Rom – Ministerpräsident Matteo Renzi hat in den heißen Sommerwochen Steuerpläne verkündet, die er als „kopernikanische Wende“ verkauft und die Balsam sind für die Seelen der abgabengeplagten Italiener. Im kommenden Jahr sollen die Steuern auf Erstwohnungen (IMU, in Südtirol GIS, und Tasi) gestrichen werden, für 2017 ist eine Verringerung der Körperschaftssteuer (Ein- kommensteuer von Gesellschaften) auf 24 Prozent vorgesehen, und 2018 ist die Einkommensteuer IRPF an der Reihe, die insbesondere für die einkommensschwachen Schichten gesenkt werden soll. Die Gesamtentlastung wird innerhalb von drei Jahren auf 45 Milliarden Euro beziffert. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass mehr konsumiert und investiert wird und die Wirtschaft stärker wächst.
Das Vorhaben ist grundsätzlich freudig begrüßt worden, aber der Teufel steckt oft im Detail, sodass manche Aspekte kritische Kommentare provoziert haben. Den Gewerkschaften zum Beispiel stößt es sauer auf, dass auch sogenannte Luxuserstwohnungen befreit werden sollen. Und sie verweisen darauf, dass die IRES (vormals IRPEG) schon von 37 Prozent im Jahr 2000 auf 27,5 Prozent seit 2008 gesenkt worden ist. Eine Verringerung auf 24 Prozent wollen sie unbedingt mit einer Entlastung auch der Arbeitnehmer verknüpfen. Von Unternehmerseite dagegen wird angemerkt, dass die Verringerung des Steuersatzes positiv ist, aber nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Steuergrundlage in Italien breiter als in anderen Staaten ist, so dass die effektive Belastung je nach Bilanzsituation auch 40 oder 50 Prozent betragen kann. Was die IRPEF betrifft, gibt es noch keine konkreten Pläne, aber Renzi schwebt eine Lösung vor, die über den 80-Euro-Bonus für Geringverdiener hinausgeht und auch die Rentner einschließt.
Bis Oktober sollen der Haushaltsvoranschlag für 2016 und das neue Stabilitätsgesetz stehen. Im Vorfeld nimmt die Skepsis bezüglich der Machbarkeit der geplanten Steuersenkungen zu, die zu erheblichen Einnahmenausfällen führen und deshalb so gegenfinanziert werden müssen, dass Italien seinen Verpflichtungen zur stufenweisen Senkung des Haushaltsdefizits nachkommen kann. Der Premier hat ursprünglich angekündigt, dass im Gegenzug die Ausgaben gesenkt werden sollen, doch scheint auch er daran zu zweifeln, dass dies im erforderlichen Ausmaß gelingen kann, zumal unter anderem wegen der bevorstehenden Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst zusätzliche Zahlungsverpflichtungen auf den Staat zukommen. Manche Hoffnungen ruhen auf den Einnahmen aus der laufenden Selbstanzeige und dem Verkauf von konfiszierten Mafia-Gütern im Wert von mehreren Milliarden. Zuletzt hat Matteo Renzi verstärkt eine höhere Staatsverschuldung ins Spiel gebracht. Er beruft sich dabei auf die von Brüssel zugestandene Flexibilität, sprich die Möglichkeit, bestimmte Investitionsausgaben aus der Berechnung des Defizits auszuklammern. Er beziffert die diesbezüglichen Mittel auf 17 Milliarden, doch hat die EU-Kommission bisher grünes Licht für lediglich 6,4 Milliarden gegeben. Nicht zu vergessen ist, dass sich Italien zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent verpflichtet hat, wenn die Defizitziele verfehlt werden.
Experten meinen deshalb, dass das Ziel klar ist, die Wege zu Steuersenkungen aber versperrt sind. Am Ende könnte Renzi die Pläne revidieren oder kippen – und die Schuld dafür Brüssel und dessen Spardiktat geben.