Rom/Bozen – Sergio Mattarella ist als zurückhaltender und bescheidener Mensch bekannt. Der mehrmalige Minister war zuletzt Verfassungsrichter und in Rom gewöhnlich mit einem kleinen Fiat Panda unterwegs. Nach seiner Wahl zum neuen Staatspräsidenten ist er in der letzten Woche in den Quirinals- palast übersiedelt und hat dort jene 100 Quadratmeter große Wohnung in der „Palazzina del Fuga“ bezogen, die einst sein Vorgänger Carlo Azeglio Ciampi genutzt hatte (Giorgio Napolitano wohnte in einem anderen Flügel). Laut Berichten italienischer Zeitungen ist das Appartement mit Möbeln aus dem 18. Jahrhundert ausgestattet und verfügt über eine eigene Küche. Die streng persönlichen Annehmlichkeiten des neuen Hausherrn sind demnach nicht erwähnenswert, und auch das Jahresgehalt in Höhe von etwa 250.000 Euro brutto (dazu kommt allerdings ein sehr gut dotierter Repräsentationsfonds) liegt im Einklang mit dem, was in anderen Staaten üblich ist. Mattarella wird mit seiner Übersiedlung allerdings Teil eines Apparates, dessen Ausmaße und Begleiterscheinungen zumindest bedenklich sind, aber gut und gern auch als skandalös in einem Staat bezeichnet werden können, in dem überall der Sparstift angesetzt wird.
Ein wahrer Königspalast – Der Palazzo del Quirinale auf dem gleichnamigen römischen Hügel ist ab 1583 in mehreren Phasen errichtet worden und diente einst den sich folgenden Päpsten als Residenz und zuweilen auch als Verwaltungsgebäude. Nach der Besetzung des Kirchenstaates durch das Königreich Italien im Jahr 1870 wurde der Gebäudekomplex, der insgesamt 110.000 Quadratmeter, also gut zehn Hektar, umfasst, beschlagnahmt und diente fortan als Königspalast, dem ein vier Hektar großer Garten angeschlossen ist. Das Herrscherhaus ließ weitere Verbesserungen vornehmen, so dass der Quirinalspalast heute zu den größten, schönsten und auch prunkvollsten Palästen weltweit gehört. An die 1.200 Räume gibt es in den vielen Flügeln des Hauptgebäudes um den großen Innenhof und in den Nebengebäuden. Der Quirinal beherbergt zwei Dutzend große Säle, darunter den 37 Meter langen, zwölf Meter breiten und 19 Meter hohen „Salone dei Corazzieri“. In diesem Saal finden heute öffentliche Empfänge und Ordensverleihungen statt. Besonders erwähnenswert ist auch die „Sala del Bronzino“, wo Ehrengäste empfangen werden. In der „Sala degli Arazzi di Lille“, die früher einmal von Königin Margherita als Schlafzimmer genutzt wurde, finden heute mindestens zweimal im Jahr die Sitzungen des obersten Verteidigungsrates statt, des „Consiglio Supremo di Difesa“. In der „Sala degli Specchi“ finden Anhörungen statt und werden die Verfassungsrichter vereidigt. Die „Sala degli Ambasciatori“ schließlich dient als Empfangsraum für Diplomaten anlässlich des Besuchs ausländischer Staatsoberhäupter.
Im Jahr 1946 wurde die Monarchie durch Volksabstimmung abgeschafft, die Savoyer verließen Italien. Der Palast der Könige ging ins Eigentum der Republik Italien über und wurde dann zum Amtssitz des Staatspräsidenten bestimmt. Diesem stehen darüber hinaus noch das 5.800 Hektar große Landgut Castelporziano unweit von Rom und die Villa Rosebery in Neapel zur Verfügung. Luigi Enaudi war das erste Staatsoberhaupt, das in den Quirinalspalast einzog. Alle seine Nachfolger haben dort die Amtsräume genutzt und Ehrengäste empfangen oder beherbergt, die meisten (aber nicht alle) haben dort auch mit ihrer Frau/Familie gelebt.
Der „Presidente della Repubblica Italiana“, wie der offizielle Titel heißt, ist laut Verfassung das Staatsoberhaupt, nimmt sonst aber mehr repräsentative Aufgaben wahr. Er spielt eine Rolle bei der Regierungsbildung, unterzeichnet Gesetze (diese kann er zur Überprüfung an das Parlament zurückweisen), er ist formal Oberbefehlshaber der Streitkräfte, kann Verurteilte begnadigen und ist Vorsitzender des Obersten Richterrates. Dies zeigt: Der italienische Staatspräident hat ähnliche Funktionen wie der deutsche Bundespräsident oder auch manche Könige in parlamentarischen Monarchien. Was ihn unterscheidet, sind die Kosten für den Staatshaushalt, die für ihn anfallen, nicht für ihn persönlich, sondern für den gesamten „Hofstaat“, wobei erwähnt werden muss, dass ein Teil des Quirinalspalastes öffentlich zugänglich ist.
Die Kosten – Im Vorfeld der Wahl des neuen Staatspräsidenten oder anlässlich dessen Vereidigung haben sich verschiedene italienische Zeitungen mit den Betriebskosten für den Quirinalspalast befasst. Insgesamt kostet der gewaltige Apparat rund um das Staatsoberhaupt die Steuerzahler fast 230 Millionen Euro im Jahr. Der Löwenanteil entfällt dabei auf die Personalkosten (Löhne, Abgaben, Ruhestandsbezüge). Im bzw. rund um den Quirinalspalast sind fast 1650 Mitarbeiter beschäftigt (bis 2006 waren es gar über 2.100). Giorgio Napolitano hat in den ersten sieben Jahren seiner Amtszeit 78 Millionen an Kosten eingespart, zu Beginn seiner zweiten (vorzeitig beendeten) Amtszeit hat er die Bezüge des Generalsekretärs um 15 und jene der sogenannten „Consiglieri del Presidente della Repubblica“ um zwölf Prozent gekürzt (für Berater gibt der Quirinalspalast trotzdem 2,6 Millionen Euro aus). Die Kosten sind im Vergleich zu jenen, die für andere Staatsoberhäupter anfallen, trotzdem gewaltig hoch, und da sie die Steuerzahler tragen müssen, kann man schon vom Quirinals-Ballast sprechen statt vom Quirinals- palast. Frankreich, das seinen Präsidenten im prächtigen Élysée-Palast beherbergt, gibt für ihn „nur“ etwa 112 Millionen aus, also kaum die Hälfte (dabei hat der französische Präsident wie der US-amerikanische viel mehr Zuständigkeiten und eine ungleich größere Machtfülle). Großbritannien lässt sich sein Königshaus 46 Millionen Euro kosten, Deutschland seinen Bundespräsidenten einschließlich der Amtssitze (Schloss Bellevue in Berlin und Villa Hammerschmidt in Bonn) 25 Millionen. Kein Wunder: Der italienische Staatspräsident beschäftigt in seinem Umfeld nicht nur viel mehr Mitarbeiter, sondern diese beziehen auch weit höhere Gehälter. Die 770 Mitarbeiter in der Stammrolle kosten im Schnitt 146.000 Euro im Jahr. Es gibt zehn Abteilungen mit ebenso vielen Direktoren (vom „Ufficio per gli Affari Diplomatici“ über das „Ufficio per gli Affari interni e per i Rapporti con le Autonomie“ bis zum „Ufficio per la Conservazione del Patrimonio Artistico“), und jede Menge Ämter mit Chefs vom Dienst („Capi servizio“), vom „Servizio del Cerimoniale“ über den „Servizio Rapporti con la Societá Civile per la Coesione Sociale“ bis zum „Servizio per la Sicurezza del Lavoro“).
Nicht weniger als 765 Personen sind im Sicherheitsdienst beschäftigt. Dazu gehören Beamte der Staatspolizei, Angehörige der Carabinieri und das Sonderregiment der „Corazzieri“, das auf die Hochzeit des Kronprinzen Umberto im Jahr 1868 zurückgeht, als besonders tüchtige und groß gewachsene Carabinieri zu Pferd als besonderer Begleitschutz ausgewählt wurden. Umberto II. hat das Regiment bei seiner Abdankung 1946 aufgelöst, aber Staatspräsident Luigi Enaudi hat den „Squadrone“ wieder ins Leben gerufen, genauso, wie er den Einzug des Staatsoberhauptes in den ehemaligen Königspalast erwirkt hat. Dabei gehen die Kosten für Mann und Pferde weitgehend auf die Kappe des Verteidigungsministeriums, in der Ausgabenrechnung des Quirinals finden sich nur die Sonderzulagen.
Die Kosten das „Apparates“ rund um den Staatspräsidenten sind zweifellos und gelinde gesagt übermäßig. Sie innerhalb kurzer Zeit auf ein in anderen Staaten übliches Maß zu verringern, würde aber eine Radikalkur verlangen. Den Ballast des Palastes rasch abzuwerfen, wäre wohl nur auf Geheiß einer Troika auch für Italien möglich. So wird es wohl weitere Einsparungen geben, mit dem Ziel, irgendeinmal auf Ausgaben zu kommen, die gerechtfertigt sind.