut Sartori, Präsident des Verbandes der Seilbahnunternehmer Südtirols, einen Baustopp für Südtirols Seilbahnwirtschaft für nicht umsetzbar. „Wir haben“, betont Sartori, „in der Branche eine bestimmte Investitionsnotwendigkeit. Zum Beispiel gibt es technische Vorschriften und Vorgaben, dass Anlagen revisioniert werden und in definierten Abständen zum Teil oder ganz ausgetauscht werden müssen.“ Dazu gebe die Weiterentwicklung eines Betriebes oder eines Gebietes bestimmte Projekte vor. „Etwa zwei aufeinander folgende Anlagen, die aus technischen Gründen erneuert werden müssen, zusammenzulegen, eine Anlage zu verlängern, um die Skifahrerflüsse im Gebiet anders zu leiten, oder die Förderleistung zu steigern“, führt Sartori aus, wobei er auch betont: „Von neuen Gebieten sprechen wir nicht, allerdings sollten Zusammenschlüsse – dort wo möglich und sinnvoll – machbar sein.“ Bestimmte Weiterentwicklungsmöglichkeiten seien nicht nur für die Skigebiete, sondern genauso für die diese umliegenden Regionen notwendig.
„Wir haben in der Branche eine bestimmte Investitionsnotwendigkeit. Zum Beispiel gibt es technische Vorschriften und Vorgaben, dass Anlagen revisioniert werden und in definierten Abständen zum Teil oder ganz ausgetauscht werden müssen.“
Dass hierzulande keine neuen Skigebiete mehr erschlossen werden sollen, hat auch Landeshauptmann Arno Kompatscher beim „Gemeinsamen Südtiroler und Tiroler Seilbahnertag“ im Rahmen der Messe Prowinter Mitte April unterstrichen. Dabei erklärte Kompatscher aber auch, dass es Investitionen in die Qualitätsverbesserung durch neue Anlagen geben sollte und dass Skigebiets-Verbindungen in Südtirol weiter möglich bzw. anzustreben seien. Angekündigt hat Kompatscher zudem, dass das Thema Beschneiung und der Bau neuer Speicherteiche breiten Raum in Südtirol bekommen und das Land den Ausbau der Speicherkapazitäten weiter fördern werde.
Vergangenheit vs. Zukunft
Gerade mit den finanziellen Unterstützungen der öffentlichen Hand für Speicherbecken und auch für den Bau von Aufstiegsanlagen hadert der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. „Unser aller Ziel muss es sein, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die öffentlichen Gelder, die immer knapper werden, müssen deshalb dafür eingesetzt werden, die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern – und nicht, um Auslaufmodelle wie den Skitourismus in seiner derzeitigen Ausprägung zu unterstützen“, sagt Dachverbands-Geschäftsführerin Madeleine Rohrer. „Wir wollen, dass in die Zukunft investiert wird, nicht in die Vergangenheit.“
Auch ihr sei klar, dass ein alter Lift ausgetauscht werden müsse, doch der Ausbau von Beförderungskapazitäten sei problematisch. „Weil es dann mehr Energie braucht, die in Südtirol noch immer zu 60 Prozent aus fossilen Brennstoffen stammt, mehr Speicherbecken, mehr Parkplätze etc.“, ergänzt Rohrer. „Es sind dies keine zukunftsfähigen Projekte, weil der Klimawandel das Skifahren in unseren Breitengraden in absehbarer Zeit unmöglich machen wird.“
„Unser aller Ziel muss es sein, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die öffentlichen Gelder, die immer knapper werden, müssen deshalb dafür eingesetzt werden, die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern – und nicht, um Auslaufmodelle wie den Skitourismus in seiner derzeitigen Ausprägung zu unterstützen.“
Der Dachverband plädiere deshalb dafür, dass öffentliche Gelder ausschließlich in Projekte fließen, die einem sogenannten Klimacheck unterzogen wurden. Einen solchen Check habe beispielsweise, so Rohrer, das österreichische Klimaschutzministerium 2020 für das Bauprogramm der für Autobahnen und Schnellstraßen zuständigen Asfinag beauftragt. Alle geplanten Neubauprojekte wurden dabei auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft. „Es geht u.a. darum, zu sehen, wie viele Ressourcen ein Projekt verbraucht, wie viel Energie, ob eine Realisierung beim CO2-Abbau hilft“, erklärt Rohrer.
„Weitsichtigkeit durch Ressourcenschonung“
In diesem Sinne ist der Dachverband auch gegen den Neubau von Speicherbecken. „Laut dem Präsidenten der Südtiroler Seilbahnunternehmer“, sagt Rohrer, „braucht es bis 2024 das Doppelte an heutigem Speichervolumen. Das sind nach unseren Berechnungen mindestens weitere 30 neue Speicherbecken – vorwiegend oberhalb der Waldgrenze im alpinen Grünland. Für den Bau und den Betrieb dieser Becken braucht es Unmengen an Energie.“ Rohrer verweist auch darauf, dass für die Beschneiung das Wasser nicht nur gepumpt, sondern zum Teil auch gekühlt wird. „Heute schon machen Seilbahngesellschaften einen immer größeren Umsatz im Sommerbetrieb, der augenscheinlich weniger Energie braucht“, sagt Rohrer. „Weitsichtige Unternehmen setzen daher bereits auf ressourcenschonende Angebote.“
„Die Aufstiegsanlagen sind der Motor des Südtiroler Tourismus, vor allem im Winter, aber auch im Sommer. Wenn die Aufstiegsanlagen nicht in Betrieb sind, steht viel anderes auch still – es ist eine Kette. Deshalb ist es wichtig, dass bestimmte Entwicklungen zugelassen werden.“
Zudem plädiert der Dachverband für einen weiteren Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Land. „19 Prozent des CO2-Ausstoßes innerhalb des Verkehrs gehen auf die An- und Abreise der Touristen zurück; hier muss angesetzt werden – und öffentliches Geld investiert werden“, formuliert es Rohrer.
Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „die Schiene derzeit jene Infrastruktur ist, in die in den kommenden Jahren mit Abstand die meisten Investitionen getätigt werden, denn die Eisenbahn ist das Rückgrat des öffentlichen Personenverkehrs in Südtirol“. Daneben sei das Mobilitätsressort derzeit dabei, mit der Neuorganisation der außerstädtischen Busdienste den Landesplan zum Personenverkehr von 2018 umzusetzen, in welchem in Absprache mit den Gemeinden zahlreiche Verbesserungen beschlossen wurden und insgesamt rund fünf Millionen zusätzliche Buskilometer vorgesehen seien.
In Aufstiegsanlagen wurden in den vergangenen Jahren indes im Schnitt rund 20 Millionen Euro an öffentlichen Geldern jährlich investiert. „Die volkswirtschaftliche Wertschöpfung der Seilbahnanlagen“, so Alfreider, „beträgt laut wirtschaftlichen Hochrechnungen das Siebenfache dessen, was investiert wurde.“ Wichtig ist dem Landesrat dabei, zu betonen, dass große Skigebiete keine Beiträge erhalten, während vor allem kleinere Skigebiete und Dorflifte sowie Investitionen in die Sicherheit – also in Revisionen – gefördert werden.
Motor oder Gefahr?
„Die Aufstiegsanlagen“, sagt Seilbahner-Präsident Sartori abschließend, „sind der Motor des Südtiroler Tourismus, vor allem im Winter, aber auch im Sommer. Wenn die Aufstiegsanlagen nicht in Betrieb sind, steht viel anderes auch still – es ist eine Kette. Deshalb ist es wichtig, dass bestimmte Entwicklungen zugelassen werden.“
Rohrer dagegen merkt an, dass das Weltwirtschaftsforum in Davos bereits vor einigen Jahren angemahnt habe, dass der Klimawandel die größte Gefahr für die Weltwirtschaft ist.