SWZ: Wie haben Sie es zum Poker-Profi gebracht?
Daniel Holzner: Ich würde mich eher als Semiprofi bezeichnen. Angefangen hat alles in kleiner Runde gemeinsam mit Freunden, abwechselnd bei jedem zuhause, einfach zum Spaß. Mit der Zeit begann ich, mich immer mehr fürs Pokern zu interessieren und entdeckte das Onlinespiel. Da sah ich, dass manche um ein paar Cent spielen, manche aber auch um ein paar Tausend Euro – und fragte mich, wie das sein kann. Um mehr zu erfahren, habe ich viel gelesen und Videos geschaut. So wurde ich besser, was nicht einfach ist, denn Pokern ist sehr komplex, anders als oft angenommen. Man bekommt eben nicht nur zwei Karten und spielt ein bisschen. Es braucht Fleiß und Ausdauer.
Was sich bei der Poker-WM bezahlt gemacht hat, wo Sie kürzlich einer der letzten zehn Spieler waren.
Es war sicher auch Glück, dass ich genau bei diesem großen Event einen solchen Lauf hatte und mein bestes Poker gespielt habe.
Wie viel Preisgeld haben Sie bisher gewonnen?
Bis zur WM waren es rund 40.000 Euro bei Turnieren, ich spiele aber kaum welche, vielleicht waren es bisher an die 50 Stück. Ich bevorzuge Onlinepoker. Das ist eine andere Variante, das sogenannte Cash-Game.
Haben Sie das Geld tatsächlich gewonnen – oder erarbeitet?
Beim Pokern kann man viel fürs Spiel tun und trotzdem wenig gewinnen, oder man kann wenig fürs Spiel tun und abräumen. Das macht es wahrscheinlich für Amateurspieler so interessant. Auf kurze Sicht kann jeder gegen jeden gewinnen. Wenn das Glück gerade nicht auf deiner Seite ist, kannst du nicht viel machen.
Um zur Frage zurückzukommen: Ich denke, ich habe mir die Platzierung dieses Mal schon verdient, weil ich mit der richtigen Einstellung angetreten bin, mein ganzes Know-how umgesetzt und einige schwierige Entscheidungen getroffen habe. Ich habe im richtigen Moment Karten weggeworfen und bin im richtigen Moment mitgegangen.
Einfach war es nicht, sechs Tage in Folge bestand mein Tag aus Frühstück, zehn bis zwölf Stunden Poker, Abendessen und Schlafen. Trotzdem habe ich es geschafft, immer fokussiert zu bleiben.
Was würden Sie sagen, haben ein Poker-Spieler und ein Unternehmer gemeinsam?
Beide sind für sich selbst verantwortlich und müssen viele Entscheidungen treffen. Als Spieler sind es meist viele kleine, die am Ende das Ergebnis beeinflussen. Beim Unternehmer stehen sicher öfter auch größere Entscheidungen an, die größeres Gewicht haben. Als Pokerspieler habe ich sicher weniger Last zu tragen als ein Unternehmer.
Bleiben wir beim Thema Entscheidungen. Sie sind es gewohnt, diese unter Druck zu treffen. Was hilft Ihnen dabei?
Am wichtigsten sind die Informationen über meine Gegenspieler. Dieselbe Hand spiele ich je nach Gegner unterschiedlich. Primär schaue ich also zuerst, was die Konkurrenz macht: Spielt jemand aggressiv oder eher passiv? Wenn ein Gegner schwach ist, ist es eigentlich egal, welche Hand ich halte. Wenn ich es richtig mache, schmeißt er seine Karten weg. Mit dem Prinzip kann man sich aber auch leicht verbluffen.
Außerdem wichtig ist das Spielverständnis, um Bluffs aufzudecken. Erst ganz zum Schluss kommt das Bauchgefühl. Als noch 200 Spieler im Turnier waren, habe ich darauf gehört.
Wie gelingt es Ihnen, Emotionen und impulsives Verhalten zu unterdrücken und stattdessen rational zu bleiben?
Ich versuche, die Emotionen nicht an mich ranzulassen beziehungsweise mich emotional von den Ergebnissen zu trennen. Ob ich gewinne oder verliere: Weder freue ich mich, noch bin ich traurig. Das gelingt mir mittlerweile gut, fast zu gut, denn manchmal passiert es im Privatleben auch, dass mich Dinge nicht mehr so einfach begeistern. Früher war ich sicher anders, aber es ist wahrscheinlich eine Art Selbstschutz, um nicht durchzudrehen.
Manchen passiert das. Wenn sie viel gewinnen, meinen sie, mit Geld um sich werfen zu müssen. Wenn sie viel verlieren, sind sie verzweifelt und schmeißen alles hin.
Und Sie ärgern sich nie?
Doch, natürlich, vor allem bei einem Onlinespiel, da kann es schon vorkommen, dass ich vor dem Bildschirm fluche. Aber live würde ich mir das nie erlauben. Das Spiel ist, was es ist, damit muss man klarkommen.
Welche Strategien wendet ein Pokerspieler an, um mit dem Risiko und der Ungewissheit im Spiel umzugehen?
Für mich ist es im Prinzip einfach. Ich spiele mein Spiel, muss mich im Grunde nur an den Gegner anpassen, viel Risiko ist eigentlich nicht dabei. Ich spiele online die gewissen Hände und weiß, dass auf Dauer der bessere Spieler gewinnt. Man versucht, überlegenen Spielern so gut wie möglich auszuweichen und sich auf die schwächeren zu konzentrieren. So gibt es dann zwar Höhen und Tiefen, aber am Ende bin ich finanziell immer im grünen Bereich gelandet.
Ich könnte natürlich live spielen, zum Beispiel mit meinem Gewinn. Dann müsste ich bei jedem Turnier zu Beginn einen Einsatz zahlen – und der kann schnell verspielt sein, wenn mal ein halbes Jahr oder sogar ein Jahr nicht so läuft.
Sie planen also nicht, an weiteren Turnieren teilzunehmen?
Ich fahre erst mal zurück nach Hause und helfe drei Monate bei der Ernte. Im Winter schaue ich weiter. Ich war schon beim Abschließen mit dem Pokern, bis zur WM habe ich voll auf dem Hof mitgearbeitet. Mein Vater ist 60 geworden, und ich will ihn einfach mehr unterstützen. Und bei meinem Fußballverein habe ich auch schon für die kommende Saison zugesagt. Aber wir werden sehen, wie es effektiv weitergeht.
Wir haben schon kurz über die Gegner am Tisch gesprochen. Wie analysieren Sie deren Verhalten?
Es kommt stark auf den Spielstil an. Den nehme ich als Grundlage. Außerdem beobachte ich, ob jemand erfahren ist oder nicht. Bei manchen sieht man, dass sie nie versucht haben, besser zu werden.
Beim Poker geht es im Grunde ums „Survival of the Fittest“, ums Überleben des Stärksten. Es gibt viele schwache Spieler, und es kommen auch immer welche nach, denn zum Mitmachen reicht es zunächst, Geld in die Hand zu nehmen. Als Spieler versucht man, gegen sie anzutreten, weil die Gewinnchancen dann am höchsten sind.
Lässt sich davon etwas auf das Verständnis von Wettbewerbern und Kundschaft im Unternehmen übertragen?
Als Unternehmer versucht man ebenfalls, sein Bestes zu geben und die Ressourcen, die einem zur Verfügung stehen, bestmöglich einzusetzen. Und in der Wirtschaft überleben am Ende auch die, die es am besten machen.
Bluffen ist ein wesentlicher Bestandteil des Pokerspiels. Verraten Sie uns, wie Sie das anstellen – oder bleibt das Ihr Geheimnis?
Es gibt nicht die eine Strategie, die einen erfolgreich macht, deshalb habe ich nichts zu verbergen (lacht). Ich ziele darauf ab, nicht besonders starke und eher passive Spieler ausfindig zu machen und sie unter Druck zu setzen, unabhängig davon, was ich selbst in der Hand halte.
Gegen gute Spieler ist es natürlich um einiges komplizierter. Da wird zwei- bis dreimal um die Ecke gedacht. Er weiß, dass ich weiß, dass er weiß … Die Kunst besteht darin, dem anderen einen Schritt voraus zu sein.
Grundsätzlich versuche ich, einfache Strategien anzuwenden. Man kann in die eigenen Karten schauen, lässig aus seinem Glas trinken, ganz unterschiedlich. Hauptsache, man behält einen klaren Kopf. Im vergangenen Turnier war mein Mindset extrem stark, egal, ob ich 100.000 Chips oder 1.000 vor mir hatte.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Die Teilnahme war ein Geschenk meiner Freunde, und ich wollte auf Biegen und Brechen das Beste daraus machen. Alle waren da, um mich zu unterstützen, das war unglaublich hilfreich.
Was machen Sie jetzt eigentlich mit Ihrem Gewinn von umgerechnet 800.000 Euro?
Gefühlt ist alles schon verplant. Investitionsmöglichkeiten gäbe es viele, am Hof bräuchte es einen neuen Traktor, mein Bruder hat erst eine neue Wohnung gekauft, mein Auto wäre auszutauschen, nicht weil ich es mir jetzt gerade leisten kann, sondern weil es 13 Jahre alt ist und mehr als 300.000 Kilometer auf dem Tacho hat. Und: Unser Bauernhof wäre zu sanieren. Wenn wir das angehen, ist der Gewinn bald aufgebraucht.
Interview: Sabina Drescher
Info
Daniel Holzner
Daniel Holzner, Jahrgang 1992, ist in Tscherms aufgewachsen. Seit rund zehn Jahren verdient er sein Geld als Pokerspieler, hauptsächlich online. Zum 30. Geburtstag schenkten ihm seine Freunde die Teilnahme am heurigen Main Event der World Series of Poker (WSOP), dem Hauptturnier der Poker-Weltmeisterschaft, wo er es als erst vierter Italiener ins Finale schaffte. Als insgesamt Neunter strich er ein Preisgeld von umgerechnet 800.000 Euro ein (rund die Hälfte davon muss er an den Fiskus zahlen). Neben dem Pokerspiel ist Holzner Landwirt am elterlichen Hof und Fußballspieler in der ersten Amateurliga.