Kürzlich wurde bekannt: Studentinnen an einer pädagogischen Universität in Tadschikistan müssen fortan High Heels tragen, wenn sie zum Unterricht gehen. Der Grund: Die zukünftigen Lehrerinnen sollen „niveauvoll gekleidet sein, damit sie ihren Schülern gute Manieren beibringen können“, erklärte der Rektor der Hochschule, ein ehemaliger Bildungsminister der muslimisch geprägten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik. Die High-Heels-Pflicht sei eine Maßnahme, durch die die Regierenden einer Radikalisierung der Bevölkerung vorbeugen wollen, hieß es in diversen Medienberichten.
Wie sich das die tadschikische Führungsriege genau vorstellt, erschließt sich mir zwar nicht, was aber feststeht: Den Großteil der Männer an der Hochschule wird die Verpflichtung zum Stöckelschuh freuen, zumindest wenn es nach der Statistik geht. Denn 94 Prozent der Männer finden Frauen in High Heels – das sind übrigens Schuhe mit einem Absatz von mindestens zehn Zentimetern – sexy, vor allem, weil ihr Gang dann erotischer wird (74 Prozent), aber auch weil die Beine einer Frau dadurch länger und ihre Proportionen vollkommener wirken (73 Prozent) und die weibliche Körperhaltung mit High Heels attraktiver aussieht (72 Prozent). Und immerhin noch 41 Prozent gehen sogar davon aus, dass Stöckelschuhe tragende Frauen „besser im Bett“ sind. Das hat eine Umfrage des Lifestylemagazins „Women’s Health“ unter 1.088 Männern ergeben.
Ich dagegen denke bei High Heels an Schmerzen: an geschwollene Fußballen, an krankhafte Veränderungen des Fußskeletts wie die sogenannten Hammerzehen, an Lenden-, Kreuzbein- und Gelenkproblemen in Hüften und Beinen, an Muskelüberlastungen und -verkürzungen, an verschlechterte Durchblutung der unteren Extremitäten und an erhöhte Unfallgefahr. Ich mag deshalb Sneakers, Ballerinas und andere flache Schuhe.
Allerdings muss ich eingestehen, dass bei Weitem nicht alle Frauen meiner Meinung sind. So erklärte etwa Sexsymbol Marilyn Monroe einst: „Ich weiß nicht, wer die High Heels erfunden hat, aber alle Frauen verdanken ihm sehr viel.“ Und Eva Longoria, die als Gabrielle Solis acht Jahre lang durch die US-Erfolgsserie „Desperate Housewives“ stöckelte, behauptet: „Ich bin Latina, wir sind in High Heels geboren. Wir sind damit über die Grenze und vor der Einwanderungsbehörde geflüchtet. Ich kann in High Heels sogar eine Aerobic-Stunde durchstehen.“ Victoria Beckham, Ex-Spice-Girl und Fußballergattin, dagegen verriet, sie habe zwar eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio, gehe aber nie hin, weil sie auf Laufband oder Crosstrainer ihre Stöckelschuhe ausziehen müsse. „Was soll ich denn auf dem Laufband tragen? Ich bringe es nicht übers Herz, flache Schuhe anzuziehen“, begründete sie ihre Abneigung.
Doch warum tragen nur Frauen hochhackige Stöckelschuhe? Warum tun sich das die Männer – bis auf sehr wenige Ausnahmen, wie beispielsweise Transvestiten, Laufstegtrainer Jorge Gonzales oder als Frauen verkleidete Männer an Fasching – nicht an? Wo doch im 16. Jahrhundert vor allem Männer Absätze getragen haben und diese ein Zeichen der Zugehörigkeit zur besseren Gesellschaft waren! Und wo doch High Heels Wunder vollbringen sollen: Sie machen längere Beine, sie machen schöne Beine schöner – und weniger schöne werden in ein besseres Licht gerückt, sie sorgen für einen sexy Hüftschwung, sind gut fürs Selbstvertrauen und betonen die Rückansicht. Haben Männer all das einfach nicht nötig, weil sie eh schon „an der Macht“ sind und niemanden durch ihre äußeren Vorzüge überzeugen müssen? Oder sind Männer einfach das gescheitere Geschlecht und drücken sich vor den unbequemen Schuhen und all den schmerzhaften Nebenwirkungen, indem sie die High Heels tragenden Frauen über alle Maßen loben und das Schuhwerk damit zum typisch weiblichen Accessoire stilisieren? Oder wissen die Männer einfach, dass – aufgrund ihrer massiven Knochenstruktur – das Laufen in Stöckelschuhen nicht zu ihnen passen würde?
Denn all die genannten Vorzüge von High Heels gelten nur, wenn die Trägerin auch in den hochhackigen Schuhen laufen kann – wenn sie das nicht kann, dann sollte sie besser auf das auffällige Schuhwerk verzichten. Oder einen der derzeit immer mehr in Mode kommenden Kurse fürs richtige Stöckeln besuchen – am besten einen, bei dem den Teilnehmern das Schön-Stöckeln drinnen und draußen beigebracht wird. Denn gehen auf dem Catwalk sei, so Expertinnen, einfach. Dabei muss ich an die Models bei den großen Modenschauen in Paris, Mailand und New York denken, die es zuweilen nicht schaffen, sturzfrei in High Heels über den Laufsteg zu schweben, und das, obwohl es ihr täglich Brot ist. Nichtsdestotrotz gilt das Laufen draußen auf der Straße, auf Kopfsteinpflaster und auf mit Kies belegten Gartenwegen als die wahre Herausforderung. Das Wichtigste, um elegant zu stöckeln, sind angeblich eine aufrechte Haltung und viel, sehr viel Übung. Dazu gibt die Redaktion von Amica Online folgende Tipps: „Hat sich der Absatz verhakt – nicht hektisch werden! Leichtfüßig aus dem Schuh gleiten, mit durchgestreckten Beinen bücken, den Schuh befreien und hineinschlüpfen. Dabei pausenlos lächeln. So macht man aus dem peinlichen Moment noch eine Show!“
Es gibt übrigens Frauen, die aus ihrem Können einen Wettkampf machen: Rund um den Globus werden Stiletto- bzw. High-Heels-Runs veranstaltet. Dabei fällt zwar die eine oder andere Teilnehmerin auf die Nase, doch die Siegerinnen, die für die meist 100-Meter-Sprintstrecke um die 18 Sekunden brauchen, können sich der Bewunderung der Konkurrenz sicher sein – ebenso wie meiner.