Bozen – Der 4. März ist „Welt-Adopositas-Tag“. An diesem Tag wird das Hauptaugenmerk auf die Prävention von Adipositas gelegt, die der Arzt Michael Kob als „Erkrankung“ bezeichnet. Auch in Südtirol sind, wie auf der ganzen Welt, immer mehr Menschen davon betroffen.
„Aus den neuesten Statistiken wird ersichtlich, dass innerhalb 2035 51 Prozent der Weltbevölkerung, also mehr als vier Milliarden Menschen, von Übergewicht oder Adipositas betroffen sein werden, wenn dieser Trend anhält“, so Kob. „Das hat verheerende Auswirkungen, sowohl aus gesundheitlicher als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Adipositas ist ein Risikofaktor für das Auftreten von zahlreichen chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Herzinfarkt oder verschiedene Krebserkrankungen. Sie verursacht auch psychologische Probleme wie Depression, Angststörungen und niedriges Selbstwertgefühl. Weiters ist damit eine erhöhte Sterblichkeit verbunden, beziehungsweise verkürzt sich die Lebenserwartung im Vergleich zum Durchschnitt um mehr als zwei Jahre.“
Anlässlich des Welt-Adipositas-Tag hat der Sanitätsbetrieb das untenstehende Interview mit Michael Kob geführt, dem geschäftsführenden Primar des Dienstes für Diätetik und klinische Ernährung.
Wie sieht die Situation in Südtirol aus?

Michael Kob: In Südtirol sind 22 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig, während 4,9 Prozent als adipös gelten. Bei den Kindern zwischen acht und neun Jahren sind hingegen 12,9 Prozent übergewichtig und 2,6 Prozent adipös. Bei den Über-65-Jährigen besteht eine deutlichere Tendenz, Gewicht zuzulegen, der Prozentsatz der Übergewichtigen liegt bei 36,7 und jener der Adipösen bei 14,1 Prozent. Positiv dabei ist, dass wir leicht unter dem nationalen Durchschnitt liegen, wobei jedoch in den letzten Jahren ein konstanter Zuwachs der Fälle zu verzeichnen war.
Die richtigen Lebensmittel in geeigneter Menge zu sich zu nehmen, ist ein richtiger und einfacher Ratschlag. Schwieriger ist es, zu erklären welche negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu viel und ungesundes Essen haben kann. Manchmal gehen wir mit unserem Körper so um, als ob er nicht uns gehören würde…
Gehen wir davon aus, dass Übergewicht und Adipositas, wenn auch im unterschiedlichen Ausmaß, eine Krankheit darstellen. Während wir gewöhnt sind, zum Arzt zu gehen, um ein Medikament zu erhalten oder uns einem chirurgischen Eingriff zu unterziehen, beruht die Behandlung von Adipositas hauptsächlich auf medizinischen Indikationen, welche sich auf die Lebensweise des Patienten auswirken. Darüber hinaus hängt die Ernährung stark mit den Emotionen zusammen. Daher ist es nicht einfach, ein für alle gültiges Konzept zu finden.
Halten Sie es für notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, damit die sogenannte gesunde Ernährung schon von Kind an gelernt wird?
Ja, absolut, sogar schon früher! Schon in der Schwangerschaft sollte ein gesunder Ernährungsstil befolgt werden. Wir wissen heute, dass die Ernährung von schwangeren Frauen einen Einfluss auf das zukünftige Auftreten von Diabetes, Übergewicht und anderen Stoffwechselerkrankungen beim Kind haben kann. In diesem Sinne schützt beispielsweise das Stillen vor diesen Risiken.
Wie kann man Hungergefühl vermeiden?
Ein Grundprinzip ist die Verteilung der Mahlzeiten. Zwischen Frühstück, Mittag- und Abendessen ist es wichtig, kleine Zwischenmahlzeiten am Vormittag und Nachmittag einzuplanen. Diese wirken sich positiv auf den Stoffwechsel aus und tragen dazu bei, die Blutzuckerwerte stabil zu haben und tun auch dem Magen gut. Auf diese Weise geht man nicht mit übertriebenem Hunger zu den Hauptmahlzeiten. Ein zweiter Faktor sind kalorienreiche Speisen. Bei der gleichen Ernährungsmenge sind pflanzliche und Vollkornspeisen stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Süßigkeiten, salzigen Sacks und Energieriegeln vorzuziehen. Auch wenn wir den Verzehr von Energieriegeln nicht empfehlen, ist dennoch zu sagen, dass es unter bestimmten Umständen besser ist, diese zu essen, als eine Mahlzeit auszulassen oder zu Fast Food zu greifen. Schließlich ist auch zu bedenken, dass ballaststoffreiche Lebensmittel, wie Hülsenfrüchte, Kohlenhydrate nur langsam freisetzen und den Magen langsam entleeren, sodass das Sättigungsgefühl länger anhält.
Bewegung, gesundes Essen, richtige Ernährung – welcher dieser drei Faktoren gilt als Ausgangspunkt für eine bessere Gesundheit?
Es ist die Motivation, denn, wenn jemand nicht ernsthaft motiviert ist, ist jeder Versuch schon von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich bringe ein Beispiel: Denken wir an Patienten oder Patientinnen, die nur auf ärztlichen Ratschlag zu uns kommen oder weil der Ehepartner oder die Eltern sie dazu überredet haben, ohne eine starke intrinsische Motivation von der betroffenen Person selbst. In diesen Fällen sind die Ergebnisse minimal oder nur von kurzer Dauer. Um auf die Frage zurückzukommen: Wer falsche Ernährungsgewohnheiten hat, kann damit beginnen, diese zu verbessern. Wer sich hingegen korrekt ernährt, aber einen langsamen Stoffwechsel hat, sollte auf mehr Bewegung achten. Nicht zuletzt kann bei mangelnder Motivation eine psychologische Beratung den entscheidenden Unterschied ausmachen.
In unserer heutigen Gesellschaft ist der Motivationsantrieb vielleicht eher ästhetischer als gesundheitlicher Natur. Wie stehen Sie dazu?
Dies ist bei jungen Menschen häufiger der Fall als bei Erwachsenen, welche die Entscheidung eher aufgrund entstandener gesundheitlicher Probleme treffen. Bei der Bekämpfung von Adipositas muss auch darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer negativen Beziehung zum Essen kommt, wie es bei Bulimie oder Magersucht der Fall ist.
Sind Sie der Meinung, dass es auch eine Frage der sozialen Verantwortung ist, nicht ein Übermaß an Lebensmitteln zu konsumieren?
Ja, absolut. Der Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide, die im Übrigen die Basis der Mittelmeerdiät bilden, begünstigt die Verringerung von Treibhausgasen und Wasserverschwendung und trägt zum Schutz der Biodiversität bei. Wie der Wissenschaftler Ancel Keys in seinen Studien an Bevölkerungsgruppen des Mittelmeerraums gezeigt hat, verringert diese Art der Ernährung, ohne dass man auf Fleisch und Fisch verzichten muss, das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und wirkt sich positiv auf die Lebenserwartung der Menschen aus.