Wie verkleidet man sich als Star? Eine knifflige Frage mit einer in ihren Konsequenzen teuren Antwort! Von der Gucci-Brille über die Dolce & Gabbana-Bluse bis zu den Manolo-Blahnik-Pumps und der Louis-Vuitton-Handtasche muss alles vom Feinsten sein. Das Problem: Wenn man sich so verkleidet hat, dann wird man unter Umständen nicht für einen Star gehalten, sondern für einen Millionär. Und das wäre schlimm. Einfach nur reich sein kann ja jeder. Aber ein Star – da gehört mehr dazu! Eine Ganzkörper-Camouflage aus Rohschinken zum Beispiel. Dunkelhellviolette Haare mit echtem Diamantenstaub. Und mindestens ein unanständiges Tattoo an einer auffälligen Stelle (oder ein auffälliges Tattoo an einer unanständigen Stelle, aber dann braucht man auch eine entsprechende PR-Arbeit). Darüber hinaus muss ein Star etwas Außergewöhnliches zu bieten haben. Skandale beispielsweise. Eine Drogenkarriere. Spielschulden, Schlägereien oder eine Vergangenheit im Porno-Business. Auch das alles ist jedoch noch nicht genug. Ein Star muss vor allem öffentlich präsent sein. Wer auf seinem Weg von der Haustür bis zum Zeitungskiosk am Eck nicht von einem Dutzend Paparazzi belagert wird, hat es noch nicht geschafft.
Dabei gibt es mittlerweile eine recht interessante Entwicklung. Früher waren Stars Menschen, zu denen man irgendwie aufgeschaut, die man bewundert hat. Wir wussten: Diese Menschen haben uns mit ihrem Können und ihren Leistungen etwas voraus. Das hat sich gehörig verändert, seit wir gesehen haben, wie Wegwerf-Stars am Fließband fabriziert werden. Wenn Deutschland und andere Länder ihre Superstars suchen, dann kommen die grusligsten Schauergestalten aus ihren fins- teren Löchern. Wenn man aus solchem Material ernsthaft Stars, und dann sogar Superstars, bauen kann, dann gibt es für den Zuschauer nur zwei mögliche Reaktionen: Entweder er beginnt, ernsthaft an der Menschheit zu zweifeln oder er denkt sich: Das kann ich auch, das will ich auch. „Superstar“ soll ja angeblich den klassischen Berufswünschen von Kindern längst den Rang abgelaufen haben. Wer träumt noch davon, Astronaut zu werden, wenn der Weg zum Star so viel einfacher ist? Der Superstar muss ja, und das ist das Tolle, zunächst einmal überhaupt nichts können. Er muss nur sein. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, sich möglichst durchgeknallt zu gebärden. Aber es gibt Schlimmeres – Matheaufgaben zum Beispiel. Allerdings bringt der offenbar so leicht zu erringende Starruhm, wie flüchtig er auch sein mag, einen ordentlichen Wermutstropfen mit sich: Freute man sich früher über Stars zum Anfassen, so sind die meisten heutigen „Stars“ mittlerweile zu „Stars zum Drauftreten“ hinabgesunken. In entwürdigenden Dschungelcamps oder drögen Kochsendungen machen sie sich zum Affen, sie werden in drittklassigen Unterhaltungsshows herumgereicht, in denen sie keine Peinlichkeit auslassen dürfen, sie posieren für demütigende Fotostrecken und breiten selbst ihre intimsten Angelegenheiten vor laufender Kamera aus. Wir wissen alle ekligen Details über sie: wann sie sich mit wem in welcher Pose welche Geschlechtskrankheit eingefangen haben, welcher Scharlatan ihnen aus dem Kaffeesatz liest oder den Durchfall kuriert und welches schreckliche Geheimnis sie seit Jahren vor ihrer eigenen Mutter verstecken. Nur eines wissen wir nicht mit Sicherheit: was sie eigentlich genau geleistet haben, um Stars zu werden. Noch hält sich nämlich hartnäckig das Gerücht, man müsse auch irgendwas leisten, um ganz nach oben zu kommen. Freilich ließe sich nun darüber streiten, ob die Position dieser „Stars“ wirklich „oben“ ist. Dennoch glauben wir fest, dass die, die sich im Dschungel in eine Badewanne voller krabbelnder Käfer legen, wenigstens früher einmal etwas Außergewöhnliches vollbracht haben, das sie nun zu dieser prominenten Position privilegiert. Lieder singen zum Beispiel. Filme drehen. Oder einfach nur mit den richtigen Leuten ins Bett gehen. All das sehen wir durchaus als Rechtfertigungen für die gesellschaftliche Sonderposition an, die Stars einnehmen. Wir erwarten uns, dass ihr Leben in irgendeiner Form aufwendiger, ihr Schaffen anspruchsvoller, ihr Können größer ist als unseres. Dann zollen wir ihnen Respekt, gönnen ihnen ihre traumhaften Villen, ihre exorbitanten Gagen, ihr Bad im Blitzlichtgewitter.
Seit aber jeder noch so talentfreie Nasenbohrer seine fünfeinhalb Minuten Ruhm genießen kann, wenn er sich nur publikumswirksam genug bis auf die Knochen blamiert, ist unser Respekt geschwunden. Wir beginnen uns zu fragen, was diese Stars wirklich wert sind. Wir halten sie für Knallchargen, für ahnungslose Marionetten. Wir haben manchmal sogar so etwas wie Mitleid mit ihnen. Das Showbusiness ist irgendwie unanständig, das ist uns klar. Wer es dort schafft, schafft es nicht mit sauberen Mitteln. Die „Guten“ aber fallen durch den Rost oder wollen sich gar nicht erst die Hände schmutzig machen.
In diesen Wochen, in denen kaum ein Tag ohne neue Polemiken um Politikergehälter vergeht, frage ich mich, ob die breite Diskussion, die auf allen Ebenen stattfindet, auch damit zusammenhängt, dass die Politik zum Showgeschäft verkommen ist. Ist der Schritt von der Showbühne aufs politische Parkett am Ende gar kein so großer (man denke an Ronald Reagan und andere!)? Reicht es, seinen Text zu lernen und siegessicher in die Kamera zu winken? Letzten Endes hab ich mich dann doch nicht als Star verkleidet. Am Ende wäre ich am Aschermittwoch noch in Amt und Würden aufgewacht. Das überlasse ich dann doch lieber denen, die einer solchen Rolle auch über die Faschingszeit hinaus gerecht werden.