Bozen – „One Microsoft“ lautet die Devise von Microsoft-Geschäftsführer Steve Ballmer. Er will Microsoft umbauen und vereinheitlichen. Auf den ersten Blick ist das mit Windows 8 geglückt: Es kommt gleichermaßen auf Mobilgeräten und PCs zum Einsatz. Fortan soll es reichen, sich an nur eine Oberfläche für alle Geräte zu gewöhnen. Das klingt nach einem Erfolgsrezept, ist es aber nur bedingt. Tablet-PCs wie das Microsoft Surface und die Windows-Smartphones kranken an fehlerhaftem Marketing, zu hohen Preisen und fehlender Akzeptanz vonseiten der Kunden.
Microsoft hat den Trend in Richtung Smartphones viel zu spät erkannt. Erst Ende 2010, knapp vier Jahre, nachdem Apple das erste iPhone auf den Markt gebracht hatte, stieg Microsoft mit seinem Mobil-Betriebssystem Windows Phone 7 (WP7) ein. Das System kam nie über zwei Prozent Marktanteil hinaus. Zudem konnten die Käufer ihre WP7-Smartphones nicht auf Windows Phone 8 (WP8) aktualisieren. Wer also WP8 verwenden wollte, musste wohl oder übel ein neues Smartphone kaufen. Zudem lagen die Preise für Windows Phones bereits zu Beginn im Premium-Bereich. Das war strategisch unklug, denn als Nachzügler in einen bestehenden Markt einzusteigen, keine wirklichen Innovationen zu bringen und sich sofort im Hochpreissegment zu positionieren, funktioniert in aller Regel nicht. Dass überhaupt Geräte verkauft wurden, dürfte nicht zuletzt auf drastische Preissenkungen zurückzuführen sein. Ein weiteres Problem war, dass Microsoft nicht genügend Apps für die neue Plattform bereitstellen konnte. Die verfügbaren Apps seien aber ein wichtiger Erfolgsfaktor, wie Nokias Vice President für Smart Devices, Jo Harlow, vor wenigen Tagen sagte. Der Erfolg einer Mobilplattform hängt nicht zuletzt von der Anzahl der verfügbaren Apps ab. In dieser Hinsicht hinkt der Windows Phone-Store dem Google Play-Store und Apples App-Store hinterher.
Besser läuft es jetzt mit Windows Phone 8. Nachdem Hersteller wie LG und Samsung abgesprungen waren, schloss Microsoft ein Exklusiv-Abkommen mit Nokia. Das Resultat dieser Allianz ist eine Smartphone-Reihe, bekannt als Nokia Lumia. Der Marktanteil von WP8 ist mit knapp 4,6 Prozent besser und steigt stetig an. Überhaupt verkauft sich das Lumia mittlerweile gut. Für Nokia ist dies ein notwendiger Glücksfall, denn der einstige Mobiltelefon-Riese hatte – genau wie BlackBerry – die Smartphone-Revolution zunächst verschlafen. Interessanterweise bewirbt Nokia das Lumia als bonbonbuntes Lifestyle-Gerät, wo es doch in aller Regel für Business-Kunden geeigneter sein sollte: WP8 arbeitet nämlich nahtlos mit bestehenden Microsoft-Infrastrukturen wie Exchange und SharePoint zusammen.
Verschlafen hat Microsoft auch die Geburt der Tablet-PCs: Erst 2013 stieg Microsoft mit den beiden Modellen Surface RT und Surface in diesen Markt ein. Auf beiden Modellen läuft Windows 8. Wie schon bei den Windows-Phones stieg Microsoft hochpreisig in den Tablet-PC-Markt ein – ein strategischer Fehler. Wieder waren keine wirklichen Innovationen dabei, und wieder hätte der Konzern zumindest an der Preisschraube drehen müssen. Das hat Microsoft nicht erkannt. Davon abgesehen leidet das Surface unter einer für Tablet-PCs untypisch kurzen Batterielaufzeit und dem Problem, dass die RT-Variante bereits für den PC gekaufte Software aufgrund ihrer ARM-Architektur nicht mehr unterstützt. Anders formuliert: Für den PC gekaufte Programme sind auf dem Surface RT nicht lauffähig und müssen nochmals dafür gekauft werden. Dazu kommen das anfangs im Verkauf aufgezwungene, schwammig zu bedienende Touch Cover und das insgesamt klobige Design der Geräte. Dadurch erscheint das Surface weniger als typischer Tablet-PC, sondern eher als teures Mini-Ultrabook.
Der zweite strategische Fehler war die fehlerhafte Vermarktung des Surface. Sieht man auf dessen Features wie die vollwertige Office-Suite und Exchange-Anbindung, zielt das Surface klar auf Business-Kunden und weniger auf Privatanwender ab. Gegen dieses Image stellt sich seltsamerweise Microsofts Werbestrategie: Dort wird klar ein Lifestyle-Produkt für junge Menschen beworben.
Diese strategischen Entscheidungen schlagen sich auch in den Verkaufszahlen nieder, die Microsoft am 18. Juli für das letzte Quartal bekanntgab: Wegen unverkaufter Surface-Geräte musste Microsoft 900 Millionen US-Dollar an Abschreibungen verbuchen. Der Umsatz lag im Plus, aber unter den prognostizierten Erwartungen. Der Technologie-Blog AllThingsD des Wall Street Journal mutmaßt, Microsoft habe fünf Millionen Surface-Geräte herstellen lassen. Verkaufen konnte es im letzten Quartal aber nur 900.000 Einheiten. Microsoft hat reagiert und den Verkaufspreis des Surface RT auf 329 Euro für die 32 GB-Variante gesenkt. Das sind 150 Euro weniger als zuvor. Schulen bietet der Konzern seine Tablets gar für knapp die Hälfte des ursprünglichen Preises an. Ein Schritt zur Schadensbegrenzung, der bei der Markteinführung des Surface sinnvoller gewesen wäre.
Auch die Verkaufszahlen des großen Software-Bruders des Surface, Windows 8, sind momentan schwach. Das liegt zum einen am schwächelnden PC-Markt selbst, der zugunsten von Mobilgeräten stetig zurückgeht. Zum anderen liegt es aber auch an der Benutzeroberfläche von Windows 8. Diese wurde für Touch-Geräte entworfen. PCs haben in aller Regel aber keine Touch-Oberfläche, und so fällt die Bedienung von Windows 8 mit der Maus mitunter recht umständlich aus. Der strategische Fehler hier war, die neue Oberfläche mit Gewalt einzuführen und die Nutzer, die bereits seit gut zwei Jahrzehnten an Fenster und Icons gewöhnt sind, damit zu verschrecken. Viele Kunden beklagen das Fehlen alteingesessener Funktionen, wie beispielsweise das Startmenü. Es klingt schon fast ironisch, dass Microsoft ausgerechnet in seiner Paradedisziplin, der Benutzerfreundlichkeit, einen derart groben Schnitzer gemacht hat. Der Konzern hat aber relativ schnell reagiert und legt Ende August mit Windows 8.1 eine aufgebohrte Variante nach, die unter anderem wieder den Startknopf zurückbringt. Das dürfte ein Schritt in die richtige Richtung gewesen sein.
Bei all den strategischen Fehlgriffen darf man Microsofts Bemühungen nicht außer Acht lassen, eine Plattform für alle Geräte zu schaffen. Das ist gelungen, auch wenn diese Plattform nicht unbedingt für jedes Gerät passend ist und momentan noch zögernd von den Kunden angenommen wird. Wer mehrere Windows-basierte Geräte besitzt, kann davon profitieren: Schließlich reicht es aus, sich nur an eine Oberfläche zu gewöhnen. Eins steht fest: Die schleppenden Verkaufszahlen des Surface und von Windows 8 werden Microsoft so schnell nicht ernsthaft gefährden. Dafür ist der Konzern zu fest in der Businesswelt verankert und kann mit Serversoftware wie Windows Server, SQL Server, Lync, Exchange und SharePoint punkten. Dazu gesellen sich diverse, gut verkaufte Clouddienste wie Office 365 und Windows Azure.
Der Konzern hat seine neue Linie noch nicht gefunden, kann es sich aber ökonomisch leisten, zu experimentieren. Was im Moment noch fehlt, ist die letzte Konsequenz in der Vermarktung, eingehende Marktanalysen vorab und etwas weniger Hybris in der Preisgestaltung. Ballmer hat richtig erkannt, dass sich ein erfolgreiches Unternehmen verändern muss, um langfristig bestehen zu können. Veränderung ist für alle Beteiligten nicht immer schmerzlos, bringt aber im besten Fall Innovationen hervor. Wir dürfen gespannt sein.
Der Autor: Martin W. Angler ist der IT-Fachautor der SWZ. Er ist als freier Wirtschaftsjournalist und an der Europäischen Akademie Bozen als Projektleiter und Informatiker tätig.