Lana/Bozen – „Dass sich die Bauwirtschaft in einer Krise befindet, ist allgemein bekannt. Das hat direkte, gravierende Auswirkungen auf Hoppe, den europäischen Marktführer in der Herstellung von Tür- und Fenstergriffen. Die Märkte der Gruppe zeigen seit Juli 2022 stark negative Entwicklungen. Der Umsatz im Jahr 2023 wird weit unter dem Vorjahresumsatz liegen. Aus diesem Grund wurden zunächst alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft zu erhalten. So wurden beispielsweise befristete Arbeitsverträge nicht verlängert, es wurde auf Zeitarbeiter verzichtet und die natürlichen Abgänge wurden nicht mehr ersetzt. Außerdem wurde für mehrere Monate die Ordentliche Lohnausgleichskasse für alle Mitarbeiter in Anspruch genommen. Die derzeitige Schärfe der Baukrise sowie die ungewissen, negativen Erwartungen für die nächste Zeit zeigen jedoch, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen. Hoppe sieht sich daher auch zu Entlassungen gezwungen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und damit den größten Teil der Arbeitsplätze im Vinschgau zu sichern.“ Dies teilte das Unternehmen letzte Woche in einer Presseaussendung mit. Mittlerweile habe eine Arbeitsgruppe aus Unternehmensführung, Betriebsrat und Gewerkschaften die Bedingungen für die Entlassungen verhandelt und festgelegt (im Halbjahr November 2022 bis April 2023 waren bereits 80 Stellen abgebaut worden). Als Ergebnis sei ein Betriebsabkommen unterzeichnet worden, das auch die Kriterien für den vorgeschriebenen Sozialplan festschreibt.
So manche Firmen im Einzugsgebiet sehen die Entlassungen bei Hoppe als Chance für sich, offene Stellen zu besetzen.
Die Entlassungen sind schmerzhaft für ein Gebiet wie den oberen Vinschgau, wo Arbeitsplätze in der Industrie eher selten sind. Frauen (sie stellen über ein Drittel der Belegschaft) dürften dabei stärker betroffen sein, denn für sie gibt es in den beiden Werken Jobs, die ihnen entgegenkommen. Hoppe bietet ihnen sehr flexible Arbeitszeiten und andere Lösungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Hoppe handelt auf diesem Gebiet vorbildlich. Trotzdem: So manche Firmen im Einzugsgebiet sehen die Entlassungen bei Hoppe als Chance für sich, offene Stellen zu besetzen. Das Arbeitsvermittlungszentrum in Schlanders unterstützt die Betroffenen in den nächsten Wochen bei der Stellensuche.
Von 1.100 auf halb so viele Mitarbeitende
Die Gesamtlage scheint besser als bei der Schließung des Hoppe-Werkes in St. Martin in Passeier im Jahr 2013. Damals war die Situation auf dem Arbeitsmarkt angespannt, und die 158 Entlassenen fanden deshalb nicht so leicht einen neuen Job. Gar nicht wenige kamen aber im Tourismussektor unter, der die damalige Krise nicht verspürte.
In Südtirol ist Hoppe seit Mitte der 1960er-Jahre vertreten, und zu den besten Zeiten beschäftigte das Unternehmen gut 1.100 Leute. Künftig werden es nur noch weniger als halb so viele sein.
Was ist los mit Hoppe? Diese Frage wird angesichts der langfristigen Entwicklung dieses bedeutenden Unternehmens gestellt, das Anfang der 1950er-Jahre von Friedrich Hoppe gegründet wurde und heute drei Produktionswerke in Deutschland, zwei in Südtirol, eines in Tschechien und eines in den USA unterhält und das zu den bedeutendsten seiner Branche europaweit zählt. In Südtirol ist Hoppe seit Mitte der 1960er-Jahre vertreten, und zu den besten Zeiten beschäftigte das Unternehmen gut 1.100 Leute. Nach den jetzt anstehenden Entlassungen werden es nur noch weniger als halb so viele sein. In der SWZ-Rangliste der umsatzstärksten Unternehmen mit Sitz in Südtirol belegte Hoppe 1995 mit umgerechnet rund 70 Millionen Euro einen Platz unter den Big-25. Es folgte ein Auf und Ab: 2003 wurden mit 991 Mitarbeitenden knapp 87 Millionen umgesetzt, 2008 mit 946 dann fast 107 Millionen, 2013 waren es nach der Schließung des Werkes St. Martin noch 91 Millionen, mit einer Belegschaft von 537 Leuten (Platz 45 in der Rangliste). Es folgte eine starke Erholung: 2019 wurden 96 Millionen umgesetzt, 2021 waren es knapp 108 Millionen, im vergangenen Jahr dann 126 Millionen – mit 763 Mitarbeitenden. Dies bedeutet Platz 48 in der Rangliste. Die 110-Prozent-Förderung von Sanierungen durch den italienischen Staat waren ein wichtiger Treiber.
Festhalten ja, aber nicht zu jedem Preis
Aber bereits Mitte letzten Jahres verschlechterte sich die Lage, denn die Bauwirtschaft in zwei Hauptmärkten, nämlich Deutschland und China, brach ein. Obwohl die Werke als Kompetenzzentren geführt werden, war davon auch Hoppe Italien betroffen. Ein Blick auf manche Wettbewerber zeigt, dass auch andere Unternehmen dieser Branche zwischendurch immer wieder Schwierigkeiten hatten, wenn die Bauwirtschaft lahmte, so etwa die im Passeier ansässige Firma Maico.
Die Eigentümer Christoph und Wolf Hoppe (mit dem Eintritt von Wolfs ältestem Sohn Christian im Jahr 2012 sind die Weichen für die dritte Generation gestellt worden) halten am Standort Vinschgau fest, solange dies betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist (siehe beigestelltes Interview). Die Mitarbeitersuche ist allerdings seit der Stärkung von Landwirtschaft und Tourismus im oberen Vinschgau und wegen des Auspendelns in die Schweiz schwierig geworden. Dazu kommt, dass die Transporte im Ein- und Ausgang wegen der überlasteten Vinschgauer Staatsstraße und der Probleme auf der Brennerautobahn immer zeitaufwendiger und teurer werden. Das sind keine guten Voraussetzungen.
Die Gruppe Hoppe – die Holding hat ihren Sitz in Müstair in der Schweiz – ist europaweit tätig und unterhält ein Endmontagewerk in den USA für den dortigen Markt. International ist sie mit einer Produktionsfläche von rund 120.000 Quadratmetern in ihrer Sparte weiterhin ein großes und wichtiges Unternehmen. Umsatz und Gesamtmitarbeiterzahlen waren jedoch schon einmal höher.
Info
Drei Fragen an Christoph Hoppe
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SWZ: Die Firma Hoppe hat in einer Pressemitteilung erläutert, wieso sie sich zu einem Stellenabbau im Vinschgau gezwungen sieht. Läuft es in den anderen Werken besser – oder werden auch in Deutschland und Tschechien ähnliche Maßnahmen gesetzt?
Christoph Hoppe: Die beschriebene Situation bezieht sich auf die ganze Gruppe. Auch in anderen Werken sind ähnliche Maßnahmen in Umsetzung, angepasst an die jeweilige Situation, zum Beispiel an die rechtlichen Grundlagen.
Ist der Industriestandort Vinschgau heute weniger attraktiv als einst? Gibt es Probleme, Mitarbeitende zu finden, weite und teure Transportwege oder eine zu geringe Produktivität?
Es ist schwieriger geworden, entsprechend ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Das betrifft leider viele Arten der Spezifikation. Weiterhin sind die Loyalität und Verlässlichkeit, vor allem der Stammmitarbeiter, aber ein großer Pluspunkt.
Ihr Vater war Südtirol sehr verbunden. Spielt emotionale Nähe angesichts betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten noch eine Rolle?
Natürlich! Das Menschliche und damit die Verbundenheit spielen immer eine Rolle. Aber selbst bei aller Verbundenheit lassen sich nicht alle Härten vermeiden.