Naturns – „Zuerst Skepsis. Dann Erstaunen.“ Diese Reaktionen habe es bei ihren ersten Kundengesprächen jedes Mal gegeben. David Peintner und Leon Gitterle schmunzeln. Sie wissen, was die Überraschung ihrer Gegenüber hervorruft: das junge Alter der beiden Naturnser. Vor drei Jahren sind die zwei Freunde aus Kindertagen mit ihrem Unternehmen gestartet. Damals waren sie 16 Jahre alt. Vor Kurzem – mit 19 und gerade eben der Matura in der Tasche – haben sie ihr erstes Büro bezogen. Am heutigen 1. Dezember öffnet eine weitere Servicestelle. In München. „Dort und in Süddeutschland haben wir viele Kunden.“ „Wir“, das ist die Social-Media-Agentur, die Peintner und Gitterle seit 2020 betreiben. Mit großem Ehrgeiz und genauso viel Spaß. Ihr Alter? Das sehen die beiden als Vorteil – denn: „Wir sind dadurch viel authentischer.“
Vom Grundschulfreund zum Geschäftspartner
Minimalistisch ausgestattet ist der Raum, in dem sich David Peintner und Leon Gitterle auf bequemen Polstersesseln niedergelassen haben. „Wir sind mit dem Einrichten gerade erst fertig.“ Vor drei Monaten, am 1. September, sind die beiden mit ihrem Unternehmen in das Lokal im Zentrum von Naturns eingezogen. Zuvor war hinter der großen Glasfassade ein Unverpackt-Laden. Jetzt sitzt dort MyMedia Marketing. So haben Peintner und Gitterle ihre Social-Media-Agentur getauft. „Theoretisch könnten wir von überall auf der Welt arbeiten“, weiß Peintner. Denn das Business, das er mit Gitterle ins Leben gerufen hat, spielt sich online ab.
Während der Corona-Zeit – David Peintner war an der Hotelfachschule in Meran, Leon Gitterle am Realgymnasium in Schlanders – entdeckte jeder für sich die Faszination für Social Media.
Die beiden 19-Jährigen, die heute als Geschäftspartner und -führer auftreten, kennen sich „seit immer“. Gemeinsam besuchten sie die Grundschule, spielten Fußball und bewegten sich im selben Freundeskreis. Dann trennten sich die Wege – nur, um die Freunde bald wieder zusammenzuführen. Während der Corona-Zeit – David Peintner war an der Hotelfachschule in Meran, Leon Gitterle am Realgymnasium in Schlanders – entdeckte jeder für sich die Faszination für Social Media. „Wir waren viel auf den sozialen Plattformen unterwegs“, erinnert sich Peintner. Mit steigendem Interesse beobachteten sie, wie es führenden Marken, Influencern sowie Influencerinnen und auch kleinen Betrieben gelang, immer mehr Menschen zu erreichen – und zu wachsen. „Wie ist es möglich, dass ich als kleines Unternehmen plötzlich eine riesengroße Zielgruppe ansprechen und somit sehr viele Leute erreichen und auch beeinflussen kann?“ Mit dieser Frage setzten sich Peintner und Gitterle bald intensiv und, weil sie eines Tages zufällig darauf zu sprechen kamen, gemeinsam auseinander. Zunächst ohne Hintergedanken.
Zweierlei Expertise
„Wir waren auf der Suche nach etwas, wo wir uns richtig reinknien können; nach einer Leidenschaft, die wir vertiefen und mit der wir vielleicht auch in Zukunft arbeiten können.“ David Peintner und Leon Gitterle dürften überzeugt sein von dem, was sie sagen. Sonst hätten sie sich wohl nicht in der schulfreien Zeit und im Selbststudium mit dem „Monster Social Media Marketing“ angelegt, sich Wissen und Expertise angeeignet. Zunächst auf kostenfreien Plattformen, dann mithilfe von Seminaren, Webinaren, Programmen und Mentoren. „Auch wenn wir uns beide in der Schule sehr leicht getan haben, war es doch eine intensive Zeit“, sagt Peintner.
Noch im selben Jahr, 2020, reift der Entschluss heran: „Wir wollen von unserem Wissen um das gesamte System ,Social Media‘, den Prozessen und Algorithmen dahinter, nicht nur selbst profitieren, sondern es weitergeben und Unternehmen, Einzelpersonen und Institutionen zu einem ansprechenden Auftritt auf den sozialen Plattformen verhelfen.“ Der sei heutzutage unabdingbar, sind Peintner und Gitterle überzeugt: „Kein Unternehmen kann es sich mehr leisten, nicht professionell auf den sozialen Plattformen präsent zu sein – das ist wie eine Visitenkarte.“ Zum einen diene das firmeneigene Social-Media-Profil der „Brand Awareness“, der Imagepflege. Zum anderen auch dem „Employer Branding“, der Markenbildung als Arbeitgeber für Unternehmen auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden. Und nicht zuletzt können dank Social Media neue Kundinnen und Kunden gewonnen werden.
„Leon ist der Kopf unserer Agentur, kümmert sich um die Umsetzung der Projekte. Ich bin das Gesicht, gehe gerne zu Meetings und halte den Kundenkontakt.“
Deshalb habe sich MyMedia auf zwei Bereiche spezialisiert, sagt Peintner. Er genießt das Gespräch sichtlich. Routiniert geht er auf die Fragen ein, während sich Gitterle im Hintergrund hält. „Leon ist der Kopf unserer Agentur, kümmert sich um die Umsetzung der Projekte. Ich bin das Gesicht, gehe gerne zu Meetings und halte den Kundenkontakt.“ Peintner blickt zu seinem Kompagnon. Der nickt lächelnd: „Ja, wir ergänzen uns sehr, sehr gut.“
Individualität als Stärke
Die zwei Schienen, auf denen MyMedia fährt, sind „Social Media Management und Performance-Marketing“, listet David Peintner auf. Das Angebot beinhalte den klassischen Service einer Social-Media-Agentur: „Wir ermöglichen unseren Kunden einen professionellen Auftritt in den sozialen Medien, kümmern uns um Kontinuität und Frequenz auf Instagram-, Facebook-, LinkedIn- und TikTok-Profilen und decken von A bis Z, von den Grafiken und Texten bis zur optimal getimten und zielgruppenorientierten Veröffentlichung des Materials, alle Dienstleistungen ab.“ Das zweite Standbein sind Werbekampagnen, „speziell zur Neukundenakquise und zum Mitarbeiter-Recruiting“. Dafür haben die beiden eine eigene Software entwickeln lassen, die Unternehmen den Such- und Anwerbe-Prozess so einfach wie möglich gestalten lässt.
Ein Blick auf die MyMedia-Website zeigt das Kunden-Portfolio, das sich die beiden 19-Jährigen in kurzer Zeit aufgebaut haben: Musik-Labels wie Sony Music und Fame Recordings, Schmuckhersteller wie Tiroler Goldschmied und Getränkeproduzenten wie Limestone. Die große Vielfalt unterscheide ihre dann auch von anderen Social-Media-Agenturen, die inflationär aus dem Boden schießen, meinen Peintner und Gitterle: „Wir bezeichnen uns als Boutique-Agentur, eine Agentur, die nicht auf eine Masse von Kunden abzielt, sondern auf Qualität statt Quantität setzt.“
„Uns war es wichtig, Kunden auch einladen zu können. Dafür ist ein Standort mit einem Büro einfach sehr wichtig.“
Gezielt exklusive Kunden gewinnen und individuell maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten – so wollen sich die jungen Naturnser von der Konkurrenz abheben. Das ist mit ein Grund, warum sie sich nach reiflicher Überlegung ein Büro zugelegt haben: „Uns war es wichtig, Kunden auch einladen zu können. Vor allem größere Klienten wollen – gerade weil es so viele Social-Media-Agenturen gibt und so viele einem das Blaue vom Himmel versprechen – einen seriösen Partner an der Seite. Dafür ist ein Standort mit einem Büro einfach sehr wichtig.“ Das Kernteam ist mittlerweile auf vier angewachsen. Ein Grafikdesigner und ein Social-Media-Manager sitzen mit an den dunkelgrauen Arbeitstischen. An der Wand: zwei Bilder von Joan Miró. Und das Unternehmensmotto: „Wir. Kreieren. Erfolg.“
Stillstehen geht nicht
Die meisten Neukunden gewinnt MyMedia laut Peintner inzwischen über Weiterempfehlung. Auch wenn es bei den ersten Meetings skeptische Blicke gebe – ihr junges Alter sehen die beiden nicht als Nachteil. „Seit wir das erste Handy haben, sind wir auf Instagram, Facebook & Co. unterwegs und kennen diese Plattformen in- und auswendig“, sagt Leon Gitterle. Dass sie mit Social Media groß geworden sind, beschaffe ihnen einen Vorsprung „gegenüber jemandem, der sich vielleicht mit 50 oder auch Mitte 30 erst einarbeiten muss“.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns unser Alter authentischer macht.“
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns unser Alter authentischer macht“, berichtet David Peintner. „Unternehmen wollen ihren Social-Media-Auftritt jungen Agenturen anvertrauen, weil sie genau wissen, dass niemand diese Plattformen besser kennt als unsere Generation, die damit aufwächst, als Konsumenten und Profiteure dieser Plattformen.“ Nichtsdestotrotz: Weiterbildung ist auch für die zwei 19-Jährigen Pflicht. Peintner betont: „Es gibt kaum eine Branche, die so schnelllebig ist und sich so rasch weiterentwickelt wie Social Media. Deshalb war für uns von Anfang an klar: Wenn wir das wirklich langfristig aufbauen wollen, sind Wissen und die Aktualität dieses Wissens das A und O.“ Genauso wie die Vernetzung mit Gleichgesinnten: „Wir sind Mitglied in einem europäischen Netzwerk von Social-Media-Agenturen und tauschen uns regelmäßig aus.“ Zusammen wachsen statt gegeneinander kämpfen laute die Devise.
Luft nach oben
Ob sie auf einem Markt, der sich rasend schnell bewegt, tatsächlich auf lange Sicht werden bestehen können, steht für Peintner und Gitterle außer Frage: „Der Bereich Social Media ist gerade beim Wachsen, er wird sich verändern und er wird sich schnell verändern. Aber Social Media wird sich, egal in welche Richtung es geht, durchsetzen können. Unser Ziel ist ganz klar: uns langfristig auf dem Markt festigen und uns vor allem in der Qualität differenzieren.“ Der bisherige Erfolg zeige, dass man auf dem richtigen Weg sei, sagt Peintner selbstbewusst. Gesättigt sei der Markt „absolut nicht“: „Allein die momentane Situation in Südtirol macht deutlich: Hier gibt es vergleichsweise noch sehr, sehr viele Unternehmen, die Unterstützung bei Social Media brauchen.“ Den Vergleich traut sich Peintner zu, weil zahlreiche der MyMedia-Kunden im Ausland sitzen, vor allem im DACH-Raum. Daher die Entscheidung für einen weiteren Standort in München.
„Das Unternehmen ist für uns auch ein Spaßfaktor, mit vielen Möglichkeiten, sich selbst, aber auch die Firma weiterzubringen.“
Aus der anfänglichen Passion scheint Ernst geworden zu sein – zumal die beiden auf die Frage, was sie offline so machen, zögerlich antworten. „Das ist eine gute Frage.“ Fast ihr gesamter Tag drehe sich aktuell um Unternehmen, Projekte, Kundinnen und Kunden. Zum Abschalten finde er kaum Zeit, gesteht David Peintner. Dennoch vermisst er Auszeiten von der Arbeit anscheinend nicht: „Das Unternehmen ist für uns auch ein Spaßfaktor, mit vielen Möglichkeiten, sich selbst, aber auch die Firma weiterzubringen, zu wachsen. Ich empfinde das als großes Glück.“ An diesem Punkt widerspricht ihm sein Freund und Geschäftspartner Leon Gitterle zum ersten Mal: „Es ist schon auch wichtig, ein paar freie Tage zu haben, Zeit außerhalb der Firma zu verbringen.“ Dann lachen beide wieder. Zu zweit gelinge es eben besser, alles im Gleichgewicht zu halten, sagt Gitterle. Das sei schon von Anfang an so gewesen.
Lisa Maria Gasser
lm.gasser@hotmail.com
DIE AUTORIN ist freiberufliche Journalistin.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie hier und in der SWZapp.