Bozen – Die sogenannte Maskenaffäre wird um ein Kapitel reicher. Wie die Oberalp-Gruppe bekannt gibt, fordert sie nun mittels einer Zivilklage 30 Millionen Euro vom Südtiroler Sanitätsbetrieb ein.
Doch zuerst ein Blick zurück: Bei Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühling 2020 war es in Südtirol, genauso wie in vielen anderen Gegenden, zu einem Engpass bei Schutzmasken und -ausrüstung gekommen. Daraufhin beauftragte die Südtiroler Landesregierung die Firma Oberalp, Schutzausrüstung bei ihren Partnern in China zu organisieren. Die chinesischen Produzenten verlangten Vorauskasse, Oberalp finanzierte die Lieferungen vor. Doch der Betrag wurde nie an die Firma zurücküberwiesen, weil sich das gelieferte Material als fehlerhaft erwies. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln, unter anderem gegen Oberalp-Präsidenten Heiner Oberrauch. Die Ermittlungen gegen Oberrauch wurden im Mai vergangenen Jahres eingestellt.
Nach wie vor ermittelt wird gegen den damaligen Generaldirektor des Sanitätsbetriebs, Florian Zerzer, den stellvertretenden Covid-Einsatzleiter Patrick Franzoni und den Geschäftsführer des Unternehmens Oberalp, Christoph Engl.
Das Geld, das Oberalp vorgestreckt hatte, hat das Unternehmen immer noch nicht zurückbekommen. Dazu schreibt es in einer Aussendung: „Durch die Politik und die Verwaltung der Sabes wurde stets beteuert, dass Oberalp bezahlt wird. Nach vier Jahren, in welchen unzählige Gespräche und Kompromissversuche mit Politik und Sanitätsbetriebsmanagern gescheitert sind, damit die Oberalp das für den Sanitätsbetreib vorgestreckte Geld von diesem zurückerhält, verbleibt nur noch der Weg einer Zivilklage. Diese wird beim Landesgericht Bozen für einen Gesamtbetrag von rund 30 Millionen Euro eingebracht und lückenlos mit den beweisbaren Fakten begründet.“
Die gesamte Stellungnahme des Unternehmens lautet wie folgt:
Vier Jahre sind vergangen, seitdem die Familie Heiner Oberrauch und ihre Firma Oberalp für den Südtiroler Sanitätsbetrieb große Geldsummen vorgestreckt hatten, um an die dringend benötigte Schutzausrüstung für Krankenhäuser und Altenheime von chinesischen Lieferanten heranzukommen. Im März 2020 war es zu einem dramatischen Versorgungsengpass von Masken und Schutzmänteln gekommen, welcher eine Schließung ganzer Sanitäts-Abteilungen in Südtirols Krankenhäusern zur Folge gehabt hätte. Deshalb hatten die politischen Vertreter sowie das Management des Sanitätsbetriebes bei der Oberalp um eine Hilfsaktion in drei Stufen gebeten: Kontakte zu chinesischen Lieferanten zu vermitteln, die Bestellungen der Sabes in Dollar vorzufinanzieren und letztendlich auch noch die Logistik mit zivilen Flugzeugen der AUA zu organisieren. Dabei war sowohl von Landeshauptmann als auch von der Verwaltung der Sabes versprochen und beteuert worden, dass die von Oberalp geleisteten Vorauszahlungen in Dollar sofort refundiert würden, wenn es zu einem Lieferantenauftrag kommen sollte.
Die Begründung, man könne Oberalp das vorgestreckte Geld nicht zurückzahlen, weil die aus China gelieferte Ware vom italienischen INAIL in Teilen als nicht regelkonform befunden worden war, ist fadenscheinig. Die chinesischen Lieferanten haben nie später eingeforderte Zertifikate versprochen – im Gegenteil: In der Liste der lieferbaren Schutzausrüstungsgegenstände aus China war unmissverständlich vermerkt, dass keine CE-Zertifizierung vorliegt. Der Sanitätsbetrieb war in einer absoluten Notlage als fachlich kompetenter Besteller und Importeur der Waren offensichtlich gewillt, die Materialien so zu akzeptieren, wie sie in China zur Pandemiebekämpfung eingesetzt worden waren. Die Alternative wäre gewesen, nichts zu haben.
Nach vier Jahren, in welchen unzählige Gespräche und Kompromissversuche mit Politik und Sanitätsbetriebsmanagern gescheitert sind, verbleibt nur noch der Weg einer Zivilklage. Diese wird beim Landesgericht Bozen für einen Gesamtbetrag von rund 30 Millionen Euro eingebracht. Für die Familie Oberrauch und die Unternehmensleitung der Oberalp ist es unzulässig und unverständlich, dass man ein Südtiroler Unternehmen mit einem Außenstand von 30 Millionen Euro im Regen stehen lässt. Wäre die Sabes damals imstande gewesen, diese Geldflüsse an die Lieferanten in China direkt und ohne Hilfe der Oberalp zu organisieren, dann wären diese 30 Millionen Euro heute als außerordentliche Ausgabe für die Pandemie-Bekämpfung in der Bilanz des Sanitätsbetriebes verbucht. Weil man die Oberalp vor vier Jahren als helfende Bank brauchte und diese um diesen außerordentlichen Dienst bat, ist das 30 Millionen Loch in der Bilanz dieses Unternehmens! Oberalp hat im Auftrag als Mandant der Sabes gehandelt und weder an die Sabes verkauft noch deren Waren importiert. Auch der Landeshauptmann hatte in einem Schreiben an den damaligen Ministerpräsidenten Conte verlautbart, „dass das Südtiroler Unternehmen Oberalp diese Bestellung vorfinanziert hat“.
Von den politischen Entscheidungsträgern und der neuen SABES-Spitze erwartet sich die Oberalp eine klare Anerkennung der nun gerichtlich eingebrachten Forderung. Die ausstehenden 30 Millionen Euro gefährden die Entwicklung der Oberalp-Gruppe und dies kann niemandem im Lande gleichgültig sein.