Berlin – Zweimal pro Jahr veröffentlichen die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute eine Gemeinschaftsdiagnose zur deutschen Wirtschaft.
Laut Gutachten geht eine bis zuletzt zähe konjunkturelle Schwächephase mit schwindenden Wachstumskräften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen.
„Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum“
Ber zurück zum Gutachten der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Darin wird Stefan Kooths, Konjunkturchef am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), mit folgenden Worten zitiert: „Im bisherigen Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum ändert sich nur die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Dur.“
Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur, im kommenden Jahr dann vermehrt auch das Auslandsgeschäft, heißt es in der Aussendung. Derzeit bewege sich die Wirtschaftsleistung auf einem Niveau, das kaum über dem vor der Pandemie liegt. Seitdem tritt die Produktivität in Deutschland auf der Stelle. Außen- und binnenwirtschaftlich gab es zuletzt mehr Gegen- als Rückenwind.
Der private Konsum zog später und weniger dynamisch an als bislang von der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose erwartet. Die deutschen Ausfuhren gingen trotz steigender weltwirtschaftlicher Aktivität zurück, vor allem, weil die Nachfrage nach den für Deutschland bedeutsamen Investitions- und Vorleistungsgütern schwach war und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit bei energieintensiven Gütern litt.
Unsicherheit belastet die Investitionen der Unternehmen
Fortwährende Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik belastet die Unternehmensinvestitionen, die sich trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau des Jahres 2017 bewegen dürften.
Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich um 4,6 bzw. 3,4 Prozent zulegen. Damit nehmen die Reallöhne über den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 langsam wieder auf. Das Niveau von Ende 2021 – also vor dem drastischen Inflationsschub – wird aber voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht.
Insgesamt erwarten die Institute einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent im laufenden und um 1,8 Prozent im kommenden Jahr. Bereinigt um den dämpfenden Effekt der Energiepreise ergeben sich Kerninflationsraten von 2,8 (2024) und 2,3 Prozent (2025).
Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse basierend auf dem Vorschlag der Deutschen Bundesbank, der mehr schuldenfinanzierte Investitionen als bislang zulässt. Zudem regen sie an, die Defizitbegrenzung nach einem Ziehen der Ausnahmeklausel nicht mehr abrupt, sondern stufenweise wieder scharf zu stellen.
Wichtiger sei aber eine Neugestaltung der staatlichen Finanzverfassung, um kommunale Investitionstätigkeit – gut 40 Prozent der gesamten öffentlichen Investitionen – besser von konjunkturell bedingten Haushaltsnöten abzuschirmen.
Folgende Institute haben an der Gemeinschaftsdiagnose mitgewirkt: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien.