SWZ: Die durchschnittliche geschlechtsspezifische Lohndifferenz beträgt in der EU derzeit 14,1 Prozent, in Südtirol werden Frauen im Durchschnitt um 17 Prozent geringer entlohnt als ihre männlichen Kollegen mit derselben Qualifikation und Berufserfahrung. Darauf weist alljährlich der Equal Pay Day hin. Was halten Sie von solchen Initiativen?
Zenone Giacomuzzi: Initiativen, welche die Gesellschaft auf Ungleichbehandlungen aufmerksam machen, sind immer zu begrüßen. Gerade die Kluft der Gehälter zwischen Mann und Frau gilt es zu schließen, da man von einer Gleichberechtigung erst dann sprechen kann, wenn vergleichbare Qualifikation und Berufserfahrung gleich entlohnt werden.
Warum gibt es diese Lohnlücke – zu großen Teilen – nach wie vor? Sind die Frauen etwa selbst schuld daran?
Ich bin überzeugt, dass alle einen Beitrag leisten müssen, um die Lohnlücke zu schließen. Bei der Kindererziehung und im Haushalt übernehmen die Frauen sicherlich immer noch den Großteil der Arbeit. Ein Vollzeitjob ist dadurch oft unmöglich – und somit die Ausübung einer Führungsrolle schwierig. Frauen sind eher bereit, andere Rahmenbedingungen zu akzeptieren oder eine Stelle anzunehmen, weil diese zum Beispiel mit Teilzeit kombinierbar ist. Damit werden die Weichen für flachere Karrieren und Einkommensrückstände gelegt.
Was kann getan werden, um die Lohnlücke zu schließen?
Wir als RLB sind bemüht, diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, indem wir verstärkt auf die Qualifikation unserer Mitarbeiter achten. Ich denke aber, dass vor allem die Politik die Voraussetzungen schaffen muss, damit eine gerechte Rollenverteilung sich etablieren kann. Es sollten beispielsweise mehr Kitaplätze bzw. mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung geschaffen werden.
Durch die Corona-Pandemie ist die Frauenerwerbstätigkeit international wieder zurückgegangen. Was wäre notwendig, um dem gegenzusteuern?
Dieses Problem kann nicht von einem Tag auf den anderen geändert werden. Ein Umdenken der Gesellschaft zur Rolle der Frau wäre meines Erachtens hierfür notwendig. Doch auch Männer stehen vor Hürden, wenn sie Kinder und Job vereinbaren wollen. Nur müssen die Frauen in ihrer Karriere häufig beweisen, dass sie trotz Kindern einen tollen Job machen, während Männer sich in Sachen Erziehung erst beweisen müssen, bevor ihnen das die Gesellschaft so richtig zutraut.
Männern fällt es wahrscheinlich schwerer, beim Arbeitgeber Elternzeit einzufordern, da sie Angst haben, dadurch Karriereeinbußen zu erleiden. Was wir in unserem Unternehmen zuletzt allerdings festgestellt haben, ist, dass die Anzahl der Familien, in denen die Väter sich an der Kinderbetreuung beteiligen, um einiges zugenommen hat.
Wie schaut es in Ihrem Team aus: Haben Frauen leitende Positionen inne? Verdienen Frauen und Männer gleich viel? Gehen auch Männer in Elternzeit?
Banken haben das Image, von Männern dominiert zu werden. Das mag zum Großteil stimmen. Aber auch in diesen traditionellen Männerrollen ist ein Wandel spürbar. Heute sind knapp 43 Prozent unserer Mitarbeitenden Frauen. Wir in der RLB haben Frauen in Führungspositionen, die ihre Arbeit vorbildlich erledigen und einen großen Mehrwert für unseren Betrieb darstellen. Zudem können wir auf viele zielstrebige und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen bauen, denen wir Perspektiven geben möchten, in Zukunft Führungsposition zu übernehmen.
Wir wissen, dass bei uns in der RLB die geschlechterspezifische Lohndifferenz bei 13 Prozent liegt und somit deutlich unter dem Südtiroler Durchschnitt. Die Differenz ist vor allem auf den hohen Anteil an Teilzeitverträgen bei den Frauen zurückzuführen.
Es gibt Männer bei uns im Betrieb, die Elternzeit in Anspruch nehmen. Jedoch stellen wir fest, dass es immer noch sehr wenige sind, die von diesem Recht Gebrauch machen.
War/ist die Vereinbarkeit Familie und Beruf eine Herausforderung, die Sie persönlich betroffen hat oder betrifft?
Ehrlich gesagt, war das bei meinen Kindern noch kein Thema. Bei meinen Mitarbeitern, die ich sehr schätze, sehe ich die Herausforderung, welche die Vereinbarkeit mit sich bringt. Und daher haben wir uns bewusst für das Audit Familie und Beruf entschieden.
Interview: Simone Treibenreif
DIE SERIE Noch immer gibt es Ungleichgewichte bei der Behandlung von Frauen und Männern in Gesellschaft und Berufsleben. Die SWZ fragt in den nächsten Monaten im 2-Wochen-Rhythmus bei Unternehmern und männlichen Führungskräften nach dem Warum und nach Lösungsvorschlägen. Die Firmen der Befragten sind allesamt „Audit familieundberuf“-zertifiziert.
Warum Männer befragt werden? Weil sie zu großen Teilen nach wie vor die Entscheidungsträger sind, und es Veränderungen nur geben kann, wenn nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer überzeugt von der Notwendigkeit von Veränderungen sind.