Bozen –„Es wird trotz aller technischen Entwicklungen und Neuerungen auch in Zukunft noch die Hände und Köpfe der Bäuerinnen und Bauern brauchen“, sagte Walter Guerra, der Vizedirektor des Versuchszentrums Laimburg bei der Diskussionsrunde auf der Landwirtschaftsschau Agrialp. Guerra stimmten auch die anderen Diskussionsteilnehmer zu: der KI-Experte Christoph Moar vom Unternehmen Alpin, Robert Ranzi vom Start-up RoboAlpin und Florian Pichler von der Abteilung Innovation & Energie im Südtiroler Bauernbund.
„Es gibt nicht die eine Technologie, die für alle Anwendungen passt, sondern es gilt, die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen.“
Wie praxistauglich sind diese Technologien?
Das Versuchszentrum Laimburg versucht in seinem Freiluftlabor LIDO, diese neuen Technologien auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. „Wir arbeiten besonders im Obst- und Weinbau und dabei vor allem mit großen Datenmengen und ihrer Anwendung für die Praxis. Ein Schwerpunkt, bei dem wir schon in der Umsetzung sind, ist etwa die bedarfsgerechte Bewässerung“, berichtete Guerra. Immer mehr öffentliche Gelder würden in diese Bereiche fließe, was die Entwicklung weiter beschleunigen werde. „Wir arbeiten auch eng mit Firmen zusammen, die im Bereich Digitalisierung, Sensoren usw. aktiv an Lösungen arbeiten. Es gibt nicht die eine Technologie, die für alle Anwendungen passt, sondern es gilt, die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen“, betonte Guerra.
Vor allem für die jüngere Generation, die mit diesen Technologien aufwachse, seien deren Möglichkeiten ein Anreiz, sich auch weiterhin mit der Landwirtschaft zu beschäftigen. Dem pflichtete auch Florian Pichler bei, der beim Südtiroler Bauernbund immer wieder mit Fragen zur Anwendung innovativer Technologien zu tun hat: „Unsere jungen Bäuerinnen und Bauern sind sehr aufgeschlossen und interessieren sich für praktische, benutzerfreundliche Lösungen.“
KI: Hilfsmittel für die tägliche Arbeit
Sinn und Zweck von Anwendungen, die die künstliche Intelligenz nutzen, ist es, Hilfsmittel für die tägliche Arbeit zu entwickeln, unterstrich Christoph Moar. Auf die Frage nach der Bedeutung lokaler Lösungen antwortete er: „Es ist wichtig, dass auch in Südtirol Forschung und Entwicklung betrieben wird, denn so kann man auch auf die Probleme eingehen, die sich vor Ort stellen. Eine technische Lösung, die in Kalifornien entwickelt wurde, muss nicht unbedingt für unsere Verhältnisse passen.“
Robert Ranzi, der mit seinem Unternehmen RoboAlpin einen Mähroboter für steile Berghänge entwickelt hat (mehr dazu gibt’s hier zu lesen), ergänzte: „Umgekehrt kann eine Lösung, die für das Südtiroler Berggebiet entwickelt wurde, durchaus auch für Gebiete mit ähnlichen Gegebenheiten anwendbar sein. Die Arbeit eines kleinen Unternehmens vor Ort kann sich also auf jeden Fall lohnen.“
Dass künstliche Intelligenz und Robotik in der Südtiroler Landwirtschaft bereits Anwendung finden, hob Florian Pichler hervor. Neben Melkrobotern überwachen Sensoren Viehherden, um kranke Tiere besser und schneller zu finden, und helfen beim Weidemonitoring, um den optimalen Schnittzeitpunkt zu ermitteln. Guerra nannte selbstfahrende Mulchgeräte, KI-Anwendungen beim Baumschnitt sowie die Früherkennung von Krankheiten und Schädlingen als mögliche Einsatzbereiche im Obst- und Weinbau.
Hohe Kosten
Die Liste der Chancen, die die neuen Technologien bieten, ist also lang. Dennoch gibt es oft auch Diskussionen über mögliche Nachteile und Risiken. Gefürchtet werden oft die hohen Kosten, die kleine Betriebe nicht stemmen können und damit in Rückstand gegenüber Großbetrieben geraten könnten, heißt es vonseiten des Bauernbundes. „Gerade um die Konkurrenzfähigkeit zu sichern, ist es wichtig, dass sich Unternehmen hier im Land mit solchen Entwicklungen beschäftigen und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln“, unterstrich Pichler. Moar ergänzte: „Man muss nicht groß sein, um mit künstlicher Intelligenz arbeiten zu können. Es wird Lösungen für kleine Betriebe geben, die auch preislich zu ihnen passen.“
Ranzi betonte, dass die Anwendung von Robotik in der Landwirtschaft die Sicherheit für die Bauern und die Produktionsmenge – etwa im Grünland – erhöhen kann, weshalb die Kosten für die Technologie nicht so sehr ins Gewicht fallen würden.
Guerra betonte die Bedeutung von „Big Data“, also von großen Datenmengen, für die Entwicklung neuer Anwendungen: „Derzeit liegen diese Daten oft noch bei verschiedenen Institutionen und Einrichtungen, die nicht immer gut vernetzt sind. Hier darf die Landwirtschaft die Entwicklung nicht verschlafen, sonst verlieren wir unsere Jungen an andere Sektoren.“
Beim Blick in die Zukunft waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig: Wenn neue Technologien einen Mehrwert bringen, benutzerfreundlich sind und die tägliche Arbeit erleichtern, dann werden sie sich durchsetzen und bald zum Alltag gehören – egal, ob es um den Obst- und Weinbau im Tal oder die Viehhaltung und den Futterbau im Berggebiet geht.