Bozen – In den Niederlanden gibt es seit einigen Monaten einen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Das heißt: Wenn es die Arbeitsaufgaben zulassen, dann darf derjenige, der will, einen Tag pro Woche zu Hause arbeiten – sofern das Unternehmen mindestens zehn Mitarbeiter hat. Abgelehnt werden kann ein Antrag eines Arbeitnehmers lediglich aus drei Gründen: wenn die Heimarbeit zu schweren Sicherheitsrisiken führt, zu unlösbaren Problemen in der Dienstplanung oder zu untragbaren finanziellen Schäden für den Arbeitgeber.
Die Niederlande sind weltweit wohl das einzige Land mit einer solchen rechtlichen Verpflichtung. In Deutschland forderten die Grünen kürzlich die Einführung einer ähnlichen Regelung. In Italien gibt es derzeit keine derartigen Bestrebungen – wohl aber gibt es die Möglichkeit zum Homeoffice bzw. zur Telearbeit (siehe dazu auch SWZ 33/15, Seite 12).
Die SWZ hat sich umgehört, wie Südtiroler Unternehmen zum Homeoffice stehen – jedoch nicht überall Antworten erhalten. Bei einem öffentlichen Unternehmen hieß es zum Beispiel, die Möglichkeit werde zwar genutzt, man wolle derzeit jedoch nichts dazu sagen. Und ein im Beratungssektor tätiger Unternehmer erklärte, er erzähle gerne von seinen Erfahrungen, wolle aber nicht namentlich zitiert werden. Begründung: Das Homeoffice sei „ein zweischneidiges Schwert“ und er wolle das Modell nicht öffentlich loben und zugleich immer wieder Anträge von Mitarbeitern ablehnen. „Wir haben Mitarbeiter, bei denen das Arbeiten zu Hause sehr gut funktioniert, aber der Großteil kann nicht damit umgehen“, so der Unternehmer. Der Hauptgrund sei fehlendes Zeitmanagement. Einmal habe er auch erlebt, dass ein Mitarbeiter, der ausschließlich daheim arbeitete, sich völlig gehen ließ und verlotterte.
„Falls die Möglichkeit gewährt wird, muss die Zusammenarbeit wertvoll sein und das Vertrauen in den Mitarbeiter groß, dass er die ihm zugeteilten Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt“, erklärt der Berater. Seine Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, seien in erster Linie Mütter, die dadurch an einigen Tagen pro Woche den Anfahrtsweg ins Büro „einsparen“, aber auch regelmäßig am Unternehmenssitz selbst arbeiten.
Auch für Loacker Remedia, dem in der Produktion und Vertrieb homöopathischer Arzneimittel tätigen Unternehmen in Neumarkt, ist der Faktor „Vertrauen“ bei der Telearbeit wichtig. So werden etwa keine Kontrollen durchgeführt, ob die vereinbarten Arbeitszeiten tatsächlich eingehalten werden. Nutzen können das Arbeitsmodell all jene Mitarbeiter, mit deren jeweiliger Arbeitsfunktion es vereinbar ist, hauptsächlich sind es Frauen.
Auf was müssen Arbeitgeber, deren Mitarbeiter auch von zu Hause aus arbeiten, achten? „Dass ein Klima des Vertrauens geschaffen wird, denn nur so lässt sich eine optimale Produktivität erreichen. Zudem sollte klar definiert werden, welche Projekte oder Tätigkeiten zu Hause verfolgt werden“, heißt es auf SWZ-Nachfrage bei Loacker Remedia, das seinen Mitarbeitern seit etwa 13 Jahren das Homeoffice gewährt, in erster Linie Mitarbeiterinnen, welche Mütter geworden sind.
Bei Loacker Remedia – das Unternehmen erhielt mehrmals Auszeichnungen als hervorragender Arbeitgeber – ist man mit dem Modell „Homeoffice“ zufrieden und empfiehlt es auch weiter. Begründung: „Telearbeiter besitzen eine höhere Produktivität. Sie üben ihre Arbeit motivierter und konzentrierter aus, weil sie sich die Zeit frei einteilen können. Dies führt zu einer stärkeren Unternehmensbindung. Wichtig ist jedoch, dass ein Teil der Arbeit im Firmensitz erfolgt, da die physische Nähe bei Menschen für das Verständnis untereinander wichtig ist.“
Die Loacker-Remedia-Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, sind telefonisch erreichbar und telematisch mit dem Unternehmenssitz verbunden. „Grundsätzlich ist das Modell ein gutes Instrument für die Flexibilität in der Arbeit, birgt jedoch auch Nachteile“, so Loacker Remedia. „Zum Beispiel eine nicht immer optimale Projektkoordination.“
Um die Vor- und Nachteile von Telearbeit für den eigenen Betrieb abzuwägen, empfiehlt Arbeitsrechtsberater Stefan Kaspar vom Bozner Studio Kaspar eine mehrmonatige Probezeit, bevor eine definitive Abmachung getroffen wird. „Dann sehen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, ob ihnen die veränderten Arbeitsbedingungen zusagen“, so Kaspar. Bereits für diesen Erprobungszeitraum sollten wichtige Punkte, wie die Zeiten der Erreichbarkeit und wer die Spesen für das Homeoffice trägt („In der Regel ist es der Arbeitgeber.“), schriftlich festgelegt werden.
Von seinen Mitarbeitern arbeite derzeit keiner ausschließlich im Homeoffice, so Kaspar. „Das war lediglich einmal der Fall – und wir haben dann nach einer Probezeit gesehen, dass es für beide Seiten nicht passt. Die Mitarbeiterin hat sich dann entschieden, wieder täglich ins Büro zu kommen.“ Grundsätzlich sei die Telearbeit im Bereich Arbeitsrecht bzw. Personaldienstleistungen nicht einfach umzusetzen. „Es geht dabei vor allem um Datensicherheit und Privacy, aber auch darum, dass es ständig rechtliche und bürokratische Neuerungen gibt und deshalb der Austausch unter Kollegen enorm wichtig ist“, betont Kaspar.
Falls einer seiner Mitarbeiter wegen einer Notsituation jedoch einige Tage zu Hause arbeiten müsse bzw. wolle, sei er damit durchaus einverstanden. „Wenn wir dabei keine Regeln verletzen“, unterstreicht Kaspar.
Wie viele Personen in Südtirol insgesamt im Homeoffice arbeiten, ist laut Kaspar schwer einzuschätzen. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren vielleicht drei oder vier diesbezügliche Verträge für Kunden ausgearbeitet“, sagt der Arbeitsrechtsberater. „Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern zum Teil oder in besonderen Fällen zu Hause arbeitet – wenn auch ohne schriftlich definierte Regeln.“
Die Sparkasse startete ihr Projekt „Telearbeit“ im Sommer 2013. „Heute ist die Telearbeit eine nicht mehr wegzudenkende Realität in der Bank, die sich bewährt hat“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bank vom Februar 2015. „Diese ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Arbeitszeit, unter Berücksichtigung der entsprechenden Leitlinien, individuell zu planen und abzuwickeln.“ Einen Tag pro Woche arbeiten die „Telearbeiter“ jedoch regelmäßig in einer der Geschäftsstellen.
Ziel des Projekts sei es, jenen Mitarbeitern entgegenzukommen, bei denen die Vereinbarkeit der Arbeitszeit mit familiären Verpflichtungen schwierig oder bei denen der Weg zum Arbeitsort sehr weit sei. Der Nutzen des Projekts bestätige die Erwartungen. „Eine allgemeine Steigerung der Leistungsfähigkeit und Motivation, eine Verringerung krankheitsbedingter Abwesenheiten sowie eine allgemeine Geld- und Zeitersparnis für Pendler“ seien, so die Sparkasse, die drei wesentlichen Vorteile der Telearbeit.
Beim Schlanderser Unternehmen Kunstdünger, Experte für dreidimensionale Kommunikation, gibt es die Möglichkeit zum Homeoffice seit 2012. „Sie wurde im Zuge des Audits ‚familieundberuf‘ eingeführt. Prinzipiell könnten alle Mitarbeiter, die am PC arbeiten, von zu Hause aus arbeiten; zudem haben auch die Mitarbeiter in der Konfektionierung die Möglichkeit zur Heimarbeit erhalten“, erzählt Carmen Daniel, Verantwortliche für die Personalentwicklung bei Kunstdünger. „Genutzt wird das Homeoffice jedoch sehr wenig, und wenn, dann hauptsächlich von der mittleren Führungsebene. Die Mitarbeiter im Bereich Konfektionierung nehmen sich jedoch regelmäßig Arbeit mit nach Hause.“ Sie habe den Eindruck, dass die Mitarbeiter grundsätzlich gerne zum Arbeiten ins Unternehmen kommen – auch der sozialen Kontakte wegen. „Dadurch, dass wir sowohl in Schlanders als auch in Sinich Standorte haben, können sich die Mitarbeiter für den Arbeitsort entscheiden, der näher an ihrem Wohnort ist, soweit es keine Beeinträchtigung für die Arbeitsprozesse darstellt. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass die Telearbeit bei Kunstdünger relativ wenig genutzt wird“, vermutet Daniel, die es aber dennoch als wichtig und richtig erachtet, die Möglichkeit zu gewähren. „Manchmal ergeben sich für Mitarbeiter kurzfristig Situationen, die es ihnen unmöglich machen, ins Unternehmen zu kommen, doch ein Arbeiten von zu Hause aus ist möglich, sodass die Kollegen im Betrieb entlastet werden können.“
Ebenso wie bei Kunstdünger wurde auch bei der Handelskammer Bozen im Rahmen des Audits „familieundberuf“ die Einführung der Telearbeit vorgesehen. „Dann kamen allerdings die Wirtschaftskrise und die darauf folgenden Budgetkürzungen für die Handelskammer“, sagt Luca Filippi, Vizegeneralsekretär der Handelskammer Bozen. „Deshalb wurde die Umsetzung der Maßnahme nach hinten verschoben.“ Nun sei geplant, die Möglichkeit zum Homeoffice 2016, spätestens 2017 umzusetzen – und begrenzt auf die Mitarbeiter des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung. „Diese arbeiten sehr autonom“, begründet Filippi. Alle anderen Handelskammer-Mitarbeiter dagegen sollen auch weiterhin in ihren Büros arbeiten. „Wir haben zwar wegen der verschiedenen telematischen Möglichkeiten nicht mehr viel Parteienverkehr, dennoch finden wir, dass es wichtig ist, dass Ansprechpartner und Entscheidungsträger vor Ort sind“, so Filippi.
Fazit: In Südtirols Unternehmen ist das Modell „Homeoffice“ durchaus gefragt, meist jedoch eher in Ausnahmefällen und nicht als Regel. Und diejenigen Mitarbeiter, die die Möglichkeit wahrnehmen, scheinen das Vertrauen ihrer Arbeitgeber meist auch nicht zu enttäuschen.