Bozen – „Wasserstoff-Offensive“ nennt die Landesregierung ihre jüngsten Investitionen in emissionsarme Antriebstechnologien. Kürzlich wurden zwei Projekte genehmigt, die in Zusammenarbeit mit der EU abgewickelt werden. Damit werden zwölf elektrische Brennstoffzellenbusse angekauft und die zugehörige Betankungs- und Logistikinfrastruktur realisiert.
Kritik an dieser Strategie kam von der Süd-Tiroler Freiheit. Bernhard Hilber, STF-Gemeinderat in Bruneck, kritisierte vor allem, dass die Herstellung des Wasserstoffs mehr Energie benötige, als am Ende genutzt werden könne. Damit ist eine altbekannte Diskussion neu entfacht, denn kaum ein Thema im Bereich der Mobilität wird so kontrovers diskutiert wie die Chancen der Brennstoffzelle als Energielieferant für Elektrofahrzeuge. Ist die Technologie die Zukunft oder Zeitverschwendung?
Thomas Klauser meint
Leichtes Gas, große Wirkung
Einfache Antworten gibt es heute in keinem Bereich mehr – auch nicht bei der Frage nach der besten und saubersten Art des Fahrzeugantriebs. In der Elektromobilität gibt es zwei Technologien: eine bezieht Strom aus einer Batterie, die andere aus der Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Energie umwandelt. Fahrzeuge, die mit einer Brennstoffzelle ausgestattet sind, kommen in Reichweite und Betankungszeit unseren herkömmlichen Fahrzeugen am nächsten.
In Italien gibt es bislang nur eine einzige Tankstelle: am Parkplatz Firmian neben der Autobahneinfahrt Bozen Süd. Dass das Tankstellennetz noch ausgebaut werden muss, ist sicher ein Nachteil. Ein Vorteil ist, dass keine neuen Flächen ausgewiesen werden müssen wie für Ladeplätze, da bestehende Tankstellen nachgerüstet werden können.
Wenig informierte Personen bemängeln oft den angeblich geringen Wirkungsgrad. Betrachtet man das gesamte Fahrzeug, liegt dieser allerdings bei über 60 Prozent, Dieselfahrzeuge kommen nur auf 25 Prozent. Noch besser schneiden – sofern man nur den Fahrzeugbetrieb betrachtet – kleine Batteriefahrzeuge ab (80 bis 85 Prozent). Die Betonung liegt auf „klein“, denn alles, was größer ist als die Golf-Klasse büßt an Effizienz zunehmend ein – insbesondere jenseits der Idealbedingungen.
Um über die Energie- und CO2-Bilanz eines Fahrzeugs zu sprechen, darf man aber nicht nur den Betrieb berücksichtigen, sondern muss den Energieverbrauch im gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung betrachten. Hier ist die Brennstoffzelle eindeutig die energieeffizienteste Technologie. Denn Batteriefahrzeuge sind rohstoffbasiert: je mehr Rohstoffe in das Fahrzeug gepackt werden, desto größer die Reichweite. Diese sind allerdings kritisch in der Gewinnung. Sie werden unter hohem Einsatz fossiler Energien, von Wasser und Chemikalien gewonnen und aufbereitet, was sich negativ auf die Ökobilanz auswirkt.
Batterieautos können zumindest CO2-technisch Vorteile bieten, allerdings nur bis zu einer heutigen Batteriegröße von 50 kWh. Alles, was darüber hinausgeht, sollte laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE mit Brennstoffzelle ausgestattet werden. Studien von VW und Mercedes sind zu ähnlichen Schlüssen gekommen.
Somit hat jede der beiden Technologien einen sinnvollen Einsatzbereich, und sie können sich perfekt ergänzen – auch im öffentlichen Personennahverkehr.
Klare Strategie der Landesregierung
Da Busse viele Fahrzeuge ersetzen, kann deren Batteriekapazität um einiges höher sein, und trotzdem noch CO2-Vorteile bieten. Brennstoffzellenbusse wiederum sind aufgrund ihrer Flexibilität und Reichweite für lange Strecken und Doppelschichten geeignet. Die Landesregierung macht es in meinen Augen richtig, indem sie beide Technologien ankauft und testet, auch wenn beide noch teurer sind. Ab 2025 müssen im ÖPNV verpflichtend steigende Prozentsätze von Null-Emissionsfahrzeugen eingesetzt werden. Durch die jetzige Testphase kann die Landesregierung dann gut begründet entscheiden, wie viele Busse welcher Technologie angekauft werden müssen, um für alle Streckenprofile geeignete emissionsfreie Fahrzeuge zu haben. Übrigens: Die neuesten sogenannten Wasserstoffbusse, die Bozen erhalten wird, sind eine Kombination aus Batterie und Brennstoffzelle.
Wasserstoff und das Energiesystem
Wenn man den Blick vom Fahrzeug weg auf das Energiesystem lenkt, hat Wasserstoff den Vorteil, dass er zu jenen Tages- und Nachtzeiten produziert werden kann, wenn auch genügend grüner Strom vorhanden ist. Morgens und in den Abendstunden, wenn wenig Ökostrom im Netz ist, müssen selbst wir in Südtirol über weite Teile des Jahres Strom aus fossilen Brennstoffen und Kernenergie zukaufen. Genau dann werden aber die Batteriefahrzeuge vorwiegend geladen – wenn man zu Hause oder am Arbeitsplatz ankommt. Die Wasserstoffproduktion kann diese Zeiten ausklammern und ist somit sehr gut kompatibel mit einem Energiesystem, das auf erneuerbaren Strom setzt.
Thomas Klauser studierte Ökologie und Umwelttechnik in Innsbruck. Er ist verantwortlich für Verwaltung, Kommunikation und Technik des Zentrums für Wasserstoff und Elektromobilität in Bozen.
Ulf Bossel meint
Strom nicht verschwenden, sondern sparen
In einem Punkt sind sich, denke ich, alle einig. Die fossilen Vorräte versiegen, die Menschen müssen ihren Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken. Auf der einen Seite steht die elektrische, regenerativ erzeugte Energie, auf der anderen das Beibehalten einer chemischen Energiewirtschaft auf Basis von Wasserstoff.
Es wundert mich, dass in Bozen Brennstoffzellenbusse angekauft werden. In anderen europäischen Städten setzt man mittlerweile ausschließlich auf E-Busse. Das hat seine Gründe. Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein sekundärer Energieträger. Er kommt in der Natur nur in gebundener Form vor und muss deshalb hergestellt werden, zum Beispiel durch Elektrolyse. Bei diesem Verfahren wird Strom durch Wasser geleitet, um es in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zu trennen. Dabei gehen über 40 Prozent der elektrischen Energie verloren. Wenn der Wasserstoff später in der Brennstoffzelle verbrannt wird, um Strom herzustellen, geht erneut rund die Hälfte der Energie verloren, und zwar durch Wärmeverlust.
Weitere Verlustquellen sind die Speicherung und der Transport. Bezogen auf sein Volumen enthält der Wasserstoff sehr wenig Energie. Entweder wird er mit hohem Energieaufwand in Druckbehältern komprimiert oder durch Abkühlen auf minus 253 Grad Celsius verflüssigt. Um die Energie zu transportieren, die in einem Benzintanklastzug steckt, braucht man etwa 15 Wasserstoff-Tanker. Insgesamt kann am Ende der Umwandlungs- und Verteilungskette nur ein Viertel der Ausgangsenergie auf die Straße gebracht werden. Direkt übers Stromnetz könnten hingegen 90 Prozent genutzt werden.
Durch die hohen Verluste innerhalb der Wasserstoffwirtschaft würde der Bedarf an Strom um ein Vielfaches ansteigen. Wir müssten die vierfache Fläche für dessen (grüne) Erzeugung aufbringen wie für die Stromversorgung von Elektroautos. Die Mobilität kann mit Brennstoffzellen folglich zwar umweltgerecht gestaltet werden, aber nicht effizient. Es handelt sich um ein Energie-Verlust-Spiel, das wir uns nicht leisten können. Wasserstoff ist viel zu teuer im Vergleich zu direkt genutztem Strom, der aus erneuerbaren Energien stammt. Unser Ziel muss sein, mit der geringsten Menge an Strom die meisten Fahrzeuge zu speisen. Wir dürfen nicht verschwenden, sondern müssen sparen. Das kann mit Wasserstoff nie gelingen.
Sein sauberes Image hat Wasserstoff zu Unrecht. Es kann höchstens so umweltfreundlich sein wie jene Energieträger, mit deren Hilfe er gewonnen wurde. Momentan geschieht das zum Großteil mit fossilen Brennstoffen: Kohle, Erdöl, Erdgas.
Die Zukunft gehört der Elektromobilität mit Batterien
Um von der heutigen Energiewirtschaft, die von Erdöl dominiert wird, zu einer nachhaltigen zu gelangen, können die genannten fossilen Energieträger nicht einfach durch synthetischen Wasserstoff ersetzt werden. Veränderungen müssen in allen Bereichen der Energietechnik bedacht werden: Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Nutzung. Strom aus erneuerbaren Quellen wird in Zukunft die Ausgangsbasis bilden. Der aus Strom gewonnene Wasserstoff wird deshalb immer teurer sein als die regenerativ erzeugte Elektrizität. Die Zukunft gehört deshalb der Elektromobilität mit Batterien.
Diese bietet einen weiteren Vorteil: Es bedarf keiner neuen Tankstellen wie beim Wasserstoffantrieb. Die E-Autos können die Fahrer an jeder Steckdose laden. Persönliche Zeit fürs Tanken müssen sie auch nicht aufbringen. Den Großteil des Tages ist ein Auto irgendwo abgestellt. Dann kann es geladen werden – im Idealfall zu den Zeiten, in denen genügend Ökostrom zur Verfügung steht. Hierzu ist ein intelligentes Strommanagement nötig.
Ulf Bossel: Der Schweizer Diplomingenieur erlangte seinen Doktorgrad in Raumfahrtaerodynamik an der University of California, Berkeley, und forschte in der Folge zum Thema nachhaltige Energien, insbesondere Brennstoffzellen.