Quito/Rom – Gelb, schmackhaft, sättigend: Die Banane ist ein Star unter den Früchten. Rund 60 Stück pro Kopf werden in Italien pro Jahr gegessen. Ihre Beliebtheit hat dazu geführt, dass sie auf der Obstimportliste ganz oben steht. Doch so süß die Banane im Geschmack auch sein mag, so bitter ist vielfach das milliardenschwere Geschäft dahinter – und das von Anfang an.
Eine der ältesten Kulturpflanzen
Die Banane zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt – sowohl die bei uns bekannte süße als auch die herzhafte Variante. Ursprünglich stammt sie aus Südostasien, genauer aus der Gegend von Malaysia und Thailand, von wo aus sie über Indien in den arabischen Raum gelangt. Dort erhält sie ihren heutigen Namen: „Banan“ bedeutet so viel wie „Finger“. Händler bringen die Frucht später nach Afrika und Europa. Erst im 15. und 16. Jahrhundert erreicht die Banane mit Seefahrern aus Portugal und Spanien den amerikanischen Kontinent.
Um 1850 beginnt die kommerzielle Geschichte einer der heute beliebtesten Früchte der Welt. Kleine Lieferungen gelangen bereits aus Zentralamerika in die USA. Doch der Transport dauert sehr lange – und die Bananen erweisen sich als überaus empfindlich. Eine neue Ära beginnt in den 1870ern. Costa Rica bekommt eine Eisenbahnstrecke. Der amerikanische Unternehmer Minor Copper Keith leitet den Bau. Um die Arbeiter billig mit Nahrung zu versorgen, baut Keith entlang der Strecke Bananen an. Die Bahn wird zum Flop. Anstelle von Passagieren transportiert Keith kurzerhand die Früchte an die Küste, wo sie auf Dampfschiffe umgelagert werden. Der Transport kann so um ein Vielfaches verkürzt werden und die Banane findet reißenden Absatz. Von diesem neuen Geschäft wollen Dutzende Unternehmen eine Scheibe abbekommen und beginnen, für ihre Plantagen den Urwald zu roden.
Die Geburt der Chiquita-Banane
Am erfolgreichsten agiert die United Fruit Company (UFC), mitgegründet 1899 von: Minor Keith. Ihre Geschichte ist eng verknüpft mit Ausbeutung, Korruption und Durchsetzung politischer Interessen. Die UFC wird schnell Herrscherin über ein ganzes Imperium. In ihrem Besitz befinden sich Ländereien, Eisenbahnlinien und Häfen. Das Unternehmen erwirbt schließlich auch Schiffe mit moderner Kühltechnik, wodurch es Bananen in die ganze Welt liefern kann. Der Name des bekanntesten Produkts ist den meisten von uns geläufig: Chiquita.
Dass UFC Ausbeutung betreibt, Diktatoren unterstützt und Bestechungsgelder zahlt, sollte in Zukunft vielfach recherchiert und belegt werden.
In den Anbauländern erschafft die UFC eigene Strukturen. In Guatemala liegt gar das Postwesen in der Hand des Konzerns. Und Costa Ricas Präsident gibt seine Tochter Keith zur Frau. Bald kontrolliert das Unternehmen 75 Prozent des Bananenmarkts in den USA. Die UFC verlegt ihren Hauptsitz nach Guatemala, wo es weder Steuern noch Zölle zahlen muss. Ihr unterstehen der einzige Handelshafen des kleinen Staates, der Telegrafendienst und die elektrische Versorgung. Aufgrund seiner allumfassenden Kontrolle nennen die Einheimischen das Unternehmen „El Pulpo“ – die Krake. Dass UFC Ausbeutung betreibt, Diktatoren unterstützt und Bestechungsgelder zahlt, sollte in Zukunft vielfach recherchiert und belegt werden. Schon 1961 berichtet der Reporter Peter von Zahn im deutschen Fernsehen über das Unternehmen und spricht von einem neuen Wirtschaftskolonialismus.
Noch früher gab es Beschwerden über schlechte Arbeitsbedingungen. 1928 streiken Mitarbeitende von UFC in Ciénaga nahe Santa Marta in Kolumbien. Die Armee schreitet ein und beendet den Aufstand mit einer Massenhinrichtung. Teilweise ist es auch die US-Regierung, die dem Konzern direkt oder indirekt zu Hilfe kommt. Das wohl bekannteste Beispiel ist jenes von Guatemala. Dort tritt 1950 ein neuer Staatspräsident ins Amt: Jacobo Árbenz Guzmán. Er plant eine Agrarreform zugunsten landloser Bauern. Die UFC hingegen soll rund ein Drittel ihres enormen Besitzes abgeben. Angesichts der wirtschaftlichen Bedrohung lässt das Unternehmen seine Kontakte spielen. Unter dem Decknamen „Operation Success“ startet die CIA schließlich eine Offensive gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas, die in dessen Sturz mündet. UFC behält seine Ländereien. Und Guatemala? Sinkt von einer selbstständigen Nation zurück auf den Stand einer Bananenrepublik. Es sollte der Beginn einer vier Jahrzehnte andauernden repressiven Gewaltherrschaft sein.
Problematisch für Mensch und Umwelt
Bis heute ist die Liste von Korruption, Ausbeutung und Ähnlichem in Zusammenhang mit dem Bananenanbau und -handel eine lange. Das verwundert kaum angesichts des Marktvolumens, das auf zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt wird. Beherrscht wird der Sektor von drei Unternehmen: Chiquita (ehemals UFC), Dole und Del Monte. Sie und andere Produzenten standen bzw. stehen häufig in der Kritik, Mensch und Umwelt auszubeuten.
Ein großes Problem im Bananenanbau ist unter anderem der Pestizideinsatz. Mehrmals pro Woche versprühen Flugzeuge Chemikalien über die Plantagen, die die Stauden vor Insekten, Pilzen und Krankheiten schützen sollen. Diese sind deshalb so anfällig, weil Bananen sich asexuell vermehren, das bedeutet, eine Mutterpflanze bildet Ableger mit identischen Genen. Alle Cavendish-Bananen der Welt, die wirtschaftlich bedeutendste Sorte, sind somit Klone einer historischen Pflanze. Ein einzelner Erreger könnte dadurch leicht weltweit Schaden anrichten.
Ein großes Problem im Bananenanbau ist unter anderem der Pestizideinsatz.
Eingesetzt werden zum Beispiel Mittel wie Mancozeb. In der EU ist es verboten, in Ecuador, einem der Hauptproduzenten, nicht. Die Chemikalie beeinflusst die Schilddrüse und steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Auch nach der Ernte werden die Früchte nochmals behandelt, etwa mit Antischimmelmitteln. In Bayern rät die Verbraucherzentrale daher zum Händewaschen nach dem Schälen einer Banane.
Während es den Konsumentinnen und Konsumenten möglich ist, sich zu schützen, sind die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Plantagen den Chemikalien ausgeliefert, werden oft direkt von den Flugzeugen angesprüht. Dazu kommt, dass sie auch noch derart schlecht bezahlt werden, dass der Lohn kaum zum Leben reicht. In einer Folge des ZDF-Dokuformats „Die Spur“ aus dem vergangenen Jahr (verfügbar in der ZDF-Mediathek) berichtet eine Arbeiterin über „schreckliche Bedingungen“. „Sie lassen uns von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends arbeiten – zahlen aber nur Teilzeit.“ Heißt: deutlich weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen 450 Dollar Mindestlohn.
Zweifelhaftes Siegel
Konkret ging es in der Doku „Der Bananen-Bluff“ um ein grünes Siegel, das nachhaltige und fair produzierte Bananen verspricht, den grünen Frosch von „Rainforest Alliance“. Nach eigenen Angaben ist es der größte Zertifizierer nachhaltiger Bananen und in 58 Ländern aktiv. Die Kontrollen der Betriebe übernehmen Partnerunternehmen. Die Prüfungen finden laut ZDF-Doku einmal pro Jahr statt, was den Betrieben Zeit gibt, sich vorzubereiten. Arbeiter nennen die Audits „Shows“. Am Tag der Prüfung bekämen sie Schutzkleidung, die danach wieder abgenommen werde. Wer sich beim Auditor über die Arbeitsbedingungen beschwere, werde rausgeschmissen: „Sie sagen uns einen Tag vorher Bescheid“, berichtet eine Arbeiterin. „Wir müssen sagen, was die Chefs von uns verlangen. Dass alles in bester Ordnung ist, dass wir gut verdienen, die Arbeitszeiten einhalten und die ganze Zeit sozialversichert sind.“ Laut dem ecuadorianischen Gewerkschafter Jorge Acosta seien viele der Kontrollen inszeniert und würden nicht die wahren Arbeitsbedingungen zeigen. „Wenn Rainforest eine Inspektion macht, dann sind sogar die Steine an der Zufahrt frisch gestrichen.“ Ähnliches berichtet die Hilfsorganisation Oxfam. Als empfehlenswert erachten Fachleute hingegen das Fair-Trade-Siegel sowie die Siegel von Naturland und Demeter.
Die Schuld an den herrschenden Zuständen allein den Produzenten zuzuschieben, wäre allerdings zu kurz gegriffen, denn große Supermarktketten leisten ebenfalls ihren Beitrag dazu. In den meisten EU-Ländern beherrschen drei bis vier Konzerne den Lebensmittelhandel zu etwa 90 Prozent. In Deutschland nutzen laut Oxfam Ketten wie Lidl, Aldi, Rewe oder Edeka ihre Marktmacht aus und drücken die Preise, die seit 20 Jahren kaum gestiegen sind. „Das Einkaufsvolumen der Supermarktketten ist inzwischen so groß geworden, dass sie den Preis bestimmen können. Und zwar so, dass die Mehrheit der deutschen Importeure sagt, verkaufe mir Bananen zum Aldi-Preis minus oder plus ein Prozent. Wer macht den Preis? Aldi. Das heißt, dass der Preis nicht den Gesetzen des Marktes unterliegt“, so zitiert Oxfam einen Insider in einer Studie, die zwar aus dem Jahr 2016 stammt, an deren Inhalt sich jedoch kaum etwas geändert hat. Das Geschäft mit der Banane ist weiterhin oft krumm.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: „Krumme Geschäfte“.